Billig-Strom für Arme?

 

WAZ <http://www.derwesten.de/nachrichten/waz.html>, 02.05.2008, Ulf Meinke

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Berlin. Umweltminister Gabriel fordert "Energie-Sozialtarife" -- zum

Ärger der Stadtwerke. Die Versorger drohen nun mit Preiserhöhungen auf

breiter Front.

 

Günstigere Gas- und Stromtarife für Bedürftige -- so lautet eine Idee,

die Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in die Tat umsetzen will.

In einem so reichen Land wie Deutschland dürfe es "keine Energie- oder

Brennstoffarmut" geben, sagte er. Doch die Wirtschaft wehrt sich

vehement gegen die Einführung von "Energie-Sozialtarifen" beispielsweise

für Hartz-IV-Empfänger. Nun holen die Stadtwerke zum Gegenschlag aus und

drohen mit Preiserhöhungen auf breiter Front, sollte der Gabriel-Plan

Realität werden.

 

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Foto: afp (AFP)

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Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Foto: afp

 

In einem Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion wettert der Verband

kommunaler Unternehmen (VKU) gegen die Pläne des Ministers: "Für die

Gesamtheit der Kunden bedeutete die Einführung eines Sozialtarifs die

Unterstützung bestimmter Bevölkerungsgruppen ergänzend zu den

staatlichen Steuer- und Sozialversicherungssystemen. Zugleich würden

sich die Energiepreise und Belastungen für alle übrigen Kunden erhöhen",

heißt es in dem Papier, das der WAZ vorliegt. Der VKU vertritt rund 700

kommunale Energieversorger, zumeist Stadtwerke.

 

Der Brief an die SPD liest sich wie eine Standpauke in Sachen

Ordnungspolitik. "Grundsätzlich ist es Aufgabe des Staates, im Rahmen

der Sozialpolitik über steuerfinanzierte Instrumente oder andere

Regelungen für eine Unterstützung bedürftiger Bevölkerungsgruppen zu

sorgen. Stadtwerke können als Wirtschaftsunternehmen diese Aufgabe nicht

übernehmen", schreibt der VKU den Genossen.

 

(dpa)

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Doch die Sozialdemokraten bleiben hart und wollen die Einführung von

Sozialtarifen notfalls per Gesetz erzwingen. "Wenn die Energieversorger

eine gesetzliche Lösung vermeiden wollen, müssen sie eine

Selbstverpflichtung vorlegen", sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber

dieser Zeitung. Der SPD-Politiker verweist auf die hohen Gewinne der

Unternehmen und argumentiert: "Die Antwort auf die gestiegenen

Energiepreise kann nicht sein, dass der Staat für höhere Sozialtransfers

zu sorgen hat." Die Union ist in dieser Frage allerdings deutlich

skeptischer als ihr Koalitionspartner.

 

Der Energieriese Eon bietet bedürftigen Kunden schon jetzt einen

Sondertarif an, ebenso Rhein-Energie in Köln und die Stadtwerke Bonn.

Generell, so ist zu hören, lehnen indes weite Teile der

Energiewirtschaft den Gabriel-Plan ab. Energiekonzerne als Samariter?

Die Strom- und Gasbranche verweist darauf, dass der Einzelhandel auch

nicht zu einem günstigeren Butterpreis für Bedürftige verpflichtet

werde, ebenso wenig wie die Reisebranche Sondertarife für arme Familien

anbieten müsse.

 

Sozialtarif

Der Marktführer Eon befreit schon jetzt sozial schwache Haushalte von

der Grundgebühr.

 

Je nach Region liegt die Ersparnis zwischen 60 und 120 Euro. Als

Nachweis der Bedürftigkeit gilt die Befreiung von der Rundfunkgebühr.

Der Essener Konkurrent RWE prüft noch, ob sich "ein Sozialtarif

realisieren lässt". Andere Unternehmen -- etwa EnBW -- lehnen die Idee

strikt ab.

 

Jedenfalls reißt die Debatte über Konsequenzen aus den hohen

Energiepreisen nicht ab. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte bereits

gefordert, für Energie nur noch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von

sieben Prozent zu erheben. Die Energiekosten seien "der Brotpreis des

21. Jahrhunderts", begründete der Liberale seinen Vorstoß. Fahren und

Heizen, ob mit Öl, Strom oder Gas, dürfe kein Luxus werden.

 

NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hatte angekündigt, sie

wolle erreichen, dass Energieversorger säumige Kunden nicht mehr so

schnell wie bisher von der Strom- oder Gasversorgung abschneiden können.

Bislang kann die Zufuhr unterbrechen werden, wenn der Kunde mit mehr als

100 Euro in der Kreide steht. "Wenn wir die Grenze heraufsetzen, würde

das etwas helfen", hofft Thoben.