WUPPERTAL

Hartz IV: Derzeit bloß Gewährung statt Vermittlung

Software-Schwächen und Personalmangel sorgen für Probleme bei der Bearbeitung vieler Arbeitslosengeld II-Anträge.


Wuppertal. "Wenn das nicht schnell bereinigt werden kann, dann geht die Reform nicht dahin, wo sie hin soll." Von riesigen Problemen allein schon mit der Auszahlung des neuen Arbeitslosengeldes II berichtet Thomas Lenz, Geschäftsführer der Arge, der neuen Arbeitsgemeinschaft aus Stadt und Arbeitsagentur. Die Arbeitslosen müssten stundenlang warten, die Mitarbeiter arbeiteten zu viel, es passierten Fehler, Anträge blieben liegen, die Mitarbeiter seien schlecht zu erreichen: "Das ist unerträglich und für alle eine Zumutung", sagt Lenz.

Die Gründe liegen seiner Ansicht nach zum einen im neuen Computerprogramm. "Das kann Standardfälle bearbeiten, aber nicht die vielen Ausnahmen und Besonderheiten. Da können wir uns nur mit viel Aufwand und Umgehungslösungen helfen."

Zum zweiten sei mit dem neuen Gesetz nur ein Rahmen vorgegeben, sehr viele Fragen der täglichen Arbeit lasse es ungeklärt, Ausführungsbestimmungen gebe es noch nicht.

Dazu kommen noch besondere Aktionen wie der Abgleich der Arbeitslosenstatistik. "Der ist durchaus sinnvoll, aber wir müssen jetzt mit 10 000 Leuten reden. Die werden eingeladen, obwohl beim Blick in die Akte klar wäre, wie der Fall liegt", sagt Lenz. Dazu gibt es immer noch mehr Fälle: Seit Jahresbeginn sind 1556 Neuanträge auf ALG II eingegangen.

Die Folge: Alle Kräfte konzentrieren sich auf die Leistungsgewährung, während ursprünglich Vermittlung und Qualifizierung der Sinn der Arbeitsmarktreformen sein sollte. "Als Fallmanager arbeiten zurzeit genau fünf Leute", berichtet Lenz. Dabei sind ohnehin noch 60 Stellen von insgesamt 300 in der Arge unbesetzt.

Und sie können auch nicht ohne weiteres besetzt werden, wie Lenz erläutert: Die Arge habe keine Personalhoheit, das Budget sei beim Bund zwar vorhanden, aber nicht freigegeben. Weder Arbeitsagentur noch Stadt dürften wegen der Haushaltslage einstellen.

"Die Arge muss einen eigenen Rechtsstatus bekommen, ein eigenes Profil und Kompetenzen", fordert Lenz. Damit wäre zum Beispiel auch das Problem gelöst, dass seine Mitarbeiter sich je nach Herkunft von Bund, Stadt, Bahn oder Post aus sieben Gruppen mit unterschiedlichen Tarifen und Arbeitsbestimmungen zusammensetzen. Dass es bei einem Systemumbau in dieser Größenordnung Probleme gibt, sei erst mal nicht überraschend, findet Lenz. "Ich habe immer gesagt, wir brauchen ein Jahr, bis alles läuft das gilt aber nur bei guten Rahmenbedingungen."

Dass es bei Hartz IV holpert, bekommt auch Harald Thome vom Arbeitslosenhilfeverein Tacheles zu spüren. "Zu Anfang des Jahres haben sich die Leute hier gestapelt, inzwischen haben wir mit den eher existenziellen Fällen zu tun, die auch vor Gericht gehen."

Dabei habe man noch kein Verfahren verloren. Streitpunkte seien zum Beispiel die finanzielle Verantwortung unverheirateter Partner gewesen oder die Zahlungen an Studenten. Derzeit stelle er fest, dass Widersprüche gegen den Bescheid nicht bearbeitet, teils mehrere Hundert Euro nicht gezahlt würden, so Thome.

Immerhin 16 Mitarbeiter werden in den kommenden Wochen neu zur Arge kommen. In zwei bis drei Monaten, so hofft Thomas Lenz, sollten die Probleme gelöst sein, sonst müsse das Reformunternehmen scheitern.

21.02.05
Von Kornelia Roßkothen

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