Unerwünscht in der Kö-Stadt
Düsseldorf macht Menschen ohne festen Wohnsitz das Leben schwer
Von Annika Joeres
Carlo wollte sich an der Bushaltestelle aufwärmen. Mit seiner
löcherigen Jacke saß der Obdachlose in dem Plastikhäuschen
mitten in Düsseldorf, als die uniformierten Bediensteten vom
Ordnungsamt ihm einen Bußgeldbescheid über 35 Euro in die
eisigen Hände drückten. Er habe keine "erkennbare Fahrabsicht"
und dürfe sich deswegen nicht an der Station aufhalten.
Es war kein besonderes Pech, das Carlo widerfuhr. Nicole
Schwarzbach hat an der Fachhochschule Düsseldorf ihre
Diplomarbeit über die Vertreibung von Obdachlosen geschrieben.
Ihr Ergebnis: Die wohnungslosen Menschen werden in der 500
000-Einwohner-Stadt systematisch verjagt. So hängt in einem
Stadtpark über jeder Parkbank eine gleißende Laterne. In dem
grellen Lichtkegel ist es unmöglich, Schlaf zu finden. Auf
wärmenden Lüftungsschächten wurden kantige Platten angebracht.
Und an dem schicken Mediahafen direkt am Rhein und neben dem
Düsseldorfer Landtag sind die Bänke gleich in zwei Sitze,
sogenannte Einzelschalen, aufgeteilt. Auch hier ist es nicht
möglich, sich auszustrecken.
"Düsseldorf drangsaliert obdachlose Menschen", sagt Hubert
Ostendorf von "Fiftyfifty". Der Verein kümmert sich um
Wohnungslose und gibt eine gleichnamige Zeitung heraus. Ganz
besonders unerwünscht scheinen diese Menschen in der Nähe des
CDU-regierten Rathauses zu sein: Dort werde jeden Abend die Bank
mit Wasser abgespritzt.
"Die Stadt will diese Menschen nicht mehr draußen sehen, sie
sollen in die Vorstädte abhauen", sagt Ostendorf. Am
Hauptbahnhof seien selbst Blumenkübel abgebaut worden, weil sich
dort Obdachlose aufgehalten hatten. Auch in der
touristenbevölkerten Altstadt, bekannt als "längste Theke der
Welt", würden zielgerichtet Menschen verwarnt, die öffentlich
Bier trinken. "Nur weil sie grüne Haare haben oder ärmlich
aussehen", erklärt Ostendorf.
Joachim Erwin, christdemokratischer Oberbürgermeister der
Landeskapitale mit der pelzbehangenen Königsallee, rühmt sich
damit, die Stadt von Schulden befreit und zu einer reichen
Kommune gemacht zu haben. Nicht zu Unrecht: Düsseldorf ist eine
der reichsten Städte Deutschlands. Trotzdem haben etwa 1400
Menschen kein Dach über dem Kopf.
Von einer gezielten Vertreibung der "Randgruppe", wie die
Obdachlosen im Jargon des Ordnungsdienstes heißen, will die
Stadt freilich nichts wissen. "Die Einsatzkräfte gehen nur gegen
Störer vor", sagt Peter Theisen, Vize-Abteilungsleiter beim
Ordnungsamt. Allerdings hat Düsseldorf seine eigene Definition
dafür, wann ein Verhalten stört. So ist in der Straßenordnung
explizit das Nächtigen auf Parkbänken verboten, auch das "Lagern
in Personengruppen" wird geahndet. "Die Stadt verbarrikadiert
die öffentlichen Plätze", kommentiert Hubert Ostendorf.
Justiz stellt Verfahren ein
Einen finanziellen Nutzen hat Düsseldorf davon allerdings nicht.
Denn natürlich konnte Carlo das Bußgeld für den Unterschlupf
nicht zahlen. Er legte Beschwerde gegen das Verfahren ein und
bekam Recht. Vor der Justiz haben die strengen Straßenrechte
offenbar keinen Bestand: Bislang wurden alle Verfahren gegen
Obdachlose wieder eingestellt. Viele Betroffene scheuen aber den
Gang vors Gericht. Weil sie nicht zahlen können, wandern sie
daher direkt ins Gefängnis. Für eine warme Stunde an der
Bushaltestelle.
JOERES
© Copyright Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 4)
Datum: Samstag, den 05. Januar 2008
Seite: 46