Individuelle Waffenverbote im Bahnhofsumfeld
Am Hauptbahnhof gab es oft Gewalt unter Abhängigen und Obdachlosen. Nun soll gegen Störer vorgegangen werden
Im Rahmen des Projektes „Sicherheit im Bahnhofsumfeld“ (SiBu) plant die Polizei derzeit neue Maßnahmen, um rund um den Düsseldorfer Hauptbahnhof und den langjährigen Drogen-Hotspot „Worringer Platz“ für mehr Sicherheit und Ruhe zu sorgen. Wie Thorsten Fleiß, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz bei der Polizei, auf Nachfrage der NRZ erklärte, soll es für Störer künftig individuelle und personenbezogene Waffen- und Betretungsverbote geben. „Diese Maßnahmen planen wir im Gesamtkontext von SiBu, auch um Gewalt innerhalb der Szene zu verhindern oder zumindest zu verringern“, erklärt Fleiß.
Bei vier Personen werden solche Sanktionen aktuell geprüft, die in der Vergangenheit wiederholt durch Gewalt und das Mitführen von Waffen wie beispielsweise Messer im Bahnhofsviertel aufgefallen sind. Vor allem die Gewalt innerhalb der Drogenszene sei mittlerweile ein großes Problem. Das liege laut Fleiß daran, dass die sogenannten Störer sich „sozial-inadäquat innerhalb der Szene verhalten, Abhängige und Obdachlose bedrohen und auch mal zu Gewalt greifen“.
Probleme bei der Umsetzung
Dies berichteten bereits im Mai 2024 drei Frauen aus der Drogenszene im Gespräch mit einem Anwohner und unserem NRZ-Reporter bei einem Rundgang über den Worringer Platz . Laut ihren Schilderungen kam es in der jüngeren Vergangenheit zu Veränderungen innerhalb der Szene: „Unsere Leute von früher sind gar nicht mehr da. Mittlerweile kommen viele Abhängige aus anderen Städten nach Düsseldorf.“ Darunter seien Dealer und Störer, die dann auch oft mit Gewalt drohen: „Man wird von den Leuten mittlerweile mit Messern bedroht. Außerdem beklauen sie uns.“
Es seien aber schon mögliche Störer identifiziert worden, die aus Düsseldorf stammen, oder zumindest in der NRW-Landeshauptstadt Hilfsangebote der Drogenhilfe und anderen Anlaufstellen in Anspruch nehmen. Dies sei durchaus ein Problem bei der Umsetzung der geplanten Polizeimaßnahmen, räumt Thorsten Fleiß ein, der 2020 Chef der Polizeidirektion Mitte wurde (zuständig für die Altstadt, Stadtmitte und Oberbilk). „Waffenverbotszonen und Betretungsverbote sind in der Altstadt leichter umsetzbar und überprüfbar, weil es dort keine Anlaufstellen für Süchtige gibt.“ Dies sei im Bahnhofsviertel jedoch an einigen Stellen der Fall. Und die Polizei will „grundsätzlich natürlich nicht verhindern, dass Menschen, die drogenabhängig sind, ihre Hilfe bekommen“. Ein weiteres Problem: Den betroffenen Personen solche Waffen- beziehungsweise Betretungsverbote auszusprechen, erweist sich in der Praxis in den meisten Fällen als schwierig. Denn im Normalfall werden diese Sanktionen über den postalischen Weg ausgesprochen.
Wir wollen die Abhängigen dahin lenken, wo es Anlaufstellen und Hilfsangebote gibt.
Thorsten Fleiß, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz
bei der Polizei
Wenn Störer keine gemeldete Adresse vorweisen können, können die Verbote nur persönlich ausgesprochen werden. „Aber manchmal trifft man die Personen über Tage oder Wochen nicht im Bahnhofsviertel an. Diejenigen so zu erreichen, damit sie es auch verstehen, ist daher manchmal sehr schwer“, erklärt der Polizeibeamte. Bei einem der vier Störer, die nun ein Waffen- beziehungsweise Betretungsverbot für das gesamte Bahnhofsviertel erhalten sollen, ist der derzeitige Aufenthaltsort nicht bekannt. Wie Thorsten Fleiß weiter betont, geht es der Polizei bei den angekündigten Maßnahmen jedoch nicht darum, Drogensüchtige und Obdachlose von den berüchtigten Plätzen rund um den Hauptbahnhof zu vertreiben oder gar zu kriminalisieren.
„Wir prüfen jede Maßnahme“
„Die Drogenkonsumenten zu sanktionieren, ist nicht sinnvoll, wenn sie auch offensichtlich nichts gemacht haben. Es geht um die Störer, die Unruhe in die Szene reinbringen.“ Deswegen gelten Personen nur dann als Störer, wenn sie in der jüngeren Vergangenheit oder immer wieder durch Straftaten wie Körperverletzung innerhalb der Szene aufgefallen sind. Konsumenten, die ansonsten einen relativ geregelten Lebensalltag haben, fallen hingegen – im Normalfall – nicht darunter.
Deswegen verfolge die Düsseldorfer Polizei nun den individuellen Ansatz. „Wir prüfen natürlich jede mögliche Maßnahme, aber das Ganze muss auch Sinn machen.“ Betretungsverbote für ganze Gruppen hätten nämlich auch gezeigt, dass diese sich dann wenig später an anderer Stelle niederlassen. Deswegen soll nun gezielt gegen Einzelpersonen vorgegangen werden, die dann beispielsweise dreimonatige Waffenverbote erhalten sollen.
Fest steht jedenfalls, dass die Polizei die Maßnahmen nach Austausch mit Streetworkern und der Drogenhilfe umsetzen werde, so Thorsten Fleiß weiter. Dennoch wird es auch künftig vorkommen, dass die Polizei größere Gruppen von Konsumenten von gewissen Plätzen verweisen wird. Aber nicht, um sie aus dem Bahnhofsumfeld zu vertreiben, wie der Polizist nochmals klarstellt: „Wir wollen die Abhängigen dahin lenken, wo es Anlaufstellen und Hilfsangebote gibt.“
NRZ
https://www.nrz.de/lokales/duesseldorf/article409598208/gewalt-im-bahnho...
Bahnhofsviertel: Polizei nimmt Störer ins Visier
Bestimmte Personen aus der Drogenszene sind kürzlich und mehrfach mit Gewalttaten aufgefallen. Jetzt sollen sie individuelle Waffen- und Betretungsverbote bekommen.
Von Verena Kensbock
Düsseldorf Um mehr Sicherheit im Bahnhofsviertel zu erreichen, hat die Polizei eine neue Maßnahme angekündigt: Mit individuellen Waffen- und Betretungsverboten rund um den Worringer Platz will die Polizei vor allem gegen Störer vorgehen. Nun sind die ersten Verbote gegen vier Männer in der Vorbereitung.
Die Polizei habe vier Personen aus der Drogenszene identifiziert, bei denen die Maßnahmen greifen sollen, sagt Thorsten Fleiß, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz. Zwei sollen künftig keine Waffen mehr bei sich tragen dürfen, zwei weitere sich sogar nicht mehr auf dem Worringer Platz und im Bahnhofsumfeld aufhalten dürfen.
Die vier Männer seien der Polizei bereits wegen Gewalttaten bekannt, in der Regel seien das Körperverletzungsdelikte innerhalb der Drogenszene. Manche seien erst kürzlich auffällig geworden, andere hätten bereits eine längere kriminelle Karriere, so Fleiß. Wichtig: Die Taten liegen nicht lange zurück. So soll verhindert werden, dass Personen in einer mittlerweile stabilisierten Lebenssituation sanktioniert werden.
Die Polizei habe die möglichen Personen anhand der Akten und der Erfahrungen der Beamten ausgemacht. Das theoretische Konzept der Waffen- und Betretungsverbote stehe, so Fleiß. Die praktische Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig. So haben alle vier Männer keine dauerhafte Meldeadresse. Zwar hätten die meisten Obdachlosen Postfächer bei Hilfsorganisationen, doch die Schreiben über die Verbote sollen ihnen im Idealfall nicht postalisch, sondern persönlich zugestellt werden.
Da beginnt das Problem: Bei einem der Männer ist der aktuelle Aufenthaltsort nicht bekannt. Bei einem anderen ist der Fall entgegengesetzt gelagert: Er sitzt mittlerweile im Gefängnis. Ergeben die Verbote dann noch Sinn? Die Fälle müssten jedenfalls genau geprüft werden, um juristisch wasserdicht zu sein, sagt Fleiß.
Das Ziel der neuen Verbote: nicht die Drogenabhängigen kriminalisieren, sondern die Gewalttäter aus der Szene heraushalten, so Fleiß. In der durchmischten Gruppe von Drogenabhängigen und Obdachlosen befinden sich nach Einschätzung von Polizei und Stadt einige Störer, die vor allem innerhalb der Szene Ärger machen. So komme es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Konsumenten, was sich wiederum negativ auf das Sicherheitsgefühl der Anwohner und Passanten auswirke „Aus unserer Sicht sind diese Störer eine große Ursache dafür, dass es so eine negative Dynamik auf dem Platz gibt“, hatte Fleiß bei der Vorstellung der Maßnahmen gesagt.
Darum will die Polizei – anders als in der Altstadt – nicht mit flächendeckenden Verbotszonen arbeiten, sondern Maßnahmen gegen Einzelpersonen verhängen. Dazu gehören die individuellen Waffentrageverbote (beispielsweise für Baseballschläger oder bestimmte Messer mit kurzen Klingen), mit denen bereits in anderen Kommunen gearbeitet wird.
Einen Schritt weiter gehen Bereichsbetretungsverbote, bei denen Störer das Bahnhofsumfeld gänzlich meiden müssen. Ein schwieriges Feld, sagt Fleiß, schließlich könne man etwa Drogenabhängigen mit einem Betretungsverbot nicht den Zugang zur Drogenhilfe verwehren. Es sei in jedem Fall ein Abwägen zwischen Hilfeleistungen und Maßnahmen für die Sicherheit. Darum handle die Polizei auch in Absprache mit Streetwork-Organisationen und Drogenhilfe. „Wir wollen keine Hilfsangebote konterkarieren“, sagt Fleiß.
Verhängt die Polizei die Verbote, werden die Personen im Fahndungssystem ausgeschrieben. Die Einsatzkräfte, die regelmäßig im Bahnhofsumfeld unterwegs sind, sind informiert und können die Personen etwa auf Waffen kontrollieren oder des Bereichs verweisen. Werden die Verbote missachtet, drohen Zwangsgelder. Die Höhe ist noch nicht klar, sie sollen sich aber zwischen 250 und 500 Euro bewegen, sagt Fleiß. Das sei für die betroffenen Personen viel Geld. Es ist also gut möglich, dass sie die Zwangsgelder nicht zahlen können und stattdessen Ersatzhaftstrafen verbüßen müssen.
RP 24.7.25
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-polizei-will-wa...