Schüler von arbeitslosen Eltern und sogar Frührentner müssen sich vor dem Urlaub bei der Arge abmelden!

 

Eine 17-jährige Schülerin, deren Mutter Arbeitslosengeld II bezieht, muss sich ihre Ferien- oder Klassenreise genehmigen lassen. Was nach purem Bürokratismus klingt, ist seit 1. August Gesetz: Schülerinnen ab 16 Jahren oder Frührentner, die in einer so genannten Bedarfsgemeinschaft mit Eltern oder Partnern vom Geld der Arge (Arbeitsgemeinschaft von Arbeitsagentur und Stadt) leben, gelten als arbeitslos, obwohl sie gar nicht arbeiten können. So hat es die Bundesregierung im neuen Absatz 4 des Paragraphen 7 Sozialgesetzbuch II verfügt.

 

Ratsherr Frank Laubenburg (Die Linke) hatte im Sozialausschuss nachgehakt, wie diese neue "Erreichbarkeitsanordnung" gehandhabt wird. Arge-Sprecher Jürgen Hennigfeld betont nun, dass "17-Jährige ja nicht mehr schulpflichtig sind und jeden Tag von der Schule abgehen können. Dann stünden sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Wenn die Mutter Alg II bezieht, bekommt in der Bedarfsgemeinschaft auch die Tochter Leistungen von uns. Beide haben ja den Antrag ausgefüllt."

 

Fallmanager:

 

Zugriff jederzeit

Lässt sich die Schülerin Urlaub oder Klassenfahrt nicht von der Arge genehmigen, erhält die Mutter weniger oder kein Geld mehr. Wann sie den Antrag einreichen muss, so Hennigfeld, "ist im Gesetz nicht geregelt".

 

Nach Hartz IV müssen Arbeitslose für den "Fallmanager" jederzeit erreichbar sein, um in eine Stelle oder eine Qualifizierung vermittelt werden zu können. Das, so Hennigfeld, "gilt für alle Leistungsbezieher". Heißt: Auch für den Frührentner unter 65 Jahren, der in einer "Bedarfsgemeinschaft" mit seiner arbeitslosen Frau lebt und dem die kleine Rente durch die Arge aufgestockt wird. Meldet er sich nicht in den Urlaub ab, kriegt seine Frau kein Geld mehr. Allerdings werde eine Urlaubsmeldung "nur bei jenen verlangt, bei denen eine Vermittlungschance besteht." Also nicht bei den 492 Alg II-Beziehern zwischen 15 und 65 Jahren, die "nicht erwerbsfähig sind (Schüler), die krank sind oder eine Rente wegen Arbeitsunfähigkeit bekommen". Nach Schätzungen von Laubenburg müssen sich 20 000 der 60 000 Alg II-Bezieher ihre Reisen genehmigen lassen, obwohl sie nicht arbeitslos sind. Für den Ratsherren reine Schikane. (JG.)

 

05.09.2006   nrz