DIW-Bericht Ungleichheit nimmt wieder zu

 

DIW-Bericht Ungleichheit nimmt wieder zu

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Wie viel Geld steht für den Einkauf zur Verfügung?
 Foto: rtr

Das Armutsrisiko steigt – nicht nur für Arbeitslose, auch für Rentner
und Erwerbstätige. Und das trotz des Booms am Arbeitsmarkt, wie die
Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen.

Seit der Wiedervereinigung ist die deutsche Wirtschaftsleistung um mehr als ein Fünftel gestiegen. Doch

nicht alle Haushalte haben davon etwas abbekommen, die ärmsten verfügen
heute sogar über weniger Geld als 1991. Das teilte am Mittwoch das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit. Gutverdiener haben
dagegen kräftig profitiert. Die Ungleichheit in Deutschland wächst, das
Armutsrisiko steigt – nicht nur für Arbeitslose, auch für Rentner und
Erwerbstätige. Und das trotz des Booms am Arbeitsmarkt.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) produzierten die deutschen Beschäftigten
2014 real – also abzüglich Inflation – 22 Prozent mehr als 1991. Ein
Teil davon floss den privaten Haushalten zu: Im Durchschnitt hatten sie
im Jahr 2014 rund 2500 Euro mehr zur Verfügung als Anfang der Neunziger –
ein Plus von mehr als zwölf Prozent.

40 Prozent haben verloren

Dieser Zugewinn hat sich jedoch sehr ungleich verteilt. Profitiert haben laut
DIW vor allem die gut verdienenden Haushalte. Das verfügbare Einkommen
der obersten zehn Prozent kletterte um knapp 27 Prozent. Haushalte in
der Mitte der Einkommensverteilung gewannen knapp neun Prozent. Die
ärmsten zehn Prozent der Haushalte mussten dagegen in den betrachteten
23 Jahren einen Einkommensverlust von acht Prozent hinnehmen.

Warum haben die ärmsten Haushalte Einkommen verloren? Laut DIW lag dies am
zeitweisen Ausbau des Niedriglohnsektors, der Zunahme sogenannter
atypischer Beschäftigung und an der Tatsache, dass die Sozialleistungen
weniger stiegen als die Inflation. Hinzu komme die schwache Entwicklung
der Alterseinkommen. Die starken Gewinne der reichen Haushalte dagegen
resultierten aus den steigenden Einkommen aus Kapitalanlagen und aus
Selbstständigkeit – Anleger und Unternehmer gewinnen.

Die Schere in Deutschland geht also auseinander: Zwischen 1991 und 1999
stagnierte die Ungleichheit, so das DIW, bis 2005 nahm sie dann stark
zu. Die Finanzkrise sorgte für eine Angleichung, seit dem Jahr 2009
jedoch steigt die Ungleichheit wieder. Damit verfehle die Bundesrepublik
voraussichtlich eines der Millenniumsziele der Vereinten Nationen, nach
dem der Einkommenszuwachs der ärmsten 40 Prozent einer Bevölkerung
höher sein sollte als das durchschnittliche Einkommensplus der
Bevölkerung. „Seit 1999 ist das reale verfügbare Einkommen dieser 40
Prozent in Deutschland sogar zurückgegangen“, so das DIW.

Damit steigt auch das Armutsrisiko. In den neunziger Jahren lagen noch etwa
elf Prozent der Deutschen unterhalb der Armutsschwelle, die derzeit für
einen Ein-Personen-Haushalt 1050 Euro im Monat beträgt. 2014 waren es
bereits 16 Prozent. Die Armutsrisikoquote ist laut DIW seit der
Jahrtausendwende kontinuierlich gestiegen. Inzwischen ist ein Fünftel
aller Kinder und Jugendlichen von Armut bedroht.

Arbeit schützt vor Armut nicht

Mehr Armut findet sich auch bei den Rentnern, insbesondere in
Ostdeutschland. Allein zwischen 2002 und 2014 wuchs das Armutsrisiko der
Altersgruppe 65 bis 75 Jahre dort von sieben auf 15 Prozent. „Hier
zeichnet sich das ab, was wir vor gut zehn Jahren schon beschrieben
haben“, so DIW-Forscher Markus Grabka. In Ostdeutschland gebe es
vermehrt Personen, die aufgrund längerer Phasen von Arbeitslosigkeit
weniger in die Rentenkasse eingezahlt haben. Zudem sei kaum betriebliche
und private Altersversorgung vorhanden. „Das Thema Altersarmut ist
wieder in Deutschland angekommen.“

Am stärksten gestiegen ist das Armutsrisiko jedoch für die Gruppe der 25- bis unter
35-Jährigen – seit 1991 von knapp zwölf auf fast 21 Prozent. „Das ist
insofern überraschend, als dass sich diese Personen im erwerbsfähigen
Alter befinden und eigentlich von der guten Arbeitsmarktlage hätten
profitieren müssen“, so Grabka. Nach seinen Berechnungen schützt Arbeit
also nicht vor Armut.

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