So will die Stadt Wohnraum schaffen
mit einem Kommentar
von Uwe-Jens Ruhnau
Die Stadt hat bereits ein Handlungskonzept in der
Schublade. Der WZ liegt das Papier exklusiv vor.
Platz ist kaum da für neues Bauland, also muss die Stadt sich etwas
einfallen lassen, um immer mehr Menschen unterzubringen.
Düsseldorf. Seit Monaten bestimmen die Probleme auf dem
Wohnungsmarkt die Schlagzeilen: Es gibt kaum Bauland, zu wenig Mietwohnungen
werden gebaut und der Bestand an sozial geförderten Wohnungen schmilzt. Eine
Ursache: Die Stadt hat mit 217 Quadratkilometern eine eher kleine Fläche fast
ohne Bauland. Dabei wächst die Zahl der Einwohner – und die Mieten steigen.
Mit einem „Handlungskonzept Wohnungsbau“ will die Stadt jetzt gegensteuern.
Es muss „weiterer Wohnraum geschaffen werden, insbesondere dort, wo eine
verstärkte Nachfrage erkennbar ist“, heißt es in dem Entwurf. Im kommenden Jahr
soll dieser von den politischen Gremien beschlossen werden.
Darin ist von der Überprüfung städtischer Richtlinien, Weiterentwicklung bestehender
Instrumente und Neuentwicklungen von Reglements die Rede. Hier die wichtigsten
Eckpunkte des Papiers:
Bürogebäude Auch die Stadt sieht die Chance, leerstehende Büros (über eine Million m2 stehen derzeit
leer) in Wohnraum umzuwidmen. Standorte sollen deshalb jetzt systematisch
ermittelt werden, um Bau- und Planungsrecht zu schaffen. Erfolge auf
Verwirklichung werden im mittel- bis langfristigen Bereich gesehen.
Bebauungspläne Bereits wirksame Bebauungspläne sollen
überprüft werden, um nicht genutzte Flächen zu ermitteln. Ziel: Eigentümer
motivieren, zu bauen oder selbst mit dem Liegenschaftsamt als Käufer aktiv zu
werden.
Regionalplan Aufgrund räumlicher Grenzen und erwarteten
Bevölkerungswachstums (2025: 605 500 Menschen statt heute 592 000) glaubt die
Stadt, dass die Abwanderung vieler Familien ins Umland nicht aufzuhalten ist.
Ziel deshalb: Die Stadt sucht Kooperationen mit Umlandkommunen für den neuen
Regionalplan, damit dort Flächen ausgewiesen werden.
Belegungsrecht Die Zahl der Mietpreis- und
Belegungsbindungen soll erhöht werden. Investoren, die freie Wohnungen
errichten, sollen gegen eine Förderung des Grunderwerbs ein Belegungsrecht für
Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein einräumen. Die Kaltmiete beträgt
dann für 15 Jahre maximal 5,10 Euro pro m2. Zuschuss für den Eigentümer: zwei
Euro monatlich pro m2. Das vorhandene Programm soll verlängert werden.
Wohneigentum Die Stadt will finanzielle Anreize schaffen,
damit Privatleute Eigentum errichten. Durch die Überschreitung der Einkommensgrenze
in der sozialen Wohnraumförderung um bis zu 50 Prozent sollen hiervon auch
junge Mittelschicht-Familien profitieren.
Jörg Schnorrenberger vom Ring Deutscher Makler sieht in dem Konzept erste gute Ansätze. „Alles, was getan wird, ist erst einmal gut.“ Kritik übt er aber an Einzelpunkten wie der Förderung. Der Zuschuss von zwei Euro pro m2 könne kaum Bauherren ködern, zu investieren.
Ein Kommentar von Uwe-Jens Ruhnau.
Die Ratsmehrheit von CDU und FDP und die Verwaltung sind sich einig – und
sie gehen ein hohes Risiko. Alle wissen, dass die Mieten galoppierend steigen
und es zu wenig preiswerten Wohnraum gibt. Dennoch ist man strikt dagegen, wie
in München bei Neubauprojekten Vorgaben zur Menge der öffentlich geförderten
Wohnungen zu machen.
Man setzt lieber auf Kooperation mit den Investoren. Es wäre schön, wenn die
Rechnung aufginge – Skepsis aber ist angebracht. Immo–scout
meldet aktuell 2400 freie Wohnungen in Düsseldorf, bei nur einem Viertel liegt
die Miete unter acht Euro pro Quadratmeter. Das muss mehr werden.
http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/das-ergebnis-zaehlt-1.1107666
Ein Makler und die Vertreter von Hauseigentümern,
Genossenschaft, Mieterverein und Bauherren diskutieren die Wohnsituation.
Trafen sich zum Wohnungsgipfel bei der WZ auf der Girardetbrücke an der
Königsallee: Jörg Schnorrenberger, Ingo Apel,
Hans-Jochem Witzke, Heiko Leonhard und Michael Kraus
(v.links).
Herr Kraus, derzeit Wohnungen in Düsseldorf zu bauen, muss bei der
Nachfrage doch ein Vergnügen sein, oder?
Michael Kraus: Ja, es macht Spaß an diesem sehr
internationalen Standort. Wir haben in der Tat genug zu tun.
Welche Zielgruppen haben Sie?
Kraus: Viele. Singles, Paare, oft Familien, jetzt etwa im
Quartier Reitzenstein. Ich denke, unsere Bauten haben einen besonderen
Charakter, wir wollen Unikate entwickeln. Wir verkaufen noch häufig an die
Endnutzer, obwohl es natürlich auch Kapitalanleger gibt, die Steine als
finanzielle Sicherheit wollen.
Jörg Schnorrenberger: Der Faktor
„Betongold“ wird immer wichtiger. Die direkte Rendite ist für viele fast
zweitrangig, hauptsache man investiert an einem guten
Standort in der Stadt und das Geld ist somit sicher angelegt.
Ist der Boden knapp für neue Projekte? Oder droht der Markt bereits
zu überhitzen?
Kraus: Natürlich ist Platz in Düsseldorf ein Mangelfaktor.
Zudem ist die Stadt auch für auswärtige Entwickler interessant geworden.
Dadurch entsteht Preistreiberei. Aber man muss sie nicht immer mitmachen.
Schnorrenberger: Im
Luxussegment bei Eigentumswohnungen wird die Luft nach oben dünner. Da nähern
wir uns einer Preissättigung. Aber bei bezahlbaren Wohnungen für die
Mittelschicht, da ist ein Riesenbedarf.
Herr Leonhard, wer, wenn nicht Sie als Genossenschaftler, kann
preiswerten Wohnraum anbieten?
Heiko Leonhard: Ich finde zunächst, dass die Debatte oft
viel zu sehr auf die Größe Kaltmiete pro Quadratmeter verkürzt wird. Es geht
auch um Größe, Zuschnitt, Ausstattung. Ich habe deshalb auch bei uns nie die
Höchstgrenze von zehn Euro genannt. Richtig ist, dass wir Flächen suchen, die
einen Grundstücksanteil von maximal 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche
ausmachen.
Da fängt bei Ihnen das Preisspektrum gerade an, Herr Kraus.
Kraus: Stimmt. Im mittleren Bereich geht es aber schnell
auf 600, 700 Euro pro bebauten Quadratmeter, in Oberkassel ist man auch im
vierstelligen Bereich.
Herr Schnorrenberger, gibt es in
Düsseldorf überhaupt eine Wohnungsnot?
Jörg Schnorrenberger: Nun, das
Angebot ist zu knapp. Das wenige, was da ist, ist hochpreisig,
was wiederum von vorneherein die Nachfrage senkt. Insofern ist es keineswegs
so, dass samstags überall die Treppenhäuser voll mit Wohnungssuchenden sind und
der Makler sagt: So, die beiden hübschen jungen Damen zuerst.
Leonhard: Nein, es gibt keine Wohnungsnot. Das Thema wird
meiner Ansicht nach gerade hochgeredet.
Herr Apel, die Mieten in Düsseldorf sind teuer. Ist das nicht die
Schuld Ihrer Klienten, der Hausbesitzer.
Ingo Apel: I wo. Wir vertreten rund 16 000 Eigentümer,
davon sind fast 99 Prozent Bestandshalter. Und die Durchschnittsmiete liegt da
bei sieben bis acht Euro. Fakt ist: Viele Vermieter nutzen eben gerade nicht
jede Chance zur Preiserhöhung, sie legen mehr Wert auf gute, dauerhafte Mieter.
Herr Witzke, das heißt, der Mieterverein
macht nur Propaganda, die Mieten sind gar nicht so hoch?
Hans-Jochem Witzke: Schön wär’s.
Wenn wir den Mietspiegel über Jahre betrachten, dann sehen wir große Sprünge.
Im letzten Zwei-Jahres-Zyklus lag der Zuwachs im Schnitt bei moderaten 2,3
Prozent. Das variiert aber sehr von Stadtteil zu Stadtteil. In Teilen von Flingern, in Bilk, Oberbilk, da gehen die Mieten rauf.
Apel: Die Leute wollen heutzutage immer mehr Wohnraum pro Person.
Früher lebte eine vierköpfige Familie ganz selbstverständlich auf 80
Quadratmetern, heute wollen oft Singles so viel Platz. Nur: Höhere Ansprüche
kosten halt mehr. Ich denke, von bezahlbarem Wohnraum können wir sprechen, wenn
man 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Warmmiete ausgeben muss.
Witzke: Da kenne
ich noch die Größe 25 Prozent. In Neubauten geht praktisch nichts unter zehn
Euro pro Quadratmeter – und das ist für viele unerschwinglich.
Aber sind in der alternden Gesellschaft nicht vermehrt kleine
Wohnungen gefragt?
Leonhard: So ist es. Bei Singles denkt man immer an
Studenten. In Wahrheit leben immer mehr Alte allein, vor allem Seniorinnen. Und
für die gibt es noch viel zu wenig
Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 50 Quadratmetern.
Kraus: Auf dem Erwerbermarkt sieht das ganz anders aus:
Zwei Zimmer sind da wenig gefragt.
Was wünschen Sie sich für die Düsseldorfer Wohnungspolitik?
Witzke: Das
Hauptproblem ist der Mangel an preiswerten Grundstücken. Da sollte die Stadt
ruhig mal subventionieren. Im Rathaus haben aber leider viele noch nicht
begriffen, dass es hierbei um den Erhalt der solidarischen Gesellschaft geht.
Schnorrenberger: Ohne
Gestaltung des Marktes geht es nicht, da können Subventionen helfen. Wichtig
wären Erleichterungen von Investitionen, vor allem über den Zwang zum
Stellplatznachweis muss man nachdenken.
Apel: Danke. Die Kosten etwa bei der energetischen
Sanierung fressen auch viele Bestandshalter auf. Hinzu kommen
Finanzierungsprobleme: Ältere Hauseigentümer bekommen immer schwerer Kredite
bei den Banken.
Leonhard: Ich wünsche mir, dass man etwas die Emotionen aus
der Debatte nimmt. Ich glaube, in städtischen Lagen kann die Grundstückssuche
noch intensiviert werden, Stichwort: Innenhöfe.
Kraus: Warum nicht mal neue Wege gehen? In einem größeren
Areal könnten Genossenschaft und ein Entwickler durchaus mal etwas zusammen
machen. 23.9.12