Städ­ten droht Woh­nungs­not. Plä­ne der Lan­des­re­gie­rung ge­hen aus Sicht von Wis­sen­schaft­lern in die fal­sche Rich­tung

 

In Städ­ten droht Woh­nungs­not

Plä­ne der Lan­des­re­gie­rung ge­hen aus Sicht von Wis­sen­schaft­lern in die fal­sche Rich­tung.

VON KIRS­TEN BI­AL­DI­GA

DÜS­SEL­DORF
Die bis­he­ri­gen Plä­ne der neu­en Lan­des­re­gie­rung sind aus Sicht
von Wis­sen­schaft­lern nicht ge­eig­net, den Woh­nungs­man­gel im Land
wirk­sam zu be­kämp­fen. „Die An­kün­di­gun­gen im
Ko­ali­ti­ons­ver­trag pas­sen nicht zur Si­tua­ti­on auf dem
Woh­nungs­markt, ins­be­son­de­re in den Städ­ten“, sag­te Gün­ter
Vorn­holz, Pro­fes­sor für Im­mo­bi­li­enöko­no­mie an der EBZ Busi­ness
School in Bo­chum. Es sei ein fal­sches Si­gnal, schwer­punkt­mä­ßig
den Ei­gen­tums­er­werb zu för­dern. „Da­durch steigt das
Woh­nungs­an­ge­bot nicht“, sag­te Vorn­holz. Zu­dem ge­be es in
länd­li­chen Re­gio­nen oh­ne­hin schon zu vie­le Ei­gen­hei­me, die
we­gen des Über­an­ge­bots an Wert ver­lö­ren.

Vol­ker Ei­che­ner, Ex­per­te für Stadt­ent­wick­lung und Im­mo­bi­li­en an der
Hoch­schu­le Düs­sel­dorf, kri­ti­sier­te: „Der Ko­ali­ti­ons­ver­trag
ist win­del­weich, er ent­hält zu we­nig Kon­kre­tes.“ Die
Lan­des­re­gie­rung müs­se nach­le­gen. „Ich kann im
Ko­ali­ti­ons­ver­trag kei­nen Wil­len er­ken­nen, den Woh­nungs­man­gel
zu be­sei­ti­gen.“

NRW-Bau­mi­nis­te­rin Ina
Schar­ren­bach (CDU) will laut Ko­ali­ti­ons­ver­trag die
Grund­er­werb­steu­er re­for­mie­ren und ei­nen Frei­be­trag von 250.000
Eu­ro pro Per­son ein­füh­ren, der Kin­der ex­tra be­rück­sich­tigt.

Ins­be­son­de­re
in den Städ­ten feh­len Ex­per­ten­schät­zun­gen zu­fol­ge bun­des­weit
400.000 Woh­nun­gen, auch weil der de­mo­gra­fi­sche Wan­del falsch
ein­ge­schätzt wur­de. Stär­ker als er­war­tet zieht es die jun­ge
Ge­ne­ra­ti­on in die gro­ßen Städ­te. Im­mo­bi­li­en­wis­sen­schaft­ler
Ei­che­ner be­zif­fert die Zahl feh­len­der So­zi­al­woh­nun­gen in NRW
auf 250.000. Er ver­mis­se im Ko­ali­ti­ons­ver­trag ein kla­res
Be­kennt­nis zu ei­nem kon­kre­ten För­der­vo­lu­men oder Zah­len zu
ge­plan­ten Wohn­ein­hei­ten – trotz der ak­tu­ell glän­zen­den
Haus­halts­la­ge. Zu­dem sei das The­ma Flücht­lin­ge gar nicht
er­wähnt. Zu be­rück­sich­ti­gen sei, dass es von der In­ves­ti­ti­on
bis zur Fer­tig­stel­lung drei Jah­re brau­che. „Das zeigt: Es muss
schnell ge­hen.“

Die Aus­sa­gen ge­hen in ei­ne
ähn­li­che Rich­tung wie die Kri­tik der Op­po­si­ti­on. Ei­ne
Ideo­lo­gie, die auf das Ei­gen­heim set­ze, sei über­holt, sag­te
ges­tern der Vor­sit­zen­de der Grü­nen-Frak­ti­on, Arndt Klo­cke.
SPD-Frak­ti­ons­vi­ze Sa­rah Phil­ipp hat­te die Ei­gen­tums­för­de­rung
als „Griff in die Mot­ten­kis­te“ be­zeich­net. Statt­des­sen müs­se in
be­zahl­ba­re Woh­nun­gen für Fa­mi­li­en, Rent­ner und Stu­den­ten
in­ves­tiert wer­den. Schar­ren­bach ver­si­cher­te ges­tern, sie wer­de
die Ei­gen­tums­för­de­rung im Rah­men der so­zia­len
Wohn­raum­för­de­rung be­darfs­ge­recht aus­ge­stal­ten. Der
Schwer­punkt der so­zia­len Wohn­raum­för­de­rung blei­be un­ver­än­dert
er­hal­ten.

Um In­ves­ti­tio­nen in Neu­bau­ten
an­zu­kur­beln, schlägt Im­mo­bi­li­en­pro­fes­sor Ei­che­ner vor, über
ei­ne Bun­des­rats­in­itia­ti­ve die de­gres­si­ve Ab­schrei­bung
wie­der­ein­zu­füh­ren. Weil Bau­her­ren da­bei zu­nächst we­ni­ger
Steu­ern zahl­ten, hel­fe es ih­nen über die An­fangs­ver­lus­te hin­weg
und kur­be­le die Bau­tä­tig­keit an. Zu­gleich be­grüß­te er den Plan
der Lan­des­re­gie­rung, die Miet­preis­brem­se ab­zu­schaf­fen und
bü­ro­kra­ti­sche Hemm­nis­se ab­zu­bau­en. Der Kri­tik be­geg­ne­te die
Mi­nis­te­rin mit dem Hin­weis, ein Ko­ali­ti­ons­ver­trag be­inhal­te
nur ei­nen in­halt­li­chen Rah­men, der jetzt aus­ge­stal­tet wer­de.

http://www.rp-online.de/nrw/in-staedten-droht-wohnungsnot-aid-1.7017869