Not wächst mit dem Nachwuchs. Kinderreichtum
ist nicht nur Segen
Von Vera Gaserow
Berlin. Bundesfamilienministerin Ursula von der
Leyen (CDU) legt sich in der Frage, wie Kinderarmut bekämpft werden kann, offen
mit Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) an. Von der Leyen drängte am Montag auf
Korrekturen an dem Entwurf zum „Armuts- und Reichtumsbericht“ der
Bundesregierung, den Scholz vergangene Woche vorgelegt hatte. Während der
SPD-Minister in seinem Entwurf den Mindestlohn als Instrument der
Armutsbekämpfung in den Vordergrund rückt, widerspricht die Familienministerin.
Sie besteht auf der Unionsforderung nach einer gestaffelten Kindergelderhöhung
für kinderreiche Familien.
Von der Leyen präsentierte am Montag bei der
Vorstellung des jüngsten Unicef-Reports „Zur Lage der
Kinder in Deutschland“ eine eigene 50-seitige Armutsstudie. Danach sind
hierzulande 2,3 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut bedroht. Damit gilt
jeder sechste Minderjährige als armutsgefährdet. Im Bericht des
Arbeitsministers war es nur jeder achte. Besonders dramatisch ist die
finanzielle Lage für Kinder Alleinerziehender: rund 40 Prozent gelten als arm.
Leben Kinder in einem Paarhaushalt, in dem zumindest ein Elternteil berufstätig
ist, sinkt das Armutsrisiko auf rund 12 Prozent. Wächst ein Kind bei Eltern
auf, die beide arbeiten, sind nur vier Prozent von Armut bedroht.
Auch nahezu jedes dritte Kind mit Migrationshintergrund gilt als armutsgefährdet, bilanziert
die Studie. Als dritte Gruppe gleiten zunehmend Familien mit mehreren Kindern
in Armut ab, warnt der Bericht. Bis heute werde das Wohlergehen von Kindern
nicht als zentraler Maßstab für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft
bewertet, heißt es in dem Bericht.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit
dieser rein ökonomischen bezifferten Armutsrisikoquote für Kinder gleich hinter
den skandinavischen Ländern gar nicht so schlecht da. Der Unicef-Report
bewertet jedoch neben der finanziellen Situation auch andere Armuts- und
Zukunftsrisiken.
Rund 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in
Deutschland wiesen Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Probleme auf. Rund
17 Prozent der Jugendlichen seien zu dick, wobei vor allem Kinder aus
benachteiligten Familien Übergewicht hätten. Und in keinem Industrieland
rauchten so viele Minderjährige wie in Deutschland. Seite 11
RGASEROW
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 121)
Datum: Dienstag, den 27. Mai 2008
Seite: 14
Kommentare
Armes Deutschland
Von Katharina Sperber
Bürgerverwirrung scheint das neue bevorzugte Spiel
der Bundesregierung zu sein. Vergangene Woche legte der Arbeitsminister (SPD)
den Armutsbericht vor, gestern die Familienministerin (CDU) Zahlen zur
Kinderarmut. Olaf Scholz errechnete 12 Prozent Kinderarmut im wirtschaftlich
mauen Jahr 2005, Ursula von der Leyen 17 Prozent im beginnenden Aufschwung
2006. Och, fünf Prozent mehr oder weniger arme Kinder, wen schert das schon?
Uns Bürger! Und es reicht nicht, wenn für die
Dissonanzen nun unterschiedliche Datengrundlagen der Berechnungen serviert
werden. Jedenfalls nicht, wenn man Kinderarmut als Skandal begreift. Erhellend
sind die Differenzen nur, weil man in ihnen erkennen kann, dass der Skandal in
Berlin nicht als solcher begriffen wird, der schleunigst abzustellen ist,
sondern als Verhandlungsmasse einer großen Koalition.
Die SPD will den Mindestlohn, Olaf Scholz also auch.
So wird der Entwurf des Armutsberichts zur Keule, den sozialdemokratischen
Willen durchzusetzen. Die CDU will den Mindestlohn nicht, Ursula von der Leyen
stattdessen ein höheres Kindergeld für kinderreiche Familien und mehr
Kinderbetreuung, damit Eltern arbeiten und Migrantenkinder
besser integriert werden können.
Der Mindestlohn allein reicht gegen die Kinderarmut
nicht. Höheres Kindergeld auch nicht. Ehrlicher wäre, die tatsächlichen
Bedürfnisse von Kindern anzuerkennen und nicht mehr vom Konsum eines
Erwachsenen abzuleiten. Aber dazu kann sich die große Koalition bislang nicht
durchringen. Sie macht lieber jetzt schon Wahlkampf – auf dem Rücken der
Kinder. Armes Deutschland.
SPERBER
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 121)
Datum: Dienstag, den 27. Mai 2008
Seite: 11
Reiches
Land, arme Kinder
Armut wird billigend in Kauf
genommen, um Niedriglöhne durchzusetzen. Heranwachsende leiden darunter. Das
muss nicht so sein. Ein Vorschlag von Martin Künkler.
In einem reichen Land bedeutet Armut nicht unbedingt
Hunger und blankes Elend. Armut ist ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. Arm
ist, wer sich viele der Dinge nicht leisten kann, die für die große Mehrheit
selbstverständlich zum Leben dazugehören. Wenn das geringe Einkommen nur eine
Lebensführung zulässt, die weit hinter die Wohlstandsverteilung in der Mitte
der Gesellschaft zurückfällt. Arm sein heißt abgehängt zu sein. Und für Kinder
oftmals buchstäblich, nicht mitspielen zu können.
4,90 Euro für Essen und Trinken
Armut zu überwinden hieße demnach, die
Einkommensunterschiede und die damit verbundenen Unterschiede der Teilhabe zu
begrenzen und in einer akzeptablen Spannbreite zu halten – damit Lebenslagen
noch als vergleichbar gelten können. Dies erfordert eine Mindestausstattung mit
Einkommen in Relation zur Mitte der Gesellschaft.
Als Ausgangspunkt für die Hartz-IV-Sätze
für Kinder sollten daher die tatsächlichen Ausgaben der mittleren
Einkommensgruppe für ein Kind herangezogen werden. Entsprechende Daten liegen
beim Statistischen Bundesamt vor, differenziert nach elf Bereichen wie etwa
Ernährung, Bekleidung, Freizeit usw. Für ein Schulkind zwischen sechs und elf
Jahren werden beispielsweise 450 Euro monatlich ausgegeben.
In einem zweiten Schritt wäre dann politisch zu
entscheiden, welcher Anteil der jeweiligen Ausgaben auch Hartz-IV-Kindern
zugestanden wird. In „sensiblen“ Bereichen, die nicht vom Geldbeutel der Eltern
abhängig sein dürfen, sollten die statistisch erfassten Ausgaben für ein Kind
zu hundert Prozent übernommen werden. Dies betrifft die Ausgaben für Gesundheit
und Bildung.
Die tatsächlichen Ausgaben für Essen und Trinken
betragen je nach Alter des Kindes zwischen 2,80 und 4,90 Euro pro Tag. Auch
diese Ausgaben sollten vollständig in die Hartz-IV-Sätze
für Kinder einfließen. Denn die genannten Beträge sind für eine gesunde und
ausgewogene Ernährung selbst dann schon notwendig, wenn überwiegend im
Discounter eingekauft wird. Dies belegt eine Untersuchung des
Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund (FKE) aus dem letzten Jahr.
Die anderen Positionen, von der Eintrittskarte ins
Schwimmbad über Anziehsachen bis zum Kinderfahrrad, sollten zu 50 Prozent in
die Hartz-IV-Sätze einfließen – als Mindestmaß an
Teilhabe.
Durchgerechnet ergeben sich nach diesem Verfahren
annäherungsweise folgende Geldbeträge: 290 Euro monatlich für Kinder bis fünf
Jahren, 340 Euro für Kinder zwischen sechs und elf Jahren und 390 Euro ab 12
Jahren. Darin eingerechnet ist auch ein Inflationsausgleich, der Hartz-IV-Beziehern bisher verwehrt wird: Einschließlich der
für Juli angekündigten Erhöhung sind die Regelsätze seit 2003 nur um knapp zwei
Prozent gestiegen, die Preise aber um 12 Prozent.
Sicherlich kann man über einzelne Stellschrauben des
Vorschlags wie die genannten Prozentanteile trefflich streiten. Die Hartz-IV-Sätze aber zukünftig als Mindestanteil der
tatsächlichen Kosten für ein Kind zu bemessen und nicht mehr vom
Konsumverhalten armer Erwachsener abzuleiten, ist ein längst überfälliger
Schritt.
Erhebliche Widerstände
Höhere Hartz-IV-Sätze
reichen aber alleine nicht aus. Denn auch für Geringverdienende mit Kindern
gilt: Am Ende des Geldes ist einfach noch zu viel Monat übrig. Daher muss auch
der bestehende Kinderzuschlag von zurzeit maximal 140 Euro entsprechend erhöht
werden. Diesen Zuschlag können geringverdienende
Eltern heute zusätzlich zum Kindergeld und alternativ zu „aufstockendem“ Hartz IV erhalten. Bedingung dafür ist, dass die Eltern
selbst ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen decken können. Der Zuschlag
sollte so angehoben werden, dass er zusammen mit dem Kindergeld und dem aufs
Kind entfallenden Wohngeldanteil dem hier neu vorgeschlagenen Leistungssatz für
Hartz-IV-Kinder entspricht.
Unbestritten: Kinderarmut hat viele Facetten und
umfasst mehr als nur einen Mangel an Geld. Ob Eltern die Lust ihres Kindes am
Lesen oder an Bewegung und Sport befördern, hängt nicht nur vom Kontostand ab.
Aber sich Kinderbücher, die Sportschuhe und den Beitrag zum Fußballverein auch
leisten zu können, ist eine wichtige Voraussetzung dafür. Alternativ zu höheren
Geldleistungen werden vielfach kostenlose bzw. stark ermäßigte Angebote
vorgeschlagen. Bezogen auf den Besuch der Kita oder
das Mittagessen in der Schule ist dies auch unproblematisch und sinnvoll.
In anderen Bereichen sind Sachleistungen aber
abzulehnen: So dürfen Kinder nicht über bereitgestellte, einheitliche
Schultornister als „Hartz-IV-Kinder“ auffallen. Sonst
kann man ihnen das Stigma „Hartz IV“ auch gleich auf
die Stirn stempeln. Bereitgestellte Sachmittel schaffen auch nicht mehr
Teilhabe am „normalen“ Leben sondern das Gegenteil: Arme werden in
Sonderversorgungssysteme ausgegrenzt, während der Rest der Welt im normalen
Einzelhandel einkauft. Neben der Gefahr, stigmatisiert zu werden, dürfte die
Erfahrung, mit Sachmitteln ausgestattet zu werden, auch nicht gerade die
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen positiv befördern und insbesondere für
das Erwerben von Kompetenzen im Umgang mit Geld kontraproduktiv sein. Neuere
Untersuchungen der Sozialwissenschaftler Werner Wüstendörfer sowie Sabine Walper widerlegen zudem das Bild vom dosenbiertrinkenden
Hartz-IV-Bezieher, dem der Plasma-Fernseher
wichtiger ist als seine Kinder: Arme Eltern schränken sich im Regelfall selbst
ein, um ihren Kindern ein möglichst gutes Leben bieten zu können.
Realistischerweise werden sich bedarfsorientierte
Leistungen für Kinder nur schrittweise und gegen erhebliche Widerstände
durchsetzen lassen. Nicht nur, weil das hier vorgeschlagene Verfahren bezogen
auf die heutigen 2,2 Millionen Minderjährigen im Hartz-IV-Bezug
gut drei Milliarden Euro jährlich kosten würde. Vor allem die von den Hartz-IV-Erfindern verfolgte Niedriglohnstrategie steht
höheren Leistungen im Weg: Hartz IV – das, was Eltern
und Kinder in der Summe bekommen – ist heute so gering, damit aus der Not
heraus auch niedrigst bezahlte Jobs angenommen
werden. Kinderarmut wird heute billigend in Kauf genommen, um Niedriglöhne
durchzusetzen.
Als Sofortmaßnahmen sollten zumindest eine
zusätzliche Beihilfe für die Schule gewährt und die Leistungshöhe stärker nach
dem Alter gestaffelt werden. Letzteres bedeutet übrigens nur, eine Kürzung
zurück zu nehmen: In der alten Sozialhilfe galt für Schulkinder noch ein
erhöhter Satz. Seit Hartz IV werden Schulkinder bis
13 Jahren auf das Niveau von Säuglingen herab gesetzt.
PDFGEINSMANN
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 121)
Datum: Dienstag, den 27. Mai 2008
Seite: 14
27.05.2008 / Titel / Seite 1 jw
Regierung
kann stolz sein
Von Rainer Balcerowiak
Kaum ist die Aufregung um den Entwurf für den nationalen
Armutsbericht der Bundesregierung ein wenig abgeebbt, folgt die nächste
Hiobsbotschaft. Laut einem am Montag in Berlin veröffentlichten Report des
Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF hat die Kinderarmut in
Deutschland mittlerweile weit größere Ausmaße als bisher angenommen. Demnach
wachsen 35 bis 40 Prozent der Minderjährigen mit alleinerziehenden
Eltern in relativer Armut auf. Als weitere Probleme nennt der Bericht unter
anderem unzureichende Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige sowie die
ausgeprägte Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft. Die
Merkmale sozialer Ausgrenzung seien dabei sehr vielfältig, so der Vorstandschef
der deutschen UNICEF-Sektion, Jürgen Heraeus, bei der
Vorstellung der Studie. Kinder aus armen Haushalten seien häufig
verhaltensauffällig, stark übergewichtig und neigten mehr als in jedem anderen
Industrieland zu frühzeitigem Zigaretten- und Alkoholkonsum. Auffallend sei
zudem, daß Jungen und Mädchen aus Zuwandererfamilien
seltener einen Kindergarten besuchten, in Sonder- und Hauptschulen hingegen
überrepräsentiert seien. 17 Prozent von ihnen verließen die Schule ohne Abschluß.
In dem Bericht verweisen die Autoren mit Blick auf andere Länder darauf, daß Kinder aus benachteiligten Familien von verbesserten
Beschäftigungschancen ihrer Eltern und gleichzeitig angebotenen
Betreuungsmöglichkeiten besonders profitierten. Dennoch sei Deutschland noch
weit von dem Ziel entfernt, bis 2013 flächendeckend für mindestens ein Drittel
der unter Dreijährigen Betreuungsplätze anzubieten.
UNICEF wertet die Ergebnisse als Beleg, daß die
Situation von armen Kindern durch Einzelmaßnahmen nicht nachhaltig zu
verbessern sei. »Vielmehr müssen Bund, Länder und Gemeinden ihren
zersplitterten, an einzelnen Ressorts orientierten Ansatz aufgeben und das
Wohlergehen von Kindern in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen«, forderte das
Kinderhilfswerk. UNICEF verlangt von der Bundesregierung einen nationalen
Aktionsplan mit verbindlichen Zielvorgaben zur Verringerung der Kinderarmut.
Auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat am Montag davor
gewarnt, die Kinderarmut zu unterschätzen. Die Politikerin bezog sich dabei auf
eine Studie, die das Prognos-Institut für das
Bundesfamilienministerium erstellt hat. Diese kommt zu dem Ergebnis, daß mehr als jedes sechste deutsche Kind in Armut lebt.
Dabei gibt es demnach große regionale Unterschiede. So sind in der Alt-BRD 15 Prozent der Kinder von Armut betroffen, in den Ost-Bundesländers sind es dagegen 25. Bei Migrantenkindern liegt diese Quote bei 30 und bei Hartz-IV-Empfängern sogar bei bis zu 72 Prozent. Im
nationalen Armutsbericht wird dagegenden »nur« von
jedem achten Kind in Armut ausgegangen. Von der Leyen plädierte erneut für ein
nach der Kinderzahl gestaffeltes Kindergeld.
Die Opposition nannte die beiden Berichte ein »Armutszeugnis« für die
Regierung. Der Familienexperte der Fraktion Die Linke im Bundestag, Jörn
Wunderlich, sprach sich dafür aus, das Elterngeld künftig 24 statt 14 Monate
lang zu zahlen und den Mindestsatz von 300 auf 450 Euro zu erhöhen. Die Grünen
forderten höhere Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und
Geld für Lernmaterial und Schulessen. Zudem müsse die »überholte Subvention der
Ehe durch das Ehegattensplitting« deutlich verringert werden.
Jedes
fünfte Kind in Düsseldorf ist arm
Düsseldorf,
26.05.2008, ANDREA KREBS
SOZIALES. Immer mehr Mädchen und Jungen werden von den
Tafeln versorgt. Aber: Die Stadt sei weiter als der Bund, sagt der
Sozialdezernent.
Kinderarmut - für viele ist der Begriff zum Reizwort geworden: Erst in
der jüngsten Sitzung des Stadtrates scheiterte die SPD mit ihren Versuchen, das
Thema Armut auf die Tagesordnung zu bringen. Gestern dann mahnte
Familienministerin Ursula von der Leyen, dass jedes sechste Kind in Deutschland
von Armut bedroht ist - in Düsseldorf lebt fast jedes fünfte Kind vom
Existenzminimum.
Symbolische Spende
Waren es 1999, als die Stadt ihren letzten Armutsbericht herausgegeben hat,
noch 11,3 Prozent der unter 25-Jährigen, die vom Nötigsten leben mussten, waren
es 2004 schon 10 187 Mädchen und Jungen unter 18 Jahren (17 Prozent). Jetzt
zählte das Sozialdezernat in seiner aktuellsten Erhebung sogar 16 000 Kinder
unter 16 Jahren, die in Hartz IV-Familien leben oder
deren Mütter und Väter einen so geringen Lohn haben, dass die Stadt sie mit
Sozialgeld unterstützt.
Deutlich sichtbar wird das auch an der Geeststraße in Holthausen.
Vor knapp fünf Monaten eröffnete das Deutsche Rote Kreuz (DRK) dort seine
Kindertafel "EssBar". 220 Mädchen und
Jungen zählte das DRK im Januar, die für eine eher symbolische Spende von 50
Cent dort ein warmes Mittagessen aufgetischt bekamen. "Im April waren es
dann schon über 300 Essen die wir rausgegeben haben
und wir rechnen mit noch mehr", sagt Pressesprecher Thomas Jeschkowski.
Wie berichtet, gibt es seit dem vergangenen Sommer auch eine eigene
Kindertafel in Garath-Ost. Über 100 Grundschüler
bekommen dort im Rahmen der offenen Ganztagsschule einen Mittagstisch. Zudem
ist die Tafel auch für andere bedürftige Kinder im Stadtteil geöffnet.
Finanziell unterstützt wird die Tafel auch von der Stadt. Im Rahmen der Spendengala
zum "Bambi 2007", bei der fast eine Million Euro zusammenkamen, gab
die Kommune einen Teil an die Einrichtung. "Wir begrüßen dieses ergänzende
Engagement", so Sozialdezernent Burkhard Hintzsche. Darüber hinaus sei
Düsseldorf in vielen Punkten wesentlich weiter als der Bund. Würden im
Bundesrat noch zahlreiche Anträge zur Reduzierung des Elternbeitrags für den
Mittagstisch in Schule und Kindertageseinrichtung diskutiert, "setzen wir
das ab dem 1. August um", verspricht Hintzsche.
Unbürokratisches Gutscheinsystem
Alle Eltern, die unter einer Einkommensgrenze von 12 271 Euro pro Jahr
liegen oder so wenig verdienen, dass ihnen der Düsselpass
zusteht, bezahlen mittels eines unbürokratischen Gutschein-Systems dann nur
noch die Hälfte für den Mittagstisch. Heißt, im Schnitt 1,25 Euro pro Kind und
Tag. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt diesen
Düsseldorfer Vorstoß. "Wir bekommen schon jetzt keine Klagen mehr aus den
offenen Ganztagsgrundschulen, hier wird kein bedürftiges Kind abgewiesen",
sagt Ida Kaup, Lehrerin in Gerresheim und in der GEW
Expertin zum Thema Kinderarmut.