Kommunen müssen ihre Pflicht zur Notunterbringung Obdachloser erfüllen. BAG Wohnungslosenhilfe legt Rechtsgutachten vor

Kommunen müssen ihre Pflicht zur Notunterbringung Obdachloser erfüllen

24.11.2015

BAG Wohnungslosenhilfe legt Rechtsgutachten vor

Berlin, 24.11.2015. Wohnungslose Menschen haben ein Recht darauf, von
der Kommune, in der sie sich aktuell und tatsächlich aufhalten, mit
einer Notunterkunft nach Ordnungsrecht versorgt zu werden. Dabei ist es
unerheblich, wie lange sich die Betroffenen bereits in der Kommune
aufhalten. Regelungen, die eine Mindestaufenthaltsdauer in einer Kommune
vorsehen, sind nicht rechtens. Dies erklärte Thomas Specht,
Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W)
in Berlin. In der Praxis erfüllten Kommunen diese Pflichtaufgabe oft
nicht oder nur unzureichend, so Specht, deswegen habe die BAG W ein
Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Rechtslage nochmals
eindeutig darlege.

„Obdachlosigkeit gefährdet die grundgesetzlich
geschützten Individualrechte wie das Recht auf Leben, auf Gesundheit,
auf körperliche Unversehrtheit und auf Menschenwürde. Deswegen hat jede
Gemeinde den unabweislichen Auftrag, diese Grundrechte zu schützen und
entsprechende Gefahren abwehrende Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte
Specht. Dies sehen die Polizei-, Sicherheits- und Ordnungsgesetze aller
Bundesländer vor. „Da wir hier über den Schutz grundlegender
Menschenrechte sprechen, besteht der Anspruch auf ordnungsrechtliche
Unterbringung unabhängig von der Nationalität und dem Aufenthaltsstatus
der Betroffenen“, so Specht.

So wird in dem Gutachten eindeutig festgestellt, dass einem
obdachlosen EU-Migranten zwar eine Rückfahrkarte ins Heimatland
angeboten werden kann. Die Annahme ist aber freiwillig, d. h. die
Gemeinde kann die Person nicht zwingen, dieses Angebot anzunehmen oder
damit drohen, dass im Falle der Nichtannahme des Rückreiseangebots der
Unterbringungsanspruch verloren geht.

Thomas Specht: „Diese Rechtslage stellt sicher eine Herausforderung
für Kommunen dar, die bislang häufig versuchen, die ordnungsrechtlichen
Unterbringungsansprüche von Obdachlosen und insb. von EU-Migrantinnen
und Migranten zu negieren. Die Kommunen müssen aber dafür sorgen, dass
ausreichend viele Unterbringungskapazitäten vorgehalten werden. – Auch
dann, wenn Kommunen durch die Unterbringungsverpflichtung gegenüber
Asylsuchenden bereits stark gefordert sind.“

Besonders kritisch könnte sich die Lage in den kommenden
Wintermonaten entwickeln. Im November starten in vielen Gemeinden die
Sonderprogramme zur Kältehilfe für wohnungslose Menschen. Viele
Notübernachtungsstellen seien aufgrund der gestiegenen Zahl von
Wohnungslosen und der steigenden Zahl von Menschen, die ganz ohne
Unterkunft auf der Straße lebten, bereits lange vor Beginn der
Kältenotprogramme – manchmal bereits im Sommer – vollkommen ausgelastet
gewesen. Deswegen müssten rechtzeitig zusätzliche
Unterbringungskapazitäten für die Wintermonate erschlossen werden, so
Specht. „Diese Unterbringung muss menschenwürdig sein. Immer mehr
Menschen auf gleichem Raum unterzubringen, ist also keine Lösung. Es
bedarf eines Mindestmaßes an Privatsphäre. Schutz, Sicherheit sowie
funktionierende und ausreichend vorhandene sanitäre Anlagen sind
unabdingbar. Für wohnungslose Frauen, die in Gemeinschaftsunterkünften
sexualisierte Gewalt fürchten müssen, brauchen wir separate
Unterbringungsmöglichkeiten.“

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Rechtsgutachten, auf das in der Pressemitteilung Bezug genommen
wird, ist von dem renommierten Experten für Ordnungsrecht, Karl-Heinz
Ruder, Rechtsanwalt / Stadtrechtsdirektor i. R., verfasst worden.
Unserer Pressemitteilung angehängt haben wir eine Zusammenfassung des
Gutachtens.

Das vollständige Gutachten finden Sie hier. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an: thomasspecht@bagw.de.

http://www.bagw.de/de/presse/index~117.html