Montag, 20.10.2003
 

NRZ 21.10.03
Es fehlen 5500 Sozialwohnungen
 

 ANALYSE / In den nächsten zwölf Jahren steigt die Zahl auf 12 000.
 Wartezeiten bis zu einem Jahr.

 Ein Haus besetzen, um auf die Zerstörung preiswerten Wohnraums
 hinzuweisen - über die Methode ließe sich trefflich streiten. Allerdings:
 Die Zahlen sind alarmierend. Nur 35 000 der insgesamt 324 000
 Wohnungen in Düsseldorf sind öffentlich gefördert. 5500 Familien,
 Paare und Singles sind in der Warteschleife. Tendenz: steigend!

 Auch, weil in den nächsten zwölf Jahren 12 000 sogenannte
 Sozialwohnungen aus der Bindung fallen. Übersetzt heißt das, der
 40-Jahres-Vertrag mit dem Land, als Gegenleistung für die Förderung
 die Räume günstig zu vermieten, läuft aus. "Den Verlust können wir auf
 keinen Fall mit der Zahl der Neubauten auffangen", mahnt Armin Bank,
 Chef im Wohnungsamt.

 Daran ändere auch die knapp zwölf Monate alte Novellierung, die
 Bindung auf 15 Jahre zu beschränken, nicht viel. Im Jahr 2000 wurden
 nur zehn, im vergangenen Jahr immerhin 660 Sozialwohnungen fertig
 gestellt. Durchschnittliche Kaltmiete: 4,80 Euro.

 Die fehlende Lust Mietshäuser zu bauen

 Wartezeiten für diejenigen, die für ihre Familie 100 Quadratmeter und
 mehr brauchen - bis zu einem Jahr. Wer als Single nicht mehr als 20
 000 Euro verdient und nach einer Zwei-Raum-Wohnung sucht, der
 muss "nur" zwei bis drei Monate Geduld haben.

 Das größte Problem: die fehlende Lust, Mietshäuser zu bauen "und der
 Mangel an preiswertem Gelände", listet Armin Bank auf. Mit 400 Euro pro
 Grundstücksquadratmeter ist die Landeshauptstadt deutlich teurer als
 Köln (325 E). Auch ein Grund, warum von den 2000 Wohnungen, die
 jedes Jahr in Düsseldorf gebaut werden müssten, im vergangenen Jahr
 nur 1138 errichtet wurden. Je nach Lage wird eine Kaltmiete von 8,85
 bis zu 11,15 Euro verlangt.

 Preise, auf die sich die Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft, die an
 der Binterimstraße preiswerten Mietraum für drei Euro abreißt, noch
 nicht festlegen lassen mag. Sicher ist allerdings, dass die 44 betreuten
 Altenwohnungen, die dort ab 2004 entstehen sollen, deutlich über dem
 jetzigen Preis liegen werden. Alternativen? Keine, die Genossenschaft
 hat "keinen Gesprächsbedarf" mehr. Die Besetzung? Vergebens, nach
 34 Stunden resignierten die 15 Vermummten und zogen am Sonntag
 um 21 Uhr aus dem fast 100 Jahre altem Haus. Friedlich und - straffrei.
 20.10.2003     ANDREA KREBS
 Copyright: Neue Ruhr/Rhein Zeitung NRZ
 
 

RP 21.10.03
Düsseldorfer Stadtpost
Binterimstraße
Nach der Besetzung: Sofort Abriss

Sonntagabend, kurz nach 21Uhr, nahmen die Hausbesitzer von der Binterimstraße das Angebot der Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft an, die bei freiwilligem Abzug der Eindringlinge auf Strafanzeigen verzichten will. Die mit OB-Erwin-Masken vermummten Autonomen verließen das Gebäude unerkannt. Nach knapp 33 Stunden endete damit der Polizeieinsatz nach Auskunft des Präsidium „ohne Zwischenfälle“.

In die Erleichterung mischt sich bei Genossenschafts-Geschäftsführerin Adelheid Kress auch Ärger: „Das Haus ist innen von oben bis unten mit Parolen beschmiert, eine Badewanne haben die Besetzer als Toilette benutzt. Dafür, dass es angeblich um Wohnraum-Erhaltung ging, sieht es schlimm aus.“ Beim Verzicht auf Strafanzeigen bleibt Kress trotzdem. Erstens hat sie den Besetzern ihr Wort gegeben und zweitens spielt der Zustand des Hauses für die Genossenschaft keine Rolle mehr: Sie will jetzt schleunigst von der Abbruchgenehmigung Gebrauch machen, hat das Haus gestern nochmals gesichert.

Die Hausbesetzer werteten ihre Aktion als Erfolg. Sie hoffen, dass sich kein sozialer Träger für das von der Wohnungsgenossenschaft geplante Altenzentrum Binterimstraße findet. Mehrere Sympathisanten sollen inzwischen zur Verstärkung bei Mietern eingezogen sein, die noch in den ebenfalls zum Abbruch vorgesehenen Häusern wohnen.

Die Kündigung ihrer Mietverträge soll per Räumungsklage durchgesetzt werden. Eine für gestern angesetzte Verhandlung war vom Gericht vor einigen Tagen verschoben worden. sg
 

Express 20.10.03
Hausbesetzer in Bilk: Wird die
       Polizei räumen?
       Seniorenwohnungen sollen entstehen

       Von JUTTA LAEGE

       Düsseldorf – Zugemauerte Fenster,
       abgebrochene Sanitäranlagen, leer
       geräumte Zimmer. Darin 14 junge
       Leute, die von Nachbarn mit
       Lebensmitteln versorgt werden und
       sich der Öffentlichkeit nur mit
       OB–Erwin-Masken zeigen. Die
       Binterimstraße 28 in Bilk: Am
       Samstag besetzten Unbekannte
       das Haus, um für den Erhalt von
       Wohnraum zu protestieren.

       „Alle bisherigen Mittel, die
       Wohnungsgenossenschaft zum
       Einlenken zu bewegen und den
       Abriss der Jugendstilhäuser (vier
       insgesamt) zu verhindern, sind
       fehlgeschlagen. Da ist die
       Hausbesetzung das letzte
       politische Mittel“, erklärt ein
       Studentensprecher.

       Doch auch die ist aller Voraussicht nach nicht von
       Erfolg gekrönt. Ein Gespräch mit der
       Wohnungsgenossenschaft am Sonntagmorgen brachte
       keine Einigung. Nur so viel: Kein Strafantrag bis
       Mitternacht. Voraussichtlich soll der heute folgen.
       Dann muss die Polizei erneut ausrücken und die
       Hausbesetzer aus den Wohnungen holen.

       Seit über einem Jahr gibt es einen Kampf um die
       Häuser. Unterschriftenlisten, Prozesse, doch die
       Marschrichtung ist klar: Die Wohnungsgenossenschaft
       will auf der Binterimstraße abreißen, weil dort Anfang
       2004 Seniorenwohnungen entstehen sollen. In der
       Studentschaft wird allerdings gemunkelt, dass es noch
       gar keine Verträge gebe.
 
 

WZ 20.10.03 Hausbesetzer kamen durch den Hinterhof - Das Jugendstil-Ensemble Binterimstraße 26-32 soll abgerissen werden. Seit Samstag ist ein Haus besetzt. Düsseldorf. Sie kamen am hellichten Tag, drangen vermutlich durch ein Kellerfenster im Hinterhof ein und hängten vorne Plakate raus: "Das Haus ist besetzt", "Kein Abriss der Häuser", "Erhaltet günstigen Wohnraum". Tatort Binterimstraße, mitten in Bilk. Die Jugendstil-Gebäude mit den Nummern 26 bis 32 sind zum Abriss vorgesehen, die Fenster im leerstehenden Haus Nummer 28 sind seit Monaten zugemauert, damit niemand von vorne eindringt. Dass jemand von hinten einsteigt damit hat wohl niemand gerechnet. Nun ist es passiert. Gegen 11 Uhr "drangen mehrere Personen", so die Polizei, in das Gebäude ein. Die Besetzter hatten sich alle Erwin-Masken aufgesetzt. "Uns geht es darum, die Häuser zu erhalten wie in der Kaiserswerther Straße", sagten die Maskierten bei einer improvisierten Pressekonferenz, zu der man über den Müllschacht ins Haus gebeten wurde. Preisgünstiger und intakter Wohnraum solle für immer zerstört werden, obwohl die Bausubstanz noch in Ordnung sei. Nur habe der Eigentümer, die Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft, seit Jahren nichts mehr an den Häusern getan. Wie berichtet, will die Genossenschaft die Häuser abreißen und an deren Stelle Neubauten hochziehen, in denen Senioren-gerechtes Wohnen ermöglicht werden soll. Verschiedene Gutachten, so die Wohnungsgenossenschaft, hätten ergeben, dass nur ein Abbruch die "nachhaltige Vermietbarkeit" sichern könne. In den meisten Wohnungen seien weder Bad noch Heizung, die Toiletten befänden sich auf "halber Treppe", die Balkone müssten wegen Auflagen des Bauaufsichtsamtes seit Jahren abgestützt werden. Den zehn Mietern in den anderen drei Häusern seien "bis zu 30 Ersatzwohnungen" angeboten worden. Bis zu 25 Polizisten waren vor Ort, zu Zwischenfällen kam es nicht. "Solange der Eigentümer keinen Strafantrag stellt, haben wir keine Handhabe", sagte Einsatzleiter Axel Wohlgemuth. Nach Verhandlungen zwischen Besetzern, Genossenschaft und Pfarrer Thomas Nolting zog Adelheid Kress von der Wohnungsgenossenschaft am späten Samstagabend einen Strafantrag zurück zunächst. "Wir gehen auf die Forderungen nicht ein. Bis Sonntag 24 Uhr können die Besetzer straffrei abziehen, aber dann ist Schluss", sagte die Vorsitzende der Genossenschaft. Anwohnerin Steffi Walder (28) begrüßte die Aktion der Besetzer: "Hier soll ohne Not ein intakter Straßenzug auseinander gerissen werden." Jochen Krahl (34) ist Mieter im vom Abriss bedrohten Haus Nummer 30: "Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen." Die Wohnqualität sei immer noch hoch in den Häusern, aber "es herrscht eine gespenstische Atmosphäre" mit den zugemauerten Wohnungen im Erdgeschoss. Dennoch will er bleiben. Gertrude Abel (57), die an der Merowinger Straße wohnt, ärgert sich über den Zustand der Gebäude: "Das hätte man doch alles reparieren können. Viele, mit denen ich gesprochen habe, sehen das genau so. Ich würde da auch nicht ausziehen." Einer der Besetzer, die nach eigenen Angaben die Aktion "vor Wochen" geplant hatten, sagte: "Wenn die Polizei kommt, wird es sicher brutal. Wir werden uns nicht militant verteidigen, aber wir gehen auch nicht einfach raus." Von Jeanne Andresen und Peter Littek
 
 

NRZ 20.10.
  Sonntag, 19.10.2003
 

  Hausbesetzung in Bilk
 

 ABRISS / 15 Vermummte drangen in die Binterimstraße 28, um gegen
 den Abbruch der vier Gebäude zu demonstrieren. Ultimatum bis
 Mitternacht. Genossenschaft droht mit Räumung.

 Eisenketten rasseln, schwere Stahlträger werden vor die morsche
 Holztür geschoben. Transparente gehisst, auf denen mit roter Farbe
 "Kein Abriss" prangt. Hausbesetzung! Mitten in Bilk, mitten auf der
 Binterimstraße.

 Polizei patroulliert die ganze Nacht

 Seit Samstag schon verschanzen sich 15 Frauen und Männer hinter der
 Nummer 28, verbergen ihre Gesichter mit Masken, die das Konterfei von
 Oberbürgermeister Joachim Erwin zeigen. Die Polizei patroulliert, bis zu
 25 Kräfte sichern zwei Nächte die Straße, doch sie gehen nicht in das
 Haus, deren Eigentümerin die Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft
 ist. "Und die hat ihre gestellte Strafanzeige wieder zurückgenommen",
 nimmt Polizeisprecher Andreas Czogalla dem Einsatz die Brisanz.

 Zunächst, denn noch in der Nacht zu heute, um Schlag 24 Uhr, lief das
 Ultimatum ab, das die Genossenschaft den Besetzern stellte:
 "Friedlicher Abzug, ansonsten lassen wir unser Gebäude räumen",
 mahnt Vorstandsmitglied Adelheid Kress, die gestern in einem
 45-Minuten-Gespräch mit den Vermummten jedwede Einigung
 abschmetterte. "Die Häuser werden abgerissen". Basta!

 Immer vor dem Hintergrund, dass es keine Frage des Rechts mehr ist:
 Formal ist der Abbruch der Häuser Binterrimstraße 26-32 längst
 entschieden. Im September 2002 nickte die Bezirksvertretung 3 den
 Abrissantrag ab - unter dem Druck von OB Erwin, der das
 Stadtteilparlament zuvor wissen ließ, dass Abstimmungsvorlagen der
 Bauverwaltung nicht abgelehnt werden können. Eilig nahm das Amt
 dann die fast 100 Jahre alten Gebäude aus der Erhaltungssatzung. Wie
 berichtet unterstützt die Stadt die Düsseldorfer
 Wohnungsgenossenschaft, den preiswerten Wohnraum (drei Euro pro
 Quadratmeter) abzureißen und an gleicher Stelle einen Komplex mit 44
 betreuten Altenwohnungen hochzuziehen.

 41 der ehemals 52 Mieter haben bereits die Binterimstraße verlassen.
 Elf, wie beispielsweise Gerda Kötschau (83), sind noch da. Leben in
 den Wohnungen, deren Fenster von der Genossenschaft noch nicht
 zubetoniert wurden - zum Schutz vor Eindringlingen. Doch die Mauern
 waren zu niedrig für die Mitglieder der Initiativen "B´im" und
 "Kaiserswerther Straße", die am Samstag durch eine Kellerlucke in die
 Nummer 28 eindrangen - und sie bis Redaktionsschluss besetzt
 hielten. Um gegen die "Zerstörung des preiswerten Wohnraums" zu
 demonstrieren, aber auch, um die verbleibenden Mieter zu unterstützen,
 die ab heute in Einzelprozessen vor dem Amtsgericht gegen die
 Genossenschaft klagen.

 Um 10 Uhr läuft die erste Verhandlung gegen die ultimative Räumung
 bis zum 31. Dezember. "Wir werden erst nach dem Ergebnis abziehen,
 vorher muss man uns schon raustragen", drohten gestern Abend noch
 die Besetzer.

  19.10.2003     ANDREA KREBS (Text) ALEX BÜTTNER
 (Fotos)
 

  Copyright: Neue Ruhr/Rhein Zeitung NRZ