Die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen nimmt laut der neuesten

        Kriminalstatistik weiter zu. Besorgniserregend sei der Anstieg

        der Verdächtigen bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung

        um 6,3 Prozent, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble

        (CDU). Laut Statistik wurden insgesamt aber erneut weniger

        Straftaten erfasst -- ihre Zahl ging um 0,3 Prozent zurück.

        Seiten 5, 13

 

 

  Schäubles Sorgen mit der Jugend

 

 

    Die Kriminalstatistik 2007 belegt höhere Gewaltbereitschaft unter

    jungen Leuten

 

 

        Von Jana Schulze

 

 

        Berlin. Die Nachricht macht Angst: Immer mehr junge Menschen

        zwischen 14 und 18 Jahren schlagen brutal zu, überfallen oder

        drangsalieren ihre Mitmenschen. Die Gewaltbereitschaft

        jugendlicher Krimineller nimmt zu. Das belegen die Zahlen der

        polizeilichen Kriminalstatistik 2007, die Bundesinnenminister

        Wolfgang Schäuble und der Vorsitzende der

        Innenministerkonferenz, Jörg Schönbohm (beide CDU), am

        Donnerstag in Berlin vorstellten.

 

 

        "Besonders auffällig und besorgniserregend ist der Anstieg um

        6,3 Prozent bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung",

        sagte Schäuble. Als einen Grund sehe er das besinnungslose

        Betrinken von Jugendlichen etwa auf sogenannten Flatrate-Partys.

        Dabei listet die Polizei in ihrer Statistik auch immer mehr mehr

        heranwachsende Frauen (4,9 Prozent mehr als im Vorjahr) auf, die

        gewalttätig wurden.

 

 

        "Gewalt ist ein erhebliches Problem in unserer Gesellschaft und

        das bereitet mir Sorgen", sagte der Innenminister und

        appellierte an die Eltern, mehr Verantwortung für die Kinder und

        Jugendlichen zu übernehmen. Um sich einen republikweiten

        Überblick darüber zu verschaffen, wie gewaltbereit der Nachwuchs

        wirklich ist, befrage sein Ministerium derzeit gemeinsam mit dem

        Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen unter der

        Leitung von Christian Pfeiffer 50 000 Schüler.

 

 

        Im April hatte bereits eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der

        Innenministerkonferenz ein bundesweites Lagebild über kriminelle

        Jugendliche abgeliefert. Danach war bei Gewaltdelikten die Zahl

        der Tatverdächtigen unter 21 Jahren seit 1997 deutlich

        gestiegen. Kriminologen hatten diese Angaben allerdings auf eine

        steigende Anzeigebereitschaft und eine "Aufhellung des

        Dunkelfelds" zurückgeführt.

 

 

        Insgesamt kletterte laut Statistik im vergangenen Jahr die Zahl

        aller Fälle von Gewaltkriminalität um 1,1 Prozent auf 218 000.

        Unter Jugendlichen allerdings stieg die Zahl der Gewalttäter um

        4,9 Prozent im Vergleich zu 2007. In der Gesamtrechnung

        reduzierten sich die Straftaten bei den 14- bis 18-Jährigen um

        0,4 Prozent.

 

 

        "Alarmierend" sei auch die wachsende Computerkriminalität in

        2007, sagte Brandenburgs Innenminister Schönbohm. Dabei würden

        die Täter immer professioneller. 62 944 Fälle und damit einen

        Anstieg von 6,4 Prozent listet die Statistik auf und nennt

        gefälschte Zahlungskarten und Schecks, das Ausspähen von Daten

        sowie die Softwarepiraterie etwa bei Computerspielen als

        häufigste Vergehen.

 

 

        Trotz der unrühmlichen Zahlen über junge Kriminelle gaben sich

        Schäuble und Schönbohm zufrieden mit der neuen Statistik: Die

        Wirtschaftskriminalität etwa habe nach drei Jahren erstmals um

        8,3 Prozent abgenommen; es gebe weniger Diebstähle, besonders

        von Autos, zu vermelden. Auch das Projekt Kuno gegen den

        Missbrauch von EC-Kartennutzung ohne PIN sei ein "Erfolg".

 

 

        Die hohe Aufklärungsquote von 55 Prozent konnte gehalten werden,

        resümierte Schäuble. Deutschland sei nach wie vor eines der

        sichersten Länder der Welt."Dies wäre ohne den couragierten

        Einsatz und die ausgezeichnete Arbeit der Polizeibeamten des

        Bundes und der Länder nicht möglich", lobte Schäuble.

 

 

        Statt sich über dieses Lob zu freuen, polterte die Gewerkschaft

        der Polizei (GdP) zurück: Durch die mangelnde Präsenz von

        Ordnungskräften fühlten sich Jugendliche in der Öffentlichkeit

        nahezu unbeaufsichtigt und unbehelligt, sagte der GdP-Chef

        Konrad Freiberg. "Der Personalabbau bei Polizei und

        Sicherheitskräften im öffentlichen Nahverkehr hat zu einer

        erhöhten Gefährdung der Bürger geführt." Die neueste Statistik

        spreche von 155 000 Fällen gefährlicher und schwerer

        Körperverletzung. Die Polizeigewerkschaft registriere dagegen

        insgesamt "über eine halbe Million Körperverletzungen pro Jahr",

        sagte Freiberg. "Und das sind nur die Fälle, die der Polizei

        bekannt sind."

 

 

        Die Bundestags-Grünen reagierten auf die alarmierenden Zahlen

        jugendlicher Straftäter mit einer Forderung nach "früher

        Prävention und schnelleren Reaktionen auf Gewalttaten". "Es

        bedarf keiner neuen Gesetze", sagte der jugendpolitische

        Sprecher Kai Gehring, "sondern wir brauchen mehr Personal und

        verbesserte Verfahrensabläufe."

 

 

          SCHULZE

 

 

 

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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 118)

Datum: Freitag, den 23. Mai 2008

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