Wie ein Haus in Duisburg zum Symbol der Armutszuwanderung
wurde
11.03.2013 | 17:48 Uhr
Das "Problemhaus" an der Straße In den Peschen 3-5 in Duisburg-Rheinhausen. In dem
mehrgeschossigen Gebäudekomplex wohnen Rumänen und Bulgaren und sorgen bei den
Anwohnern für Unmut.Foto: Stephan Eickershoff/WAZ FotoPool
Duisburg. Schön war dieses Haus
in Duisburg wohl nie. Sozialer Wohnungsbau in seiner schlechteren Variante. In
den Peschen 3 und 5, so seine Hausnummern, ist über
die Grenzen der Stadt und des Landes zum Symbol südosteuropäischer
Armutswanderung geworden. Ein Ortsbesuch in
Rheinhausen.
So also sieht der „german dream“
aus, der deutsche Traum. Ein achtstöckiges Hochhaus aus den 50er Jahren, von
der Zeit geschunden. In den Peschen 3 und 5, so seine
Hausnummern, ist zum Symbol südosteuropäischer Armutswanderung geworden. Das
Haus eben, dessen Balkone von Sperrmüll, Plastiktüten und Hausrat überquellen,
auf das Vorbeifahrende mit Fingern zeigen. Duisburg-Rheinhausen, einst stolzer
Arbeiter-Stadtteil, beherbergt neuerdings die Elenden und Kleinkriminellen.
Schön war dieses Haus wohl nie. Sozialer Wohnungsbau in seiner schlechteren
Variante. Viele Scheiben sind zerschlagen, im Flur riecht es penetrant nach
Urin. Überall liegt Müll. Dazwischen wuseln Kinder umher. Seit vor einem Jahr
die ersten Roma aus Rumänien einzogen, seit sie begannen, sich mit ihren großen
Familien in die Zwei- und Dreizimmerwohnungen zu quetschen, ist hier ein Getto
entstanden. Eines, das die deutschen Nachbarn kaum ertragen. Wegen des Mülls,
der sich türmte, des nächtlichen Lärms und des rapiden Anstiegs von
Kleinkriminalität, der die Polizei langsam resignieren lässt.
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Es vergeht kaum noch ein Tag, an dem das so genannte „Problemhaus“ in
Bergheim nicht im Zentrum öffentlicher Diskussionen steht. Dass die Politiker,
die sich vor Ort ein Bild machen, immer hochrangiger werden, macht das Ausmaß
der Debatte über die Armutszuwanderer aus Südosteuropa deutlich.
Er kam vor einem Jahr und wohnt nun im Erdgeschoss. Ein kleiner, nicht
unsympathisch wirkender Mann von 44 Jahren. Jeans, Turnschuhe, Holzfäller-Hemd.
Er habe Abitur, behauptet Zamfirache, und reicht
freundlich Mokka und Cola. Zusammen mit dem Mann seiner Cousine habe er ein
Gewerbe angemeldet, sammele Schrott. Vor allem aber lebten er und die Familie
von dem Kindergeld für die vier Kleinen.
„Ich hoffe auf Arbeit, auf ein besseres Leben“, erzählt er. So groß sei die
Armut in seiner Heimat. Und er setze auf das Jahr 2014, auf die beginnende
Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Dann gebe es richtige Arbeit für ihn.
400 Euro warm zahlen sie für die zwei Zimmer, Küche, Bad. Im Wohnraum liegen
schmutzige Laken auf Sofas vom Sperrmüll. Reste woanders herausgerissener
Teppiche bedecken den Boden. Nebenan kann man durch die angelehnte Zimmertür
Kinder mit Sandhaufen spielen sehen. Er halte alles sauber, wolle bald
renovieren, betont er. Denn sie alle im Haus wissen, was ihnen die Deutschen
vorwerfen. „Frau Merkel, das habe er gehört, werde 2014 all jene aus dem Land
werfen, die nicht arbeiten wollen“, sagt er, und dass er das gut findet.
Die 400 Euro Monatsmiete, sie gehen an den kroatischen Vermieter Branko B.
Dem Mann gehört Duisburgs größtes Bordell, der Sexxx
Palace. Einmal im Monat lässt der hier in Rheinhausen abkassieren. Bar auf die
Hand, seit kurzem quittiert er sogar.
Sören
Link, Duisburgs neuer Oberbürgermeister, weiß dies alles. Er kennt die
Miserablen seiner Stadt, die Probleme, die sie mitbrachten und die Kosten, die
sie verursachen werden. 6700 Rumänen und Bulgaren leben jetzt schon in
Duisburg. 7000 werden es am Jahresende sein, wenn sie wie andere Europäer auch
in Deutschland arbeiten dürfen, wenn sie Anspruch auf soziale Leistungen wie Hartz IV haben.
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„Das soziale Miteinander in Duisburg ist auf eine harte Bewährungsprobe
gestellt!“, sagt Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link zur Einwanderung aus
Südosteuropa in Stadtteile wie Rheinhausen oder Hochfeld.
Herr Link, was macht die Situation in Ihrer Stadt zurzeit so
schwierig?
Sören Link: Durch ihre völlig andere Art zu leben, ist das
soziale Leben auf den Kopf gestellt. Allein die Berge von Müll, die die
Einwanderer in der ersten Zeit anhäuften, haben zu sozialen Spannungen mit den
Nachbarn geführt. Hinzu kommt, dass die Kleinkriminalität stark gestiegen ist,
durch Einbrüche, aggressives Betteln, Prostitution.
Die Polizei benennt deutlich das Problem der reisenden
Banden, die in der Dortmunder Nordstadt oder in Duisburg gemeldet sind. Was
müsste getan werden?
Link: Die Polizei versucht, der Lage Herr zu werden. Für
Schwarzarbeit und illegale Scheinselbstständigkeit ist der Zoll zuständig. Da
würde ich mir mehr Aktivitäten wünschen. Die Einwanderer sind Täter und Opfer
zugleich. So verdienen an ihnen auch die Schlepper, die sie ins Land bringen,
oder die Besitzer von Wohnungen, die an sie zu Wucherpreisen vermieten.
Manchmal müssen sie pro Nacht und pro Matratze bezahlen. Für diesen Mietwucher
wäre das Finanzamt zuständig.
Es gibt Sozialpädagogen, die gehen davon aus, dass sich das
Problem der Kleinkriminalität reduziert, wenn es den Einwanderern ab Januar
2014 durch die Arbeitnehmer-Freizügigkeit erlaubt ist, normale
Arbeitsverhältnisse einzugehen. Rechnen Sie damit?
Link: Nein. Viele der Einwanderer werden auf dem
Arbeitsmarkt keine Chance haben. Sie verfügen weder über eine Ausbildung noch
über Sprachkenntnisse. Zudem hat Duisburg bereits jetzt 13 Prozent Arbeitslose.
Wir tun einiges. Aber die Situation ist durchaus zwiespältig: Je besser die
Verhältnisse für die Einwanderer sind, umso mehr werden kommen.
„15 Millionen Euro kostet uns das im Jahr!“, betont er in diesen Tagen so
oft er nur kann. Was er sagen will, ist, dass Duisburg, die Hochverschuldete,
mit diesen Problemen überfordert ist, von der EU und der Bundesregierung allein
gelassen. Link, der SPD-Mann, macht politischen Druck, nimmt sogar in Kauf,
dass der Name Duisburg nach Loveparade und Mafia-Anschlag erneut in die
Schlagzeilen gerät.
Fernsehsender wie Arte, Zeitungen
wie Daily Mail und Sunday Telegraph pilgern zu den Stätten des Elends und
berichten von den „Hotspots of crime
and anti-social behaviour“,
den Brennpunkten der Kriminalität und asozialen Verhaltens. Wehe, wenn das
Elend auch nach Großbritannien kommt!
Sie sind aufgeregt. Die Frauen schimpfen auf Romani,
ihrer Sprache, die Männer machen die Schultern breit. Drei
SPD-Europa-Abgeordnete sind am Freitag überraschend vorgefahren, bei den
Häusern In den Peschen, wollen sich über die
Situation in Duisburg informieren. Die Bewohner fürchten, aus ihren Wohnungen
geworfen zu werden. Eine Dolmetscherin übersetzt. Die Ängste der einen, die
Beschwichtigungen der anderen. „Wir sind froh, unseren Kindern überhaupt etwas
zu essen geben zu können!“, sagt ein Mann, und in schlichtem Englisch: „Romania no good!“
Drei Tage später, gestern, trudelt im Duisburger Polizeipräsidium ein
Ersuchen aus der Schweiz ein. Irgendwo dort sind Einbrecher festgenommen
worden, Roma, die in den Duisburger Häusern In den Peschen
gemeldet sind. „Tag für Tag dasselbe!“, sagt Polizei-Sprecher Roman van der
Maat. „Unser Eindruck ist, dass es sich nicht nur um Armutsflüchtlinge handelt,
sondern auch um Organisierte Kriminalität. Denn wenn jemand festgenommen wird,
ist bald ein Anwalt da und auch die Geldbuße wird bezahlt!“. 1700
Tatverdächtige gebe es unter den Südosteuropäern in Duisburg.
Fakten, die geeignet sind, das gesellschaftliche Gleichgewicht in Duisburg
ins Rutschen zu bringen. Wie geschaffen fürs Sprücheklopfen
am Stammtisch. Am Dienstag, wollen die Rechtsextremen von Pro NRW in
Rheinhausen demonstrieren, Stimmung schüren. Doch Duisburg ist zu integrationserfahren, sich das bieten zu lassen, und reagiert
mit einer Gegendemo: „Wir sind Duisburg!“