Kritik an Regelwerk für den OSD

 

Rechtsgutachten:
Kritik an Regelwerk für den OSD

Die Linke hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wonach Teile der Straßenordnung rechtswidrig sind.

Laura Ihme (lai) ist Redakteurin in der Lokalredaktion Düsseldorf und kümmert sich dort vor allem um kommunalpolitische Themen.

Das Regelwerk, auf dessen Grundlage
die Mitarbeiter des städtischen Ordnungs- und Servicedienstes (OSD)
arbeiten, sei in Teilen rechtswidrig – diesen Vorwurf erhebt jetzt
zumindest die Fraktion der Linken im Stadtrat. Belegen soll das ein
entsprechendes Gutachten, das der Rechtsanwalt Jasper Prigge in ihrem
Auftrag erstellt hat.

Für „in weiten Teilen rechtswidrig“ hält dieser
den Paragraf 6 der Düsseldorfer Straßenordnung. Dieser Teil des
Regelwerks, dessen Einhaltung die OSD-Mitarbeiter kontrollieren,
definiert, was „Störendes Verhalten auf Straßen und in Anlagen“ der
Stadt und somit nicht erlaubt ist. Als störend gelten demnach etwa
aggressives Betteln, Lagern in Personengruppen oder Lärmen. Prigges
Kritik: Viele der aufgelisteten Tatbestände wie etwa Lärmen oder Lagern
stellten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dar –
das aber wäre Voraussetzung dafür, dass das Verhalten verboten und mit
Bußgeldern belegt werden könne. Schwer sei zu definieren, ab wann ein
Verhalten störend sei, die Tatbestände seien „beinahe
voraussetzungslos“, heißt es in dem Gutachten.

Unterstützung erhält Prigge von FiftyFifty,
Sozialarbeiterin Julia von Lindern wirft der Stadt zudem vor, den
Paragrafen gezielt zu nutzen, um gegen Wohnungslose vorzugehen. „Abends
auf der Treppe am Burgplatz sitzen auch viele Menschen und sind laut,
machen Musik. Gegen sie geht der OSD nicht vor“, sagt sie.

Prigge wirbt nun für eine juristische Überprüfung
des Paragrafen. Dies könne das Amtsgericht tun, wenn jemand gegen einen
Bußgeldbescheid Widerspruch einlege. Immer wenn dies drohte, habe die
Stadt Bußgeldbescheide bislang jedoch zurückgenommen. Diesen Vorwurf
weist die Stadt entschieden zurück. Es habe keinen einzigen Fall
gegeben, wo ein Bescheid aufgrund eines drohenden Verfahrens
zurückgezogen worden sei, sagt Ordnungsamtsleiter Michael Zimmermann.
Paragraf 6 sei ein wichtiges und gutes Werkzeug des OSD und lang erprobt
– es gibt ihn seit 1997.

Die Linke will den Paragrafen nun auf politischer
Ebene kippen und dabei auch auf Grüne und SPD zugehen. „Die haben
seinerzeit gegen diesen Paragrafen gestimmt“, sagt Fraktionschef Lutz
Pfundner.

https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/kritik-an-regelwerk-fuer-de...

 

 

„Paragraf 6 muss weg“

Linke und Fiftyfifty gegen umstrittenen Paragrafen – der ist laut Gutachten rechtswidrig

Von Götz Middeldorf

Um „Störendes Verhalten auf Straßen und in Anlagen“ geht es im Paragraf 6 der „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Landeshauptstadt Düsseldorf“. Die Fraktion der Linke im Stadtrat hält diesen Paragrafen, bei dem es unter anderem um „aggressives Betteln“, „Lagern in Personengruppen“ oder „Nächtigen“ und „Lärmen“ geht, für überflüssig. „Daher muss dieser Paragraf weg“, sagt Lutz Pfundner, Sprecher der Fraktion im Stadtrat. Mehr noch: Die Linke hält die Arbeitsgrundlage, die der städtische Ordnungs- und Servicedienst (OSD) aufgrund dieses Paragrafen hat, für rechtswidrig. Das hat ein Gutachten von Rechtsanwalt Jasper Prigge zu diesem Paragrafen ergeben, das die Linke in Auftrag gegeben hat. Der Düsseldorfer Verwaltungsrechtler Prigge erzielte bereits im Mai einen Erfolg gegen das vergleichbare Alkoholverbot der Stadt Duisburg in deren Innenstadt- Bereich. Der Paragraf 6 wird von der Linke und von der Obdachlosen-Organisation Fiftyfifty vor allem als Teil der „Vertreibungspolitik“ von Obdachlosen in Düsseldorf gesehen. Bemängelt wird vor allem, dass die Punkte im Paragrafen viel zu unpräzise seien, der Spielraum für die OSD-Mitarbeiter zu groß. „Lagern“ bedeute nicht etwa, dass man an einer Straße sitzt oder den ganzen Tag auf einer Bank. Zum Lagern gehöre beispielsweise das Aufstellen von Barrieren wie Tischen oder Stühlen. Negativ-Beispiel: ein Obdachloser wurde von der Kö vertrieben, weil er auf seinem Rucksack saß. Dies aber sei kein Lagern, denn Straßen und Plätze seien freizugänglicher öffentlicher Raum. Problem: Das Rechtsgutachten nützt nichts,, um damit gegen die Stadt vorzugehen. Denn dazu ist ein verhängter Bußgeldbescheid notwendig. Doch der, so Julia von Lindern von Fiftyfifty, kann bis zu einer Verhandlung wieder zurück genommen werden – die dann hinfällig ist. Dies sei bereits mehrfach geschehen. Ein Verhalten der Stadt, das der Rechtsanwalt nicht in Ordnung findet: Die Stadt solle ihre Verordnung rechtlich überprüfen lassen. Dann wisse man, was die Stadt ordnungsrechtlich eigentlich darf. Die Linke will das Thema nun in den Stadtrat bringen und auf eine Änderung oder Streichung des umstrittenen Paragrafen drängen, der im Jahr 2000 mit Stimmen von CDU, FDP und einem Republikaner in die Straßenordnung aufgenommen wurde. „SPD und Grüne waren damals dagegen“, merkt Lutz Pfundner an und setzt jetzt genau auf diese beiden Parteien als Unterstützer. Lutz Pfundner: „Wer auf der Straße lebt und praktisch mittellos ist, wird für seine Lebensumstände noch bestraft. Gegen Wohnungslose geht der OSD hart vor.“ Diese „gezielte und illegale Schlechterbehandlung armer Menschen durch die Stadt“ müsse aufhören.

NRZ 22.8.2018

 

 

Düsseldorf

Debatte um OSD: Ist der Bettel-Paragraf rechtswidrig?

Ein Gutachter fordert die
Stadt Düsseldorf auf, den umstrittenen Paragrafen 6 der Straßenordnung
abzuschaffen. Folgt dem der Stadtrat?

Bei gemeinsamen Einsatz gehen OSD und Polizei – wie hier 2016 – gegen die Trinkerszene am Hauptbahnhof vor. Archiv  

Berger

Bei gemeinsamen Einsatz gehen OSD und Polizei – wie hier 2016 – gegen die Trinkerszene am Hauptbahnhof vor. Archiv

Düsseldorf. Die Ratsfraktion der
Linken will im Verbund mit der Obdachlosenhilfe von Fiftyfifty einen
Teil der Düsseldorfer Straßenordnung kippen. Als Hebel soll ein
Rechtsgutachten dienen, dass der der Linkspartei nahestehende
Rechtsanwalt Jasper Prigge jetzt vorgelegt hat. Und das im Kern sagt:
Der Paragraf 6 der Straßenordnung ist weitgehend rechtswidrig. Der
definiert störendes Verhalten auf Straßen und in Anlagen und untersagt
dann explizit aggressives Betteln, das „Lagern in Personengruppen“,
Lärmen, Störungen in Verbindung mit Alkoholgenuss oder die „Verrichtung
der Notdurft“. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können
mit Geldbußen zwischen fünf und 1000 Euro belegt werden.

Wenn es vor Gericht gehen sollte, zog die Stadt zurück

Tatsächlich werden (vermeintliche) Verstöße gegen ihn seit
Jahren von den Mitarbeitern des Ordnungs- und Servicedienstes geahndet
und mit Platzverweisen, Verwarnungs- oder Bußgeldern geahndet, vor allem
Obdachlose und Bettler sind davon betroffen, meint Prigge. Der Jurist
glaubt, dass die aufgeführten Tatbestände alle nicht haltbar sind. So
sei eine saubere Abgrenzung von „erlaubtem“ und „aggressivem Betteln“
kaum zu ziehen; „Störungen im Zusammenhang mit Alkoholgenuss“, „Lärmen“
stelle keine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Im
übrigen könnte der OSD auch ohne den Paragrafen 6 durchaus gegen
Belästigungen der Allgemeinheit vorgehen, dafür gebe es genügend Normen.

Prigge, die Linke und Fiftyfifty wollen zunächst, dass der
Paragraf endlich juristisch auf den Prüfstand kommt. Dafür freilich muss
ein Betroffener klagen – vor dem Verwaltungsgericht zum Beispiel gegen
einen Platzverweis; oder vor dem Amtsgericht gegen einen
Bußgeldbescheid. Dazu ist es bislang nie gekommen. Prigge:
„Interessanterweise hat die Stadt ihre Bescheide immer zurückgezogen,
bevor sie vor Gericht verhandelt wurden.“ Er meint, weil die Juristen im
Rathaus wüssten, dass Paragraf 6 nicht gerichtsfest sei – spätestens
seit 2007 mal ein Verfahren vom Amtsgericht gegen einen Obdachlosen
wegen „Lagerns“ eingestellt worden ist, weil der Bußgeldbescheid „keine
Verfahrensgrundlage“ biete.

Die Düsseldorfer Straßenordnung trat im Juni 1997 als Grundlage
für die Arbeit des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) der Stadt in
Kraft. Der umstrittene Paragraf 6 wurde kurz nach dem Amtsantritt von OB
Joachim Erwin im März 2000 in Teilen neu gefasst (u.a. „Lagern in
Personengruppen“, Störungen in Verbindung mit Alkoholgenuss“
„aggressives Betteln“) und konkretisiert. Das war schon damals politisch
stark umstritten, neben der Linken lehnten im Stadtrat auch SPD und
Grüne die Neufassung ab, kamen aber nicht gegen die CDU-FDP-Mehrheit an.
„Doch jetzt gibt es neue Mehrheitsverhältnisse“, sagt Lutz Pfundner,
der Fraktionschef der Linken, und meint damit, dass es mit der Ampel
eine politische Mehrheit gegen den Paragrafen 6 der Straßenordnung gibt –
oder geben müsste: „Wir werden wohl einen entsprechenden Antrag im Rat
stellen, dann werden wir sehen“, sagt Pfundner.

Obdachlose wie Jörg Hilden beklagen vor allem, wie willkürlich
der OSD vorgehe, „manche Mitarbeiter sind recht liberal und halten sich
zurück, andere greifen schon bei jeder Kleinigkeit rabiat durch.“ Er
räumt ein, dass sich längst nicht alle Obdachlosen oder Bettler stets
gut benähmen „oft regeln wir ja selbst Probleme“. Julia von Lindern,
Sozialarbeiterin bei Fiftyfifty, will neben der juristischen Klärung vor
allem „einen besseren Umgang mit Obdachlosen, dass sich der Konflikt
nicht immer weiter hochschaukelt, denn das schadet beiden Seiten und
führt zu nichts Gutem“.

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