Stillstand am Worringer Platz
Vor einem Jahr hat die Stadt ein Sicherheitsprojekt für das Bahnhofsviertel ins Leben gerufen. Eine neue Aufenthaltsfläche für Drogenabhängige wurde angekündigt. Getan hat sich nur wenig. Warum dauert das so lange?
Auf dem Worringer Platz treffen sich erneut viele Drogenabhängige. Foto: Anne Orthen
Von Verena Kensbock
Düsseldorf Es dauert nur wenige Sekunden bis zum Streit. Die Männer reden, dann kommt es zum Gerangel, der eine holt mit dem Regenschirm aus, der andere mit der Faust. Der eine mit der dunklen Kapuze im Gesicht wollte Drogen kaufen. Der andere, mit Fischerhut und Sonnenbrille, ist der Dealer, das ist ziemlich offensichtlich. Er fährt schließlich fluchend mit dem Fahrrad davon. Alltag auf dem Worringer Platz, Alltag im Bahnhofsviertel.
Es hängen an diesem regnerischen Montagmittag einige Menschen auf dem Worringer Platz herum. Einige liegen reglos auf den Bänken, andere laufen rastlos hin und her. Vor der Zentralbibliothek am Kap1 hat eine große Gruppe die Fahrradständer okkupiert, sie trinken Bier und essen Brötchen. Fahrräder schließt hier kaum noch jemand an. Auch in den Containern am Immermannhof sitzen viele verlorene Menschen, einige konsumieren Drogen. Nur an der Bushaltestelle am Kurfürstenstraße ist an diesem Tag kein Treffpunkt, nur ein Mann liegt in einer Ecke auf dem nassen Boden.
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Schätzungsweise 100 Menschen, die man der Drogen- und Wohnungslosenszene zuordnen kann, die wiederum aus ganz vielen unterschiedlichen Gruppen besteht, halten sich an diesem Mittag rund um den Hauptbahnhof auf. Es dürften noch mehr werden, wenn das Drogenhilfezentrum am Abend schließt.
Vor ziemlich genau einem Jahr hat die Stadtverwaltung das Projekt „Sicherheit im Bahnhofsumfeld“ ins Leben gerufen. Da sah der Worringer Platz zwar noch anders aus, die Situation aber hat sich seither kaum verändert. Zwar ließ die Stadt im Februar die Glasbänke und die Pizzeria abreißen. Der Worringer Platz ist nun weniger beengt, es kommt laut Drogenhilfe seltener zu gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der Szene. Doch seitdem herrscht weitestgehend Stillstand und von einer Lösung ist man ebenso weit entfernt wie vor einem Jahr.
„Es gibt keine sichtbaren Erfolge“, sagt Anwohner Christian Tilg, der sich in zahlreichen Gremien für das Viertel engagiert. Positiv seien die bessere Beleuchtung und theoretisch auch die häufigere Reinigung, von der man jedoch nicht allzu viel merke. Auf die zentrale Frage aber gebe es noch immer keine Antwort: Wohin mit den Menschen?
Schon seit Jahren fordern Sozialarbeiter einen alternativen Aufenthaltsort. Im Juni dann die Nachricht: Im Hinterhof des Drogenhilfezentrums an der Erkrather Straße sollen sich Abhängige künftig aufhalten können, was wiederum den öffentlichen Raum entlasten solle. Doch seither ist nicht viel geschehen. Wie kann das sein?
Die Pläne haben sich geändert, sagt Miriam Koch, Dezernentin für Kultur und Integration. Statt einer kurzfristigen Zwischenlösung wolle man nun einen langfristigen Aufenthaltsort schaffen – das bedeute bauliche Veränderungen, die wiederum viel Zeit in Anspruch nähmen. So könnten in dem Innenhof neue Räumlichkeiten entstehen für den Aufenthalt, unter anderem mit Betten zum Ausruhen, auch ein Café sei denkbar.
Ein Zeitplan liege noch nicht vor, so Koch. Es dürften aber noch Monate vergehen bis dahin. Für den Winter wolle man daher eine Alternative schaffen zu den Containern am Immermannhof, die kaum Schutz vor Kälte bieten. Diese sollen dann wieder abgebaut werden.
Die veränderten Pläne scheinen aber nicht der einzige Grund zu sein. Aus dem Hintergrund heißt es, es habe Uneinigkeiten und nachträgliche Verhandlungen mit dem Eigentümer gegeben, was den Prozess in die Länge gezogen habe. Die Folge: Stillstand, zumindest an der Oberfläche.
Auch bei der Drogenhilfe selbst ist nicht mehr über den Zeitplan bekannt. „Wir warten darauf, dass es losgeht“, sagt Patrick Pincus, Leiter des Bereichs Überlebenshilfen. Doch Klarheit über den Start gebe es auch bei dem Verein nicht. Auch ob die Aufenthaltsfläche den Ideen der Drogenhilfe entsprechen wird, ist noch offen. So benötige man neben einem Ruheraum mit Betten auch Möglichkeiten für medizinische Behandlungen. „Und wir möchten den Mikrohandel und den Konsum von Drogen dort tolerieren“, sagt Pincus. Nur dann sei das Angebot attraktiv genug, damit es auch von der Szene angenommen werde.
Ähnlich sei es mit einer Ausweitung der Öffnungszeiten der Drogenhilfe. An Wochenenden sind die Angebote nur bis 15.30 Uhr verfügbar, danach verlagere sich das Geschehen auf den Worringer Platz und Umgebung. Um Entlastung zu schaffen, habe der Verein einen Antrag bei der Stadt gestellt, um auch samstags und sonntags bis 20.30 Uhr öffnen zu können. Bislang hätten sie keine Antwort erhalten.
„Die Bestrebungen sind da“, sagt Pincus. „Aber als Einrichtung brauchen wir feste Zusagen.“ Diese fehlten bislang. Das wiederum könne den Prozess noch weiter in die Länge ziehen. Denn für alle Erweiterungen – Aufenthaltsfläche im Innenhof und Öffnungszeiten – brauche die Düsseldorfer Drogenhilfe zeitlichen Vorlauf, um Personal zu finden, einzustellen und einzuarbeiten.
Auch vor der Einrichtung an der Erkrather Straße und unter der Unterführung campierten mittlerweile vermehrt Menschen und konsumierten dort auch Drogen, so Pincus. „Langsam können wir das nicht mehr gut handeln.“
RP 21.10.25
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-stillstand-am-w...
Kommentar
Die Geduld ist langsam aufgebraucht
Als ich kürzlich am Worringer Platz vorbeikam, habe ich mich bei einem Gedanken erwischt: „Ist das schäbig hier.“ Dabei habe ich keine Berührungsängste, war Dutzende Male dort, mal um über Razzien, mal über die Drogenszene, mal über Kunstprojekte zu berichten. Aber trotz aller Diskussionen, Runden, Projekte und Berichterstattung ändert sich offenbar nichts. Dabei war eine Veränderung zu spüren, als die Stadt im April die Bänke und die Pizzeria abreißen ließ und der Platz plötzlich frei und weniger beengt da lag. Acht Monate später ist Ernüchterung eingekehrt. Viele Abhängige, die in Richtung Hauptbahnhof abgewandert waren, sind zurückgekehrt – wenig verwunderlich, wo sollen sie auch anders hin? Bis heute fehlt die alternative Aufenthaltsfläche, die Sozialarbeiter seit Jahren fordern. Zwischendurch war mal der Bertha-von-Suttner-Platz im Gespräch, doch die Pläne platzten. Seitdem? Nichts, zumindest nichts Offizielles.
Es bleibt ein schäbiger Ort für die Drogenabhängigen, die in den Hauseingängen kauern. Für die Anwohner, die schreiende Menschen und deren Hinterlassenschaften vor der Haustür haben. Für alle, die sich um Veränderungen bemühen und dabei merken, dass es nicht vorangeht. Dabei hatte Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) bei der Ankündigung des SiBu-Projekts einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Finanzielle Aspekte sind bei der Umsetzung zweitrangig.“ Die Probleme im öffentlichen Raum müssten schnell gelöst werden. Das war im Juni 2024. Einige Veränderungen gab es durchaus: mehr Licht, neue Teams mit Sozialarbeitern. Doch bei anderen Themen hakt es. Bei vielen schwinden allmählich die Geduld und das Verständnis dafür.
Zugegeben: Das Bahnhofsviertel ist aktuell eine der schwierigsten Aufgaben für Stadt und Polizei. Doch genau deswegen braucht es mehr Mut zu pragmatischen Lösungen wie dem Tolerieren des Mikrohandels. Und vor allem schnelleres Handeln wie dem Bewilligen der erweiterten Öffnungszeiten des Drogenhilfezentrums. So pragmatisch und schnell, wie es auch der Kahlschlag auf dem Worringer Platz war.
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/brennpunkt-bahnhofsviertel-...