Bus und Bahn
Sozialticket wechselt schon wieder die Farbe
Auf Berg- und Talfahrt: der Preis für das Sozialticket.
In der Erstauflage kostete es15 Euro, inzwischen werden 31,20 Euro verlangt und
ab November sollen es 29,90 Euro sein. Montage: Martin Möller
Dortmund. Aus rein machtpolitischen Erwägungen
könnte es in Dortmund zu einer weiteren Umverteilungsaktion zugunsten der
Menschen mit kleinen Einkommen kommen.
Aus rein machtpolitischen Erwägungen könnte es in Dortmund zu einer weiteren
Umverteilungsaktion zugunsten der Menschen mit kleinen Einkommen kommen.
In Dortmund hatten die Christdemokraten Zeter und Mordio geschrien,
als sich die SPD zwei Jahre vor der Kommunalwahl 2009 von den Grünen, ihren
damaligen Mehrheitsbeschaffern im Rat, zu dem Modellversuch mit einem
ÖPNV-Billigticket für Arme hinreißen ließ. Ab 1. Februar konnten Inhaber des
Dortmund-Passes ein Ticket1000 (ab neun Uhr, keine Mitnahme) im Jahres-Abo für
15 Euro im Monat beziehen.
Selbst dem damaligen OB Dr. Gerhard Langemeyer (SPD)
passte die Wohltat ins Konzept. Hatte er sich doch gerade von den
Gewerkschaften davon überzeugen lassen, dass es seiner Wiederwahl nicht schaden
könnte, ein Programm „Soziale Stadt“ aufzulegen. Da kam das Millionen
verschlingende Sozialticket als Zugpferd gerade recht.
Unmittelbar nach der Kommunalwahl platze der städtische Doppelhaushalt, kurz
darauf auch das rot-grüne Bündnis im Rat. Ab sofort ließ sich die größte
Ratsfraktion (SPD) in allen wichtigen Fragen von den Schwarzen den Steigbügel
halten; die nahmen kleinere Preise als die Grünen.
Konsequenz: Der Preis fürs Sozialticket verdoppelte sich. Die Zahl der
Nutzer, die zwischenzeitlich auf 24 500 hochgeschnellt war, fiel auf 7600
zurück. Nun waren es die Grünen, die im Chor mit den Gewerkschaften, aufschrien.
Inzwischen hat sich der Wind erneut gedreht. Nicht im Dortmunder
Stadtparlament, wohl aber in der Verbandsversammlung des Verkehrsverbunds
Rhein-Ruhr.
Da wollte die CDU den machtverwöhnten Roten mal
richtig die rote Karte zeigen und tat sich mit den Grünen zusammen. Was
selbstverständlich auch politische Preise kostet. Nicht der Geringste: Die CDU
im VRR stimmte einem verbundweiten Modellversuch mit einem Sozialticket zu.
Jede Mitgliedskommune kann es einführen, muss aber nicht.
Zum 1. November könnte ein ebenfalls stadtweit gültiges Sozialticket kommen,
dessen Preis mit 29,90 Euro zwar nur geringfügig fällt, das aber weitaus
bessere Konditionen bietet. Man muss es nicht im Jahres-Abo kaufen, es gilt
rund um die Uhr und gestattet etwa, bis zu drei Kinder kostenlos mitzunehmen.
Der Kreis der Berechtigten dürfte sich auf etwa 100 000 Dortmunder
vergrößern. Die Entscheidung wird vermutlich erst nach der Sommerpause im Rat
fallen.
Spannende Frage: Welche Mehrkosten und Mindereinnahmen entstehen an welcher
Stelle, wie wird das zusätzliche Defizit gedeckt? Welche Rechnung OB Ullrich Sierau dem Rat aufmachen wird, ist
noch ungewiss.
Klar ist: Auch das neue Sozialticket wird Mehrkosten verursachen. Wieder
weiß niemand, wie viele von einer teureren Monatskarte umsteigen. Seinerzeit
hatten Stadt und Stadtwerke mit 6000 bis 10 000 Käufern des
15-Euro-Tickets gerechnet; es wurden mehr als doppelt so viele, wie für den
teuersten Fall prognostiziert waren.
Auch weiß niemand, wie viele VRR-Städte mitmachen.
Sind es viele oder gar alle, dann dürfte der Landeszuschuss hinten und vorne
nicht reichen. Sind es nur wenige, könnte der Preis des neuen Ticket die Kosten decken. Weil viele Fragen noch offen sind,
kalkuliert Verkehrsvorstand Hubert Jung die Kosten mit kaufmännischer Vorsicht:
Sie könnten bei 800 000, aber auch bei zwei Mio
Euro liegen.
Wer soll das bezahlen? Vor allem für die CDU dürfte das die Gretchenfrage
werden. Denn sie erweckt mitunter den Eindruck, als liege ihr insbesondere die
Kasse des Stadtwerke-Konzerns eher am Herzen als der
Etat der Stadt.
Kann sie dann - mit Rücksicht auf eine schwarz-grüne Machtoption - dabei
mitmachen, dass die Stadt-Mutter ihren Energie-, Wasser-, Verkehrs- und
Immobilienkonzern durch öffentlich vorgeführten Rückgriff auf den eigenen
Haushalt schadlos stellt, sich das Geld aber bei nächster Gelegenheit - wie es
beim ersten Dortmunder Modellversuch mit den Sozialticket praktiziert worden
sein soll - auf verschlungenen Wegen in den Etat zurückholt?
http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/Sozialticket-wechselt-schon-wieder-die-Farbe-id4871095.html