Klamme Hospitäler setzen Patienten aus
Hollywood rollt fürs Oscar-Fest den roten Teppich aus, und Los Angeles
zankt über den Umgang mit Obdachlosen: Hospitäler sollen sie nicht mehr
aussetzen dürfen.
Von Dietmar Ostermann
In der Skid Row von Los Angeles ist man einiges gewöhnt. Das
Problemviertel im Schatten der schillernden Metropole im US-Staat
Kalifornien gilt als größte Obdachlosensiedlung der USA. Geschätzte 7000
Menschen leben hier auf der Straße, sie nächtigen in Hauseingängen und
Metroschächten, auf Pappkartons und in Zelten.
Was sich hier am 6. Februar abspielte, empörte aber selbst die
hartgesottenen Menschen der Skid Row: Passanten beobachteten, wie ein
Fahrer des Hollywood Presbyterian Medical Center einen Mann im
Krankenhauskittel aussetzte, dem noch ein Kolostomiebeutel an der Hüfte
baumelte. Der Obdachlose, seit einem Autounfall 1990
querschnittsgelähmt, kroch hilflos über den Bürgersteig.
Der Vorfall beschäftigt in Kalifornien jetzt Öffentlichkeit und Politik.
Die Behörden in Los Angeles ermitteln bereits in 55 ähnlichen Fällen.
Die Polizei will künftig jeden festnehmen, der obdachlose Patienten in
der Skid Row aussetzt. Weil bislang aber die gesetzliche Handhabe fehlt,
legte der kalifornische Senator Gil Cedillo eine Novelle vor, die
Krankenhäusern das "Dumping" von Obdachlosen verbieten soll.
Verantwortlichen Krankenhausmitarbeitern sollen bis zu zwei Jahre Haft
angedroht werden, Spitälern Bußen von bis zu 10 000 Dollar.
Dagegen verwahrt sich die Vereinigung der Krankenhäuser Südkaliforniens:
"Das Problem ist das Fehlen ausreichender Einrichtungen für obdachlose
und bedürftige Menschen", erklärte eine Sprecherin. Die Krankenhäuser
müssten schon jetzt jährlich zwei Milliarden Dollar für die Versorgung
von Patienten aufbringen, die dafür nicht zahlen könnten. Der
Gesetzentwurf ignoriere die Wurzel des Problems, kommentierte auch die
Los Angeles Times. Wenn Obdachlosen-Asyle überfüllt seien und die
Aufnahme ablehnten, bleibe Krankenhäusern oft keine Wahl.
Dass bedürftige Patienten überhaupt derart hin- und hergeschoben werden,
liegt eben auch am System. Die USA sind das einzige Industrieland ohne
allgemeine Versicherungspflicht. Für die mehr als 44 Millionen Menschen
ohne Krankenversicherung gilt: Können sie nicht zahlen, lehnen Ärzte
meist eine Behandlung ab. Erst wenn ein akuter Notfall eintritt, müssen
Krankenhäuser auf eigene Rechnung auch nichtversicherte Patienten
behandeln. Sobald sich deren Zustand bessert, werden sie entlassen -- oft
bis zum nächsten Notfall. Selbst bei Menschen mit chronischen
Krankheiten wie Diabetes sind Krankenhäuser nur verpflichtet,
Empfehlungen zur weiteren Behandlung auszusprechen. Haben sie Glück,
helfen karitative Einrichtungen weiter. Für viele Obdachlose, aber
längst nicht nur für sie, ist das ein makabres Spiel auf Leben und Tod.
CWEINEL
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 47)
Datum: Samstag, den 24. Februar 2007
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