DGB-Studie zum Pandemiejahr 2020: Ungleichheiten in Deutschland besonders hoch. Löhne im Sinkflug, Superreiche werden reicher

 

Aus: Ausgabe vom 27.01.2021, Seite 5 / Inland
Soziale Spaltung

Arm trotz Arbeit

DGB-Studie zum Pandemiejahr 2020: Ungleichheiten in Deutschland besonders hoch. Löhne im Sinkflug, Superreiche werden reicher
Von Susan Bonath

 

Lange geschuftet, trotzdem kein Geld: Derzeit bekommen Frauen im Schnitt 37 Prozent weniger Rente als Männer

 

Die Coronapandemie und damit verbundene politische Maßnahmen treffen nicht alle Menschen gleich. Besonders hierzulande. So stehe derzeit

»Deutschland im internationalen Vergleich bei der Ungleichheit sehr
schlecht da«, resümiert Stefan Körzell vom Vorstand des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB) im am vergangenen Wochenende vorgestellten
»Verteilungsbericht«. Rückblickend auf das Jahr 2020 erklärt er weiter:
»So zeigt sich, dass Superreiche trotz oder vielmehr wegen Corona ihr
Vermögen vermehren konnten.« Auch Menschen mit besonders hohen Einkommen
hätten großteils profitiert. Dem entgegen gingen »ärmere Haushalte
weitestgehend leer aus«, so Körzell. Für die Studie nutzte der DGB Daten
von Statistikbehörden sowie internationaler Organisationen.

Zunächst lobt der DGB, dass der Lohnanteil am Volkseinkommen von 72 Prozent im
Jahr 2019 auf 74 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen sei. Dieser
Anstieg der Lohnquote sei vor allem auf den krisenbedingten Rückgang der
Einkommen kleinerer Unternehmen zurückzuführen, wohingegen
Lohneinkommen im Gros »stabil« geblieben seien. Bei der Lohnquote liege
Deutschland damit nunmehr im internationalen Mittelfeld, so das Resümee.
Nominell hätten die Bruttolöhne 2019 noch um gut drei Prozent, real um
1,5 Prozent zugelegt. Im ersten Halbjahr 2020 habe es zwar leichte
nominale Zuwächse gegeben. Die Reallöhne, gemessen also an den
Lebenshaltungskosten, seien aber um zwei Prozent zurückgegangen. So
zeichne sich für das erste Pandemiejahr »eine stark negative Lohndrift
mit höheren Tariflöhnen aber geringeren Effektivlöhnen ab«, resümierte
der Gewerkschaftsbund.

Diese nominalen Zuwächse habe es in den
unteren Einkommensgruppen gegeben, so die Autoren. Dies liege aber
großteils an der Anhebung des Mindestlohns von 9,19 Euro pro Stunde 2019
auf 9,34 Euro im vergangenen Jahr. So heißt es dann auch weiter in der
Studie: »Trotzdem verschlechtert sich die relative Einkommenssituation
der unteren Gruppen langfristig.« Armut trotz Arbeit sei »kein
Randphänomen, sondern ein gesellschaftliches Problem«. Jeder sechste
abhängig Beschäftigte gelte derzeit als arm. Dazu gehörten vor allem
Frauen, Berufseinsteiger und immer mehr ältere Menschen. Nach wie vor
klaffe zwischen den Einkommen von Frauen und Männern eine Lücke von rund
20 Prozent. Dies sei »auch im internationalen Vergleich sehr hoch«.
Derzeit bekämen Frauen im Schnitt 37 Prozent weniger Rente.

Unverändert seien dabei die Lohnunterschiede in Ost- und
Westdeutschland geblieben. »Durchschnittlich verdiente ein Beschäftigter
im Ostteil des Landes 85 Prozent des westdeutschen Niveaus«, heißt es
in der Studie. Und weiter: »Damit stagniert die Ost-West-Angleichung de
facto seit 20 Jahren.« Dabei klafften bei Verdiensten im verarbeitenden
Gewerbe die größten Lücken, in der Sparte Erziehung und Wissenschaft die
geringsten. Den Hauptgrund sehen die DGB-Autoren in der anhaltenden
geringen und sogar rückläufigen Tarifbindung im Osten. Letzteres koste
die Allgemeinheit etwa 75 Milliarden Euro jährlich »durch
Mindereinnahmen bei der Sozialversicherung, der Einkommenssteuer und
durch Kaufkraftverlust der Beschäftigten«.

So sei »Reichtum oft
männlich«, resümieren die Autoren. Während viele kleine Unternehmen vor
dem Abgrund stünden, klingelten die Kassen der Superreichen. In
Deutschland besitzt demnach das reichste eine Prozent ein Drittel des
Gesamtvermögens – soviel wie 87 Prozent der anderen Bundesbürger
zusammen. Die Hälfte der Haushalte habe gar keine Rücklagen oder sei
zudem verschuldet. Die Pandemie verstärke die Kluft. So seien die
Vermögen der Milliardäre weltweit mit zehn Billionen US-Dollar (8,2
Billionen Euro) und in Deutschland mit rund 600 Milliarden US-Dollar auf
ein »Allzeithoch« geklettert – »trotz oder vielmehr wegen Corona«,
heißt es. Die Ärmeren bis hin zur unteren Mittelschicht litten derweil
unter wegbrechenden Einkommen und Aufträgen, steigenden Mieten und teils
mangelhafter medizinischer Versorgung.

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