Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland weiter auf

 

Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland weiter auf

Stand: 03.12.2025, 13:48 Uhr

Von: Steffen Herrmann

Viele Menschen sind auf Hilfe angewiesen, weil sie wenig Geld haben. Etwa von Tafeln wie in Bremerhaven. Eine Mitarbeiterin sortiert auf dem Foto Lebensmittel.

Der neue Armutsbericht der Bundesregierung offenbart eine dramatische Entwicklung. Die reichsten zehn Prozent besitzen 54 Prozent des Vermögens.

In jeder Legislaturperiode muss die Bundesregierung mit einem Bericht auf Armut und Reichtum in Deutschland schauen. Diesen Auftrag hat ihr der Bundestag vor knapp 14 Jahren gegeben. Am Mittwoch hat das Kabinett diesen Auftrag erfüllt und den Siebten Armuts- und Reichtumsbericht beschlossen.

Die Grundlage: amtliche Statistiken und Forschungsdaten, sowie für den Bericht in Auftrag gegebenen Erhebungen und Forschungsprojekte. Der Zeitraum: die Corona-Pandemie und die Inflations- und Energiepreiskrise in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Das Ergebnis? 657 Seiten.

Demnach mussten Menschen „in den unteren Einkommensgruppen“ wegen der hohen Preise in den vergangenen zwei Jahren auf wichtige Güter, Dienstleistungen oder Aktivitäten verzichten. Gleichzeitig ging die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf: Die verfügbaren Haushaltseinkommen stiegen den Angaben zufolge zwar in allen Einkommensschichten, aber bei Gutverdienenden mehr als bei Menschen mit geringerem Lohn oder Gehalt. Auch die Inflation traf Geringverdienende stärker.

Die Vermögen bleiben ungleich verteilt, auch wenn die Ungleichheit leicht gesunken ist: „Die zehn Prozent vermögendsten Haushalte besitzen 54 Prozent des gesamten Nettovermögens“, heißt es im Bericht. 2010/2011 seien es noch 59 Prozent gewesen. „Die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung besaßen dagegen nur etwa drei Prozent des Gesamtvermögens.“

„Wirtschaftlich und demografisch stand Deutschland im Berichtszeitraum unter dem Einfluss weitreichender externer Schocks und struktureller Herausforderungen“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Pandemie und Krieg hatten demnach „erhebliche Auswirkungen“ auf den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Situation vieler Haushalte und Unternehmen, hinzukämen strukturelle Herausforderungen wie der demografische Wandel und die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft.

„Die Preisexplosion der letzten Jahre hat vor allem die Menschen getroffen, die ohnehin schon jeden Euro zweimal umdrehen müssen“, sagte Janine Wissler, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, zur FR. „Wenn Menschen in Haushalten mit weniger als 1.330 Euro im Monat sich sogar beim Essen oder Heizen einschränken, läuft etwas grundlegend schief. Während oben Vermögen ungehemmt weiterwachsen, fehlt unten das Geld für das Nötigste“, kritisierte die Politikerin.

Wissler forderte eine stärkere Besteuerung großer Vermögen und das Bremsen von Mieten. Außerdem müsse man den Sozialstaat so aufstellen, „dass er die Menschen erreicht - ohne unnötige Hürden und Schikanen.“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus nannte die Ergebnisse des Berichts gegenüber der Presseagentur dpa schockierend. „Die ungleiche Vermögensverteilung in diesem Land ist Gift für unsere Gesellschaft.“ Armut sei die Folge politischer Entscheidungen.

Die CDU-Politikerin Ottilie Klein wertete die Ergebnisse anders. Der Bericht zeige, dass Arbeit das beste Mittel sei, um Armut zu verhindern. „Statt Klassenkampf-Debatten brauchen wir eine starke Wirtschaft für mehr sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze“, sagte Klein. (mit dpa)

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