Viel Altersarmut in Hassels und ein Problem-Viertel in Garath. 1. März 2013 - 20:55

Von Alexander Schulte

Die neue Sozialstudie der Stadt zeigt, in welchen Vierteln Armut ein besonderes Problem ist – etwa im Norden Garaths oder Hassels.

Die Hochhaussiedlungen in Hassels zwischen Potsdamer und Fürstenberger Straße sind seit Jahren ein sozialer Brennpunkt in der Stadt. Hier kam es immer wieder auch zu Brandstiftungen. Archiv Nanninga

Die Hochhaussiedlungen in Hassels zwischen Potsdamer und Fürstenberger Straße sind seit Jahren ein sozialer Brennpunkt in der Stadt. Hier kam es immer wieder auch zu Brandstiftungen. Archiv

Düsseldorf. Dass es auch im wohlhabenden Düsseldorf Armut gibt, ist eine Binsenweisheit. Dass aber etwa die Altersarmut permanent wächst, dürfte nicht so bekannt sein. Die von der Stadt jetzt herausgegebene Fortschreibung der „Sozialräumlichen Gliederung“ nennt mit Stichtag 31. 12. 2010 noch 6701 „Personen im Alter von 65 Jahren und älter“, die Grundsicherungsleistungen nach SGB (Sozialgesetzbuch) XII empfangen. Bereits im Frühjahr 2012 lag die Zahl bei 7892, aktuell sind es mehr als 8200.

In über der Hälfte der Fälle sind es Frauen, weil sie im Schnitt geringere Renten bekommen. Insgesamt gehören viele Senioren zu den Beziehern, denen der Staat die Rente aufstockt.

Die höchste Zahl an älteren Transferempfängern gibt es in Hassels-Nord

Die neue Sozialstudie der Stadt, die 166 Sozialräume analysiert, zeigt nun detailscharf, in welchen Vierteln Düsseldorfs die Probleme besonders groß sind. Zunächst: Die meisten Alten wohnen in Bilk (3235), gefolgt vom Zooviertel und Derendorf; die wenigsten Senioren leben im Hafengebiet und an der Kiefernstraße in Flingern.

Die höchste Zahl an älteren Transferempfängern gibt es in Hassels-Nord, in der Siedlung rund um die Potsdamer Straße, gefolgt von der Geeststraße in Holthausen (siehe Grafik unten). Manchmal liegen Wohlstand und Not ganz dicht beieinander – etwa im Südosten von Garath. Die Siedlung, die von der Carl-Friedrich-Goerdeler-Straße und Am Kapeller Feld eingeschlossen wird, weist 24,3 Prozent Hilfsempfänger über 65 auf; in den Straßen direkt daneben, östlich des Kappeler Feldes („Motte“) sind es 0,0 %.

Zum Teil benötigen Familien schon seit Generationen „Stütze“

Apropos Garath: Im Norden des Stadtteils, zwischen Schwarzer und Wittenberger Weg, liegt die vielleicht ärmste Siedlung Düsseldorfs: „Hohen sozialen Handlungsbedarf“ sieht die Studie hier – kein Wunder angesichts einer Hartz-IV-Quote von 59,2 % und 48 % Arbeitslosen. Zum Teil beziehen ganze Familien seit Generationen Stütze. „Was wir in dieser Siedlung erleben, ist eine zunehmende soziale Spaltung“, sagte NRW-Wohnungsminister Michael Groschek jetzt der Bild-Zeitung.

Fortschreibung Erstmals legte die Stadt 1997 die Sozialräumliche Gliederung vor, Fortschreibungen gab es 2001, 2005 und die jetzt vorgelegte Aktualisierung 2011. Erstellt wurde sie vom Jugendamt und vom Amt für Statistik und Wahlen.

Serie Die WZ wird in den nächsten Tagen weitere Aspekte auswerten – nach der Größe der Wohnflächen, Arbeitslosigkeit (siehe 27.2.) folgen noch Familienstrukturen und Schülerquoten.

Vor Ort weit besser kennt sich Bezirksvorsteher Klaus Mauersberger aus. Er warnt davor, das Viertel zum Ghetto zu dramatisieren und die Bewohner zu stigmatisieren: „Da ist längst nicht alles schlecht, die Kriminalitätsrate etwa ist nicht hoch“, sagt er. Freilich müsse man mehr tun: „Die Stadt wird dort ein Mieterbüro als Verbindung zu helfenden Stellen einrichten. Und wir berufen eine Viertel-Konferenz ein, in der vor allem mit Jugendlichen auf Augenhöhe geredet wird. Sie brauchen Perspektiven.“

Es ist jedoch beileibe nicht der einzige soziale Brennpunkt in der Stadt. Statistisch ins Auge sticht die Hochhaus-Siedlung in Hassels-Nord, wo fast 49 Prozent Hartz IV beziehen. Ebenfalls nicht rosig sieht es an der Geeststraße in Holthausen aus oder im Osten Urdenbachs, direkt am Benrather Schlossparks aus.

http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/viel-altersarmut-in-hassels-und-ein-problem-viertel-in-garath-1.1253990

 

 

 

 

Neue Studie zeigt die Kluft zwischen Arm und Reich

Von Alexander Schulte 26.2.13

mit einem Kommentar von Alexander Schulte

Neuauflage der Sozialräumlichen Gliederung beleuchtet detailliert die Situation in 166 Vierteln der Stadt.

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Düsseldorf. Jahrelang rang die Politik um eine Neuauflage des zuletzt 1999 erschienenen Armutsberichts. Rot-Grün wollte sie, Schwarz-Gelb blockte ab. Dafür arbeiteten das Jugendamt und das Amt für Statistik und Wahlen an einer umfassenderen Studie mit dem sperrigen Titel „Sozialräumliche Gliederung“. Und deren jetzt erschienene, 240 Seiten starke Neuauflage bietet tatsächlich ein detailliertes und aussagekräftiges Bild. Denn das Konvulut schaut nicht bloß von weitem auf die zehn Stadtbezirke oder die 49 Stadtteile, sondern viel tiefenschärfer auf 166 Sozialräume.

Zwar arbeitet die Studie mit Daten bis zum Stichtag 31.12.2010. Doch deren Relevanz bezweifelt niemand, zumal sich die meisten Zahlen bis heute nicht groß verändert haben dürften.

Die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden sichtbar

Für alle Sozialräume wird zunächst ihr Gebiet (Lage, Besiedelung, Grünflächen) gekennzeichnet. Es folgen die Bevölkerungsstruktur (Alter, Ausländeranteil), die Entwicklung des Viertels nach Zu- oder Wegzügen, die Haushaltsgröße (Single bis Familien) soziale Lage (z.B. Hartz-IV-Bezug), der Anteil von Hauptschülern und Gymnasiasten sowie der Wohnstandard (Fläche, Eigentum oder Miete).

Politisch brisant sind vor allem die teilweise erheblich auseinanderklaffenden sozialen Verhältnisse, im Klartext: die Unterschiede zwischen Arm und Reich. Im Dichterviertel in Stockum geht es besonders nobel zu, fast 70 Quadratmeter Wohnfläche hat hier jeder Einwohner im Schnitt. Die mondäne Rheinfront in Oberkassel mit den „Kaiser-Ringen“, wo der Anteil an öffentlich geförderten Wohnungen ebenso bei 0,0 Prozent liegt wie der von Kindern in Hartz-IV-Familien. Das „echte“ Zooviertel rund um die Tiergartenstraße oder das Ludenberger Villenviertel zwischen Gallberg und Rotthäuser Weg, wo es keinen Hauptschüler gibt und der Anteil der Harz-IV-Empfänger gerade mal 0,9% ausmacht: Überall hier ist Düsseldorf richtig reich.

Am anderen Ende der Skala weist die Studie explizit soziale Brennpunkte aus: das Oberbilker Viertel am Bahndamm zum Beispiel mit seiner Nähe zum Rotlichtmilieu und einem Ausländeranteil von 52 Prozent. Krasse Zahlen weist die Siedlung im Norden Garaths rund um den Schwarzen Weg auf: Fast 60 Prozent beziehen hier „Hartz-IV“, nur 4,4 % Prozent der Schüler gehen aufs Gymnasium – in Teilen von Niederkassel sind es dagegen über 90 Prozent.

Viele Hauptschüler in Kalkum: Nicht alles ist erwartungsgemäß

Oft dürften die Ergebnisse auf Kenner der Stadt erwartungsgemäß wirken, man weiß schließlich, welche Quartiere im Ruf einer „Bonzen-Ecke“ stehen und welche als Arme-Leute-Viertel gelten. Die Studie der Stadt zeigt freilich auch eindrucksvoll, dass auf die meisten Stadtteile keine eindimensionalen Etiketten passen. In Rath liegen Reichtum (Eitelstraße) und Armut (Theodorstraße) ganz nah beieinander. Im Linksrheinischen liegen Welten zwischen Niederkassel und westlichen Teilen von Heerdt.

Nicht immer korrelieren vermeintlich zusammenhängende Faktoren: Im Süden von Lörick zum Beispiel, an der Hansaallee, beträgt der Ausländeranteil 45 Prozent, vor allem Türken leben dort. Die Arbeitslosen- und die Hartz-IV-Empfänger-Quote aber liegen keineswegs über dem Stadt-Schnitt. Oder: Im gut betuchten Kaiserswerth-Ost/ Kalkum ist der Hauptschüleranteil mit 17,4 Prozent überdurchschnittlich.

http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/neue-studie-zeigt-die-kluft-zwischen-arm-und-reich-1.1251258

 

Kommentar: Studie muss Folgen haben

Von Alexander Schulte

Nanninga, Bernd (bn)

Düsseldorf. Die Fortschreibung der Sozialstudie ist ein gutes Werk. Es zeigt, dass sich Ratsmehrheit und Stadtspitze tatsächlich nicht vor einer ehrlichen Bestandsaufnahme drücken wollten, als sie einen bloßen Armutsbericht ablehnten. Aber: Auch noch so informative Studien sind erst dann wirklich wertvoll, wenn ihre Ergebnisse Folgen haben, heißt: Wenn die Stadt handelt und zwar dort, wo es nötig ist. Das tut sie an vielen Stellen längst, dennoch lodern plötzlich schlummernde Brennpunkte auf wie aktuell das „Lager“ am Rand von Rath. 26.3.13

http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/studie-muss-folgen-haben-1.1251263