Vorwürfe gegen BA-Chef Weise
Skandal bei der Arbeitsagentur
Von Markus Sievers
Frank-Jürgen Weise (Bild: dpa)
Schwere Vorwürfe des Rechnungshofs gegen die Bundesagentur
für Arbeit (BA) setzen deren Chef Frank-Jürgen Weise unter Druck. Die SPD rief
Weise am Donnerstag auf, sein Amt ruhen zu lassen, bis die Vorgänge aufgeklärt
seien. Die Staatsanwaltschaft müsse prüfen, ob ein Straftatbestand vorliege,
sagte SPD-Haushälter Carsten Schneider.
Der Rechnungshof listet Gehälter bis zu 200.000 Euro im Jahr für Behördenmitarbeiter
auf. Doch die Kontrolleure beanstanden weniger die Höhe der Vergütung, sondern
vor allem die Mauschelei. Weder habe die BA das zuständige Arbeitsministerium
über die Gehälter informiert noch die Stellen ausgeschrieben. Die
Bewerberauswahl sei nicht "transparent" gelaufen, sondern habe sich
nach "Einzelfallentscheidungen des Vorstandes" gerichtet. In mehreren
Fällen seien die Vergütungen nach "Gutdünken" festgelegt worden.
Nachfragen des Arbeitsministeriums habe die Bundesagentur nicht beantwortet.
Auch vor skurrilen Konstruktionen
schreckte die BA nicht zurück, was die Bundesregierung in einem Brief monierte.
Demnach versetzte die Behörde einen außertariflich Beschäftigten für eine
"logische Sekunde" in ein Beamtenverhältnis, um ihm eine Pension zu
sichern. Anschließend wurde er beurlaubt und mit einem übertariflichen
Privatgehalt ausgestattet. DerWildwuchs zeigt sich
auch in einer bunten Mischung aus Fixgehältern, persönlichen Zulagen und
vermeintlichen Leistungsprämien, die stets flossen.
Die BA wies die Vorwürfe zurück. Sie brauche
außertarifliche Gehälter, um Fach- und Führungskräfte für sich zu gewinnen.
Einzelne Missstände würden abgestellt. Die Linkspartei kritisierte die betriebswirtschaftliche
Ausrichtung der BA. Sie müsse sich auf ihren sozialpolitischen Auftrag
konzentrieren, sagte die Arbeitsmarktexpertin der Partei, Sabine Zimmermann.
Lesen Sie auch
Artikel kommentieren (30
Kommentare)
[ document
info ]
Copyright © FR-online.de 2010
Dokument erstellt am 17.06.2010 um 17:54:05 Uhr
Letzte Änderung am 18.06.2010 um 13:39:57 Uhr
Erscheinungsdatum 18.06.2010 | Ausgabe: d
Von Markus Sievers
Berlin. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält die von der
schwarz-gelben Koalition geplanten Kürzungen am Arbeitsmarkt für unrealistisch.
In einem internen Papier setzt die Behörde die Einsparungen durch die
angestrebte Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen deutlich niedriger
an als die Bundesregierung. Sie schätzt den Spareffekt auf 116 Millionen Euro,
also auf einen Bruchteil der geplanten 1,5 Milliarden.
Es sei "unwahrscheinlich", dass die angestrebte Konsolidierung im
kommenden Jahr erreicht werden könne, betont die BA in
der Stellungnahme, die der Frankfurter Rundschau vorliegt. Darin heißt es
weiter: "Demzufolge wären weitere Maßnahmen erforderlich, um die beschlossenen
Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro zu realisieren."
Doch was die Bundesagentur hier an
denkbaren Alternativen durchspielt, hat es in sich. Demnach müsste die
Regierung tief in die arbeitsmarktpolitischen Leistungen einschneiden: So
könnte sie dem Papier zufolge den Unternehmen die besondere, krisenbedingte
Förderung der Kurzarbeit streichen, ihnen also nicht mehr die Sozialbeiträge
erstatten.
Möglich wäre auch, das Kurzarbeitergeld wieder auf die normale Dauer
zurückzufahren, was 1,6 Milliarden Euro brächte. Gut eine halbe Milliarde Euro ließe sich laut BA durch Einschnitte für Arbeitslose in
Weiterbildung sparen, wenn ihnen der Anspruch auf einen längeren Leistungsbezug
genommen würde.
Gemeinsam haben all diese Optionen, dass sie politisch nicht gewünscht sind.
Gerade die massive Unterstützung für die Kurzarbeit hat die zuständige
Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) wiederholt als Erfolgsgeschichte
gefeiert, die in der Krise die Beschäftigung stabilisiert habe.
Die BA listet auch auf, welche Pflichtleistungen in
Ermessensleistungen umgewandelt werden. Unter anderem nennt sie die berufliche Reha, das Altersteilzeitgeld, Hilfen für Existenzgründer,
für Lehrlinge und für den nachträglichen Erwerb eines Hauptschulabschlusses.
Käme die Reform wie angekündigt, hätten die Arbeitslosen keinen Rechtsanspruch
mehr darauf, sondern wären auf das Wohlwollen der Jobcenter angewiesen.
In einem eigenen Szenario hat die Behörde bereits im Januar 2010, also vor der
Kabinettsentscheidung, durchgerechnet, was es brächte, all diese Mittel der
aktiven Arbeitsmarktförderung ins Ermessen der Arbeitsvermittler zu stellen.
Dabei kam sie auf eine "Bewirtschaftungsrendite" von rund zehn
Prozent, was den genannten 116 Millionen Euro entspricht. Selbst diese kleine
Summe könne nur erbracht werden, wenn die notwendigen Gesetzesänderungen rasch
kämen.
Die Bundesagentur mahnt die Politik in Berlin daher auch zur Eile.
"Spätestens Ende Juli" sollte klar sein, welche Leistungen in welcher
Höhe betroffen sind. Eine spätere Entscheidung hätte zur Folge, dass die
Arbeitsagenturen vor Ort dies bei ihren Planungen nicht mehr aufnehmen könnten:
"Gleichzeitig werden - je später Entscheidungen fallen - durch Einkäufe
und Planungen auf alter Gesetzeslage der Haushalt 2011 immer stärker
vorbestimmt und die Möglichkeiten zu Einsparungen geringer."
Lesen Sie auch
[ document
info ]
Copyright © FR-online.de 2010
Dokument erstellt am 17.06.2010 um 17:44:31 Uhr
Letzte Änderung am 18.06.2010 um 07:44:01 Uhr
Erscheinungsdatum 18.06.2010 | Ausgabe: d