Billig-Strom für Arme?
WAZ <http://www.derwesten.de/nachrichten/waz.html>,
02.05.2008, Ulf Meinke
, 43 Kommentare
<http://www.derwesten.de/nachrichten/waz/2008/5/2/news-43013168/detail.html#comments>
Berlin. Umweltminister Gabriel fordert
"Energie-Sozialtarife" -- zum
Ärger der Stadtwerke. Die Versorger drohen nun mit
Preiserhöhungen auf
breiter Front.
Günstigere Gas- und Stromtarife für Bedürftige -- so lautet
eine Idee,
die Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel (SPD) in die Tat umsetzen will.
In einem so reichen Land wie Deutschland dürfe es
"keine Energie- oder
Brennstoffarmut" geben, sagte er. Doch die Wirtschaft
wehrt sich
vehement gegen die Einführung von
"Energie-Sozialtarifen" beispielsweise
für Hartz-IV-Empfänger. Nun holen
die Stadtwerke zum Gegenschlag aus und
drohen mit Preiserhöhungen auf breiter Front, sollte der
Gabriel-Plan
Realität werden.
Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel (SPD). Foto: afp (AFP)
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Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel (SPD). Foto: afp
In einem Schreiben an die SPD-Bundestagsfraktion wettert der
Verband
kommunaler Unternehmen (VKU) gegen die Pläne des Ministers:
"Für die
Gesamtheit der Kunden bedeutete die Einführung eines
Sozialtarifs die
Unterstützung bestimmter Bevölkerungsgruppen ergänzend zu
den
staatlichen Steuer- und Sozialversicherungssystemen.
Zugleich würden
sich die Energiepreise und Belastungen für alle übrigen
Kunden erhöhen",
heißt es in dem Papier, das der WAZ vorliegt. Der VKU
vertritt rund 700
kommunale Energieversorger, zumeist Stadtwerke.
Der Brief an die SPD liest sich wie eine Standpauke in
Sachen
Ordnungspolitik. "Grundsätzlich ist es Aufgabe des
Staates, im Rahmen
der Sozialpolitik über steuerfinanzierte Instrumente oder
andere
Regelungen für eine Unterstützung bedürftiger
Bevölkerungsgruppen zu
sorgen. Stadtwerke können als Wirtschaftsunternehmen diese
Aufgabe nicht
übernehmen", schreibt der VKU den Genossen.
(dpa)
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Doch die Sozialdemokraten bleiben hart und wollen die
Einführung von
Sozialtarifen notfalls per Gesetz erzwingen. "Wenn die
Energieversorger
eine gesetzliche Lösung vermeiden wollen, müssen sie eine
Selbstverpflichtung vorlegen", sagte SPD-Fraktionsvize
Ulrich Kelber
dieser Zeitung. Der SPD-Politiker verweist auf die hohen
Gewinne der
Unternehmen und argumentiert: "Die Antwort auf die
gestiegenen
Energiepreise kann nicht sein, dass der Staat für höhere
Sozialtransfers
zu sorgen hat." Die Union ist in dieser Frage
allerdings deutlich
skeptischer als ihr Koalitionspartner.
Der Energieriese Eon bietet
bedürftigen Kunden schon jetzt einen
Sondertarif an, ebenso Rhein-Energie in Köln und die
Stadtwerke Bonn.
Generell, so ist zu hören, lehnen indes weite Teile der
Energiewirtschaft den Gabriel-Plan ab. Energiekonzerne als
Samariter?
Die Strom- und Gasbranche verweist darauf, dass der
Einzelhandel auch
nicht zu einem günstigeren Butterpreis für Bedürftige
verpflichtet
werde, ebenso wenig wie die Reisebranche Sondertarife für
arme Familien
anbieten müsse.
Sozialtarif
Der Marktführer Eon befreit schon
jetzt sozial schwache Haushalte von
der Grundgebühr.
Je nach Region liegt die Ersparnis zwischen 60 und 120 Euro.
Als
Nachweis der Bedürftigkeit gilt die Befreiung von der
Rundfunkgebühr.
Der Essener Konkurrent RWE prüft noch, ob sich "ein
Sozialtarif
realisieren lässt". Andere Unternehmen -- etwa EnBW -- lehnen die Idee
strikt ab.
Jedenfalls reißt die Debatte über Konsequenzen aus den hohen
Energiepreisen nicht ab. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte
bereits
gefordert, für Energie nur noch den ermäßigten
Mehrwertsteuersatz von
sieben Prozent zu erheben. Die Energiekosten seien "der
Brotpreis des
21. Jahrhunderts", begründete der Liberale seinen
Vorstoß. Fahren und
Heizen, ob mit Öl, Strom oder Gas, dürfe kein Luxus werden.
NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben
(CDU) hatte angekündigt, sie
wolle erreichen, dass Energieversorger säumige Kunden nicht
mehr so
schnell wie bisher von der Strom- oder Gasversorgung
abschneiden können.
Bislang kann die Zufuhr unterbrechen werden, wenn der Kunde
mit mehr als
100 Euro in der Kreide steht.
"Wenn wir die Grenze heraufsetzen, würde
das etwas helfen", hofft Thoben.