Zahlen nach
Bedarf
Umwelt-Institut wirbt für Prepaid-Stromzähler
als Mittel für mehr Kostentransparenz
Die
"Energiearmut" wächst. Immer mehr Bürger bekommen den Strom
abgestellt, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. Es betrifft nach
Schätzungen bereits 600 000 bis 800 000 Haushalte in Deutschland. Neue
elektronische Stromzähler mit einer Prepaid-Funktion
wie beim Handy könnten die Situation sowohl für die Kunden als auch die
Energieversorger verbessern. Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie
(WI) fordert, die künftigen digitalen Zähler generell mit dieser Funktion
auszurüsten.
Wem der Strom in einem Haushalt abgeklemmt wird,
der sitzt nicht nur im Dunkeln und kann weder Elektroherd, Waschmaschine noch
Fernsehgeräte betreiben. Gerade im Herbst und Winter ist die Situation
besonders hart, weil ohne Elektrizität auch die Etagenheizung nicht mehr läuft.
Zudem bringt die Stromsperre zusätzliche Kosten mit sich. Die Stromversorger
verlangen Gebühren für Mahnungen und Inkasso sowie für das aufwendige Kappen
und wieder Anstellen der Versorgung, wofür Mitarbeiter ins jeweilige Haus
fahren müssen.
Der WI-Experte Michael Kopatz erläutert: "Das Konzept
,Zahlen nach Bedarf" ist vom Prepaid-Handy
her vertraut". Auf dem gleichen Weg lasse sich künftig ohne großen Aufwand
auch Strom beziehen - mit entsprechend ausgerüsteten intelligenten Zählern
(Smart Meter). Ist das Guthaben fast aufgebraucht, steht die Aufladung an. Sie
kann dann durch aufladbare Smart-Cards, per
Internet-Computer oder Smart-Phones geschehen.
Kopatz nennt mehrere
Vorteile für den Kunden: Das Prepaid-Verfahren
verhindert, dass sich Monat für Monat unbemerkt Stromschulden auftürmen können,
die dann zur Sperre und noch höheren Kosten führen. "Zudem schafft die
Anzeige von Verbrauch und Guthaben Kostentransparenz und
Kostenbewusstsein." Das führe in der Regel zu deutlichen
Verbrauchsreduktionen und sei damit auch ein Beitrag zum Klimaschutz.
Beispiel Großbritannien
Die Stromversorger wiederum profitierten von einer
enormen Kostenersparnis. "Mahnverfahren und Außenstände in Millionenhöhe
fielen weg, es gibt keine Zahlungsausfälle mehr, und auch keine schlechte
Publicity wegen der Sperrungen." Kopatz verweist
darauf, dass bei Stadtwerken derzeit bis zu vier Prozent der Mitarbeiter im
Forderungsmanagement beschäftigt seien.
In Großbritannien ist das Prepaid-Verfahren
seit Jahrzehnten auch bei herkömmlichen Zählern üblich. Landesweit gibt es dort
3,4 Millionen Vorkasse-Geräte. Sie wurden früher mit Geldmünzen gefüttert,
heute geht das per Code-Nummer, Daten-Schlüssel oder elektronischer Karte.
In Deutschland sind diese Vorkasse-Zähler selten.
Die meisten Stromversorger verhalten sich bei dem Thema zurückhaltend. Beim
Branchenverband der Elektrizitätswirtschaft BDEW heißt es dazu auf Anfrage, Prepaid-Zähler seien "in bestimmten Fällen das Mittel
der Wahl zur Förderung des Kostenbewussteins". Eine Pflicht, sie
einzubauen, sei "jedoch nicht zielführend".
Der Frankfurter Versorger Mainova hat
beispielsweise nach einem Prepaid-Test 2007
entschieden, sie nicht einzuführen. Dem Mehraufwand durch höhere Kosten für die
Zähler, Prozess- und Softwareanpassungen sowie "Kundensegmentierung"
habe "kein Nutzen gegenüber gestanden", erklärte ein Sprecher.
Einige, zumeist kleinere Versorger sehen das
anders. Die Stadtwerke im nordrhein-westfälischen Olpe nutzen die
Vorkasse-Zähler bereits seit den 1990er-Jahren - und zwar bei knapp einem
Prozent ihrer 5 500 Kunden. Die Prepaid-Nutzer müssen
einen "Schlüssel" an der Kasse in der Zentrale des Versorgers
aufladen. Die Erfahrungen damit seien positiv, sagt Stefan Gummersbach vom
Kundenservice des Unternehmens. "Es vereinfacht die Arbeit und spart den
Kunden Kosten." Pro Anschlusssperrung und Aufhebung derselben kassieren
die Stadtwerke sonst 58,50 Euro. Ein anders Beispiel: Die Stadtwerke im
saarländischen Völklingen rüsten in diesem Jahr rund 1 000 Zähler in sozialen
Brennpunkten auf Vorkasse um. An dem Gerät muss eine zehnstellige Kennziffer
eingetippt werden, ein Display informiert dort über Verbrauch, Guthaben und aufgelaufene
Altschulden.
Das Wuppertal-Institut empfiehlt der
Bundesregierung nun, die Prepaid-Funktion bei der
gegenwärtigen laufenden Standardisierung der neuen Stromzähler vorzuschreiben. Kopatz: "Sie sollte eine Vorgabe im
Energiewirtschaftsgesetz verankern, die Stromsperrungen verbietet und
stattdessen die kostenlose Installation eines Prepaid-Zählers
vorschreibt."
Mainova interessiert
Kopatz rechnet damit,
dass die Preise der bisher noch vergleichsweise teuren intelligenten Zähler bei
breiter Einführung stark sinken werden und die Prepaid-Funktion
dann ohne große Mehrkosten eingebaut werden kann. Die Deutsche Telekom zum
Beispiel hat ein System entwickelt, bei dem sie für 30 Euro zu haben ist. Mit
einem solchen Modell könnte sich etwa die Frankfurter Mainova anfreunden.
"Den Ansatz, Prepaid bei der Standardisierung
der Smart Meter einzubauen, begrüßen wir."
Kopatz räumt ein, dass
die Vorkasse natürlich nicht verhindern könne, dass Energie teurer wird. Bei Hartz-IV-Empfängern zum Beispiel müssten daher die deutlich
zu niedrigen Sätze für Energiekosten erhöht werden. Die Einführung der Prepaid-Zähler sei aber durchaus "ein Schritt zur
Linderung von Energiearmut, der durch weitere Maßnahmen, wie etwa
Einsparberatungen vor Ort, begleitet werden sollte". (jw.,epd)
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Vermieter
schlagen Alarm
Energiewende verteuert die Wohnkosten
Von
Sebastian Wolff
Die Kosten für die energetische Sanierung von
Gebäuden sind dramatisch gestiegen und drohen das Wohnen für immer mehr Mieter
unbezahlbar zu machen. Davor warnte der Präsident des Bundesverbandes deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko,
am Dienstag.
Gedaschko rechnete vor,
dass zum Beispiel die fachgerechte Komplettsanierung eines Wohngebäudes aus den
60er-Jahren so teuer sei, dass der Vermieter die monatliche Miete um 2,20 Euro
pro Quadratmeter erhöhen müsste, um diese Kosten wieder hereinzuholen. Der
Mieter spare dank der Sanierung aber im Schnitt nur 0,70 Euro an Energiekosten.
In der Summe käme auf den Mieter also eine Mehrbelastung von 1,50 Euro
monatlich pro Quadratmeter zu.
"Eine solche Mehrbelastung können viele Mieter
nicht tragen", warnte Gedaschko. "Deshalb
ist sie in den meisten Regionen gar nicht durchsetzbar." Dort allerdings,
wo solche Mieterhöhungen problemlos durchgesetzt werden könnten - in
Großstädten wie München, Hamburg, Frankfurt am Main - werde dies zu sozialer
Segregation führen. Will heißen: Immer mehr alteingesessene Mieter müssten
angesichts der steigenden Kosten ausziehen und Gutverdienern Platz machen.
Aber auch Mieter von Neubauten müssten künftig
tiefer in die Tasche greifen, denn die geplante Energiesparverordnung (EnEV) 2012 werde die Baukosten um bis zu fünf Prozent
erhöhen. Das werde sich mittelfristig auch durch steigende Wohnkosten bemerkbar
machen. Gedaschko appellierte deshalb an die Politik,
bei ihren Anforderungen an die Vermieter Augenmaß zu bewahren. "Wir
sanieren uns sonst die günstigen Wohnungen vom Markt." Wohnen müsse aber
bezahlbar bleiben. Zudem müsse die Forschung - etwa für die Entwicklung von
besseren Dämmstoffen - staatlich stärker gefördert werden.
In den letzten Jahren seien die
Mitgliedsunternehmen des GdW, denen in Deutschland sechs Millionen Wohnungen
gehören, bei Mieterhöhungen maßvoll geblieben. Die Nebenkosten seien deutlich
stärker gestiegen. Kommentar
Fr 14.11.12
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