Diese Düsseldorfer sind dagegen
Vor der Ratssitzung hatten sich hunderte Protestierer am
Rathausplatz eingefunden, um gegen unterschiedliche Dinge zu demonstrieren. Es
ging um Tarifstreit, Kita-Erhalt, Allwetterbad in Flingern, die Kastration von Katzen, Wohnungsnot - und alle
waren irgendwie solidarisch.
VON THORSTEN BREITKOPF UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)
Britta Wortmann steht mit einem Megaphon auf dem
Rathausplatz. Angespannt blickt die Verdi-Sekretärin zur Kundgebung der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie
hat nur noch 20 Minuten bis zur Ratssitzung. Doch solange die NGG-Lautsprecher
tönen, ist ihr Megaphon machtlos.
NGG-Chef Dieter Schorrmann spricht
zu hundert Mitarbeitern des Suppenherstellers Zamek.
Sie tragen weiß-rote Westen, schwenken NGG-Fahnen. Das dauert. Auf einen Satz
des Gewerkschaftsfunktionärs folgt immer ein unterstützendes
Trillerpfeifenkonzert. Schorrmann spricht - pfeifen.
Die Zamekianer streiken seit Wochen, es geht um
Urlaubsgeld, Haustarif und die Drohung, das Werk zu schließen. Eigentlich ist
die Einigung schon zum Greifen nah. Der Vertrag des Arbeitgebers ist schon auf
dem Postweg zur NGG. Bald steht wohl die Urabstimmung an. Doch die NGGler kämpfen bis zum Schluss. Auch Schorrmann
findet kämpferische Worte. Dann verliest eine Frau die Solidaritätsbekundung
der IG Metall. Die Menge jubelt. Ein Hauch von 1. Mai weht über den
Rathausplatz. Dann bekundet Schorrmann seine
Solidarität - mit den Erzieherinnen von Verdi. „Wenn die Zamek-Mitarbeiter
mehr verdienten, wär? auch mehr Geld für Kindergärten
da“, sagt Schorrmann.
80 Erzieherinnen und viele Eltern haben sich im Kreis um
Britta Wortmann versammelt. Es geht um die Privatisierung von 20 städtischen Kitas. Die Erzieherinnen sollen bei der Stadt bleiben. „Die
Kinder verlieren ihre Bezugspersonen. Außerdem brauchen wir eine Vielfalt von
Trägern bei Kitas, und die ist in Gefahr“, sagt
Wortmann. Durchs Megaphon beschreibt sie, wie menschenverachtend Verdi die
Privatisierung der Kindergärten findet. „Sparmarkt statt Jahrmarkt“ heißt das
Motto, und an Ständen wie Hau den Lukas oder einer Wurfbude kann man
Kindertagesstätten schließen. Es ist der Gegenentwurf zur NGG-Demo. Eines darf
am Ende dennoch nicht fehlen: die Solidaritätsbekundung für die Kollegen bei Zamek: „Gegen die Unsicherheit - wir führen den gleichen
Kampf“, sagt Wortmann.
Sigrid Weinreich trägt ein Schild mit der Aufschrift:
„Allwetterbad - wir ham?s
gebaut, wir wolln?s erhalten.“ Früher ging die
78-Jährige zu Mai-Kundgebungen in den Hofgarten. Jetzt kämpft sie für das Flingeraner Bad. „Als ich die Trillerpfeifen hörte, dachte
ich, das wäre mein Verein“, sagt Weinreich. Doch ihre Demo ist kleiner als die
lautstarken von Verdi und NGG. Mit 20 Aktiven - die meisten mit grauem Haar -
übergibt sie eine Liste mit 2800 Unterschriften an Dezernent Burkhard
Hintzsche. Die Allwetter-Bad-Aktivisten wirken bürgerlich, gesittet aber in
ihrem Kampf ums Bad nicht weniger entschlossen als die anderen Protestler.
Solidarität erfahren auch sie. „Ich fühle mit Ihnen, ich hab da schwimmen
gelernt“, etwa DGB-Chef Klaus Reuter, der zuvor zu den NGG-Arbeitern gesprochen
hatte.
Elke Ackermann vom Katzenschutzbund sammelt Unterschriften
für Kastrationen von freilaufenden Katzen. „Meine Demo ist nicht angemeldet“,
sagt Ackermann. Sie fürchtet Ärger. Den bekommt sie aber nicht. Sie ist allein
auf ihrer Demo. Doch die Solidarität der anderen Demonstranten ist ihr sicher.
Keiner bei Verdi, Zamek oder Schwimmern verweigert
ihr die Unterstützungsunterschrift.
Die letzte Demonstration des Tages findet um 17 Uhr vor dem
Rathaus statt. Vorher war dort kein Platz. Oliver Ongaro
vom Obdachlosenmagazin fifityfifty spricht zu 60
Zuhörern. „Düsseldorf ist nicht nur eine Stadt für Schöne und Reiche. Ein Dach
über dem Kopf ist ein Grundbedürfnis“, sagt Ongaro.
7000 Wohnungen würden fehlen. „Das trifft vor allem die Armen.“
http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldorf/nachrichten/vier-demos-vor-dem-rathaus-1.3001562
Bilder:
http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldorf/nachrichten/wohnungsmarkt-duesseldorfer-protestieren-1.3001474
Ratsherrn streiten um Mieten in Düsseldorf - auch juristisch
(dr) Das Thema „preiswerter
Wohnraum“ beschäftigt jetzt auch Juristen. Denn CDU-Ratsherr Alexander Fils hat
gegen den Linke-Ratsherrn Frank Laubenburg Anzeige
wegen Betrugs erstattet. Hintergrund ist, dass Laubenburg unter dem Namen von
Fils eine Anzeige geschaltet und dort auch dessen Handy-Nummer angegeben hatte
mit dem Hinweis, anzurufen, wenn man eine Mietwohnung von unter fünf Euro pro
Quadratmeter suche. Dass es die auch im teuren Düsseldorf gibt, hatte Fils
zuvor behauptet. Jetzt kann er es auch mit Fotos belegen: Im Süden der Stadt
stieß er auf einen Preis von 4,25 Euro/m2, in Flingern
von 4,43 Euro/m2.
Wohnen für 4,25 Euro pro Quadratmeter im Düsseldorfer Süden.
Foto: Fils
[]
Publikation
Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Lokalausgabe
Rheinische Post Düsseldorf
Erscheinungstag
Freitag, den 21. September 2012
Seite
19
Lokalzeit 20.9.:
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/lokalzeit_duesseldorf.xml