Linke klagen wegen Ein-Euro-Jobbern

26.03.2010 / Inland / Seite 5Inhalt

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    Hamburg: Von 92 Grünpflegern im Bezirk Mitte der Hansestadt sind 83

    in einer Maßnahme

 

Von André Lenthe

 

Setzt der Bezirk Hamburg-Mitte ohne Rechtsgrundlage Ein-Euro-Jobber ein,

um Grün- und Parkanlagen zu pflegen? Das behauptet zumindest die

Linkspartei. Am Mittwoch erstattete sie Strafanzeige wegen Rechtsbeugung

durch die verantwortlichen Mitarbeiter verschiedener Behörden in der

Hansestadt.

 

Die Klage fußt auf mehreren kleinen Anfragen des

Linke-Bezirksabgeordneten Ronald Wilken. Dieser hatte eine Auskunft vom

Bezirksamt zur Anzahl der Ein-Euro-Jobber im Garten- und Landschaftsbau

gefordert. Zudem fragte er nach einer Begründung für deren Einsatz. Die

Antwort verblüffte nicht nur Wilken. Von 92 Arbeitskräften zur Pflege

des Stadtgrüns sind demnach 83 Personen Ein-Euro-Kräfte, die über

verschiedene Beschäftigungsträger eingesetzt werden. Ort und Art ihrer

Arbeit werden zwischen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und dem jeweiligen

Beschäftigungsträger verabredet. Die Tätigkeiten der neun

sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und ihrer 83

Hartz-IV-Kollegen unterscheiden sich kaum voneinander. Laut Antwort des

Bezirksamtes Mitte nehmen alle 92 Beschäftigten unter anderem

Gehölzschnitte vor, bessern Gehwege aus und sind für die Säuberung der

Grünanlagen verantwortlich.

 

»Die Zusätzlichkeit begründet sich darin, daß diese Arbeiten und

Maßnahmen mit eigenem Personal und den zur Verfügung stehenden

Unterhaltsmitteln nicht durchgeführt werden könnten«, antwortete das Amt

auf eine kleine Anfrage vom 3. Februar dieses Jahres. Bei der Umsetzung

der Sparvorgaben bewege sich der Bezirk im rechtsfreien Raum,

kommentierte Stefan Dührkop von der Linkspartei auf einer

Pressekonferenz am Mittwoch nachmittag.

 

Gemeinsam mit Ronald Wilken hat er die Strafanzeige bei der

Staatsanwaltschaft am Landgericht Hamburg eingereicht. In der

Klageschrift, die junge Welt vorliegt, heißt es bezugnehmend auf die

Antwort des Bezirksamtes: »Damit waren und sind die Voraussetzungen für

den Einsatz sogenannter Ein-Euro-Jobs nicht erfüllt

 

Wilken ergänzte: »Sollte die Behörde nicht in der Lage sein, mit dem

vorhandenen Personal die Arbeiten durchführen zu lassen, muß sie neues

Personal einstellen oder Aufträge an Firmen vergeben«. Der Fachverband

Garten- und Landschaftsbau e.V. wehre sich mit Recht dagegen, »den

grünen Sektor zum Lückenbüßer« verfehlter Beschäftigungspolitik zu

machen. Neben der Zusätzlichkeit sei die Gemeinnützigkeit bei vielen der

Arbeiten nicht gegeben. Auch dadurch läge ein Mißbrauch der

Ein-Euro-Jobs vor.

 

Während Hartz-IV-Beziehern ständigt mit Sanktionen gedroht wird, gibt es

keine Maßnahmen gegen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, die gegen

gesetzliche Vorschriften verstoßen. »Es besteht nur die Möglichkeit,

solche Mitarbeiter nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches zu

verfolgen«, so Wilken. Es sei davon auszugehen, daß den beteiligten

Mitarbeitern die Rechtslage bekannt war und ist. »Bei unbefangener und

neutraler Prüfung und vor allem gesetzestreuer Prüfung des Sachverhaltes

hätten die entsprechenden Anordnungen nicht erlassen werden dürfen«, ist

sich der Linkspartei-Politiker sicher. jw