Düsseldorf krimineller als Köln? VON STEFANI GEILHAUSEN
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Publikation |
Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH |
Lokalausgabe |
Rheinische Post Düsseldorf |
Erscheinungstag |
Montag, den 29. August 2011 |
Seite |
19 |
Kriminalitätsstatistik
zuletzt aktualisiert: 30.08.2011 - 02:30
Düsseldorf (RP). Herbert Schenkelberg hält nicht
viel von statistischen Vergleichen, nach denen die NRW-Hauptstadt die
viertgefährlichste deutsche Großstadt sein soll. Zu viele Faktoren blieben
dabei unberücksichtigt. Für die Statistik gibt es keinen Unterschied zwischen
Schwarzfahren und Mord.
Tatgelegenheit Demonstration (jährlich circa 200 in
Düsseldorf): Delikte wie das Zeigen von verbotenen Plakaten, Beleidigung,
Widerstand, Körperverletzung kommen hier besonders oft vor.Foto:
Andreas Bretz
In der bundesweiten Kriminalitätsstatistik sind für Düsseldorf
80 784 Straftaten im Jahr 2010 registriert, die nach einem Verteilungsschlüssel
auf 100.000 Einwohner die viert-höchste
Kriminalitätszahl unter den deutschen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern
ergeben.
Dabei, so Polizeipräsident Herbert Schenkelberg, sagen absolute
Zahlen nichts über die tatsächliche Kriminalität aus. "Wir erfassen doch
nur, was uns bekannt wird." Etwa durch Anzeigen. Und das ist regional
unterschiedlich. So melden nicht alle Verkehrsbetriebe Schwarzfahrer der
Polizei, erstattet nicht jedes Kaufhaus Strafanzeige gegen Ladendiebe.
Info
Kriminalitätshäufigkeit
Die Innenminister der Länder haben eine Berechnung der Kriminalität
beschlossen, mit denen die Polizeichefs in kaum einer Stadt zufrieden sind:
Tötungsdelikte, Schwarzfahrten, Sexualverbrechen und Beleidigung - alle Taten
werden gleichwertig addiert, mit 100 000 multipliziert und dann durch die Zahl
der Einwohner inklusive Neugeborener dividiert.
Faktor Strafanzeigen
Das Anzeigenaufkommen hat sich dennoch allgemein erhöht. So
steht es in Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes, dass
mehr Körperverletzungsdelikte durch häusliche Gewalt angezeigt werden.
"Auch unsere Zusammenarbeit mit den Schulen hat für Veränderungen
gesorgt", sagt Schenkelberg. Während bis vor einigen Jahren Gewalt oder
Raub auf Schulhöfen eher als internes Delikt behandelt wurden, seien Schulen
heute eher bereit, Anzeigen zu erstatten, um so den Kampf gegen
Jugendkriminalität zu unterstützen.
Faktor Internet
Aktuell ermittelt die Kripo Düsseldorf in einem Betrugsfall mit
etlichen Opfern, weil der Täter seine – frei erfundene – Adresse in Düsseldorf
angesiedelt hatte. Auch Anlagebetrüger locken ihre Opfer oft mit schicken Kö-Adressen im Briefkopf. Da können mit einem Fall leicht
über tausend Anzeigen zusammenkommen. "Jede ist ein Strich in der
Statistik", sagt Schenkelberg. Aber beim Spaziergang durch Düsseldorf eben
nicht gefährlich.
Faktor Polizeipräsenz
Gerade die Altstadt zeige, so der Polizeipräsident: "Wenn
wir viele sind, sehen wir auch viel." Eine Schlägerei zwischen zwei
Betrunkenen würde vermutlich ohne Strafanzeigen enden. Sind Polizisten am Ort,
müssen sie eingreifen. Sogar die Videoüberwachung am Bolker
Stern verschlechtert Jahr für Jahr die Düsseldorfer Zahlen, weil "wir
dadurch Straftaten erkennen, die wir ohne Kamera gar nicht gesehen
hätten", so Schenkelberg.
Faktor Sicherheit
Immer mehr Einbruchsversuche scheitern an den verstärkten
Sicherheitseinrichtungen. Eigentlich ist es also ein gutes Zeichen, dass die
Zahl der gescheiterten Einbruchsversuche steigt. Nur für die Statistik macht
das keinen Unterschied. Der Versuch wird wie ein vollendeter Einbruch gezählt.
Faktor Kontrollen
"Würden wir die Arbeit der Drogenfahndung einstellen,
hätten wir im nächsten Jahr die niedrigsten Fallzahlen aller Zeiten", sagt
der Polizeipräsident. Denn weil der Junkie, der beim Dealer Drogen kauft, das
nicht anschließend anzeigt, wird so ein Händler nur durch Polizeiarbeit
entlarvt. Je höher die gezählte Drogenkriminalität, desto mehr hat die Polizei
in dem Bereich getan. Auch die Zahl der Schwarzfahrer steigt nicht, weil die
sich selbst anzeigen. Sondern, weil die Rheinbahn ihre Kontrollen verstärkt hat
– allein voriges Jahr rund 5000 Striche für die Statistik.
Faktor Tatgelegenheit
Dass Düsseldorf nicht nur aus seinen hier gemeldeten Bürgern
besteht, wird in der Statistik ebenfalls nicht berücksichtigt. Täglich sind um
die 300 000 Pendler in der Stadt, dazu Touristen und Messegäste. Berechnet
wird die Kriminalitätszahl aber nur auf Basis der 586 217 Einwohner.
Die Messe, zahlreiche Großveranstaltungen, und der Flughafen auf
Stadtgebiet sind laut Schenkelberg auch zusätzliche Tatgelegenheiten, die es
nicht in jeder anderen Stadt gibt. Passvergehen am Flughafen etwa zähle die
Polizei im – statistisch gesehen sehr sicheren – Stuttgart nicht mit: Der
Flughafen liegt außerhalb des Stadtgebiets.
Quelle: RP