Auch Unterforderung
kann krank machen
DAK-Studie sieht junge Menschen stark betroffen / Psychische
Krankheiten am Arbeitsplatz nehmen zu
Von Timot Szent-Ivanyi
Berlin. Junge Menschen fühlen sich in ihrem Job häufig
unwohl, weil sie sich unterfordert fühlen. Zu diesem Ergebnis kommt eine
repräsentative Umfrage der Krankenkasse DAK. Darin gaben 60 Prozent der
befragten Arbeitnehmer im Alter zwischen 18 und 29 Jahren an, sie könnten mehr
leisten als im Job verlangt wird.
DAK-Chef Herbert Rebscher sagte, eine Unterforderung könne
genauso wie eine Überforderung Stress verursachen, der womöglich zu einer
physischen Erkrankung führt. "In der Arbeitsorganisation und im
betrieblichen Gesundheitsmanagement sollte der Fokus nicht nur auf
Überforderung und Burn-Out gerichtet sein, sondern
auch darauf, wie sich Unterforderung auswirkt", forderte er.
Die Auswertung der DAK- Statistik aus dem vergangenen Jahr
ergab, dass auch bei jungen Arbeitnehmern psychische Krankheiten zunehmen.
Jeder zehnte zwischen 15 und 29 Jahren hat Schmerzen oder andere körperliche
Probleme ohne organische Ursache, oft begleitet von Depressionen. Zu den
häufigsten Krankheiten dieser Altersgruppe gehören den Zahlen zufolge unter
anderem Rückenschmerzen. Schon jeder fünfte junge Erwerbstätige musste deshalb
in Behandlung. Fettsucht und Bluthochdruck zählen mit einem Anteil von jeweils
knapp sechs Prozent bereits zu den 40 am häufigsten behandelten Leiden. Diese
Zahlen zeigten, dass sich schon bei jungen Erwachsenen ernste und in der
Behandlung teure Zivilisationskrankheiten entwickeln. "Hier lassen sich
Warnzeichen für spätere chronische Erkrankungen wie Diabetes und
Arteriosklerose erkennen", betonte der Kassenchef am Dienstag.
Die Zahlen der DAK förderten noch ein anderes Ergebnis
zutage: Während des Aufschwungs meldeten sich im vergangenen Jahr nicht mehr
Arbeitnehmer krank als während der davorliegenden
Wirtschaftskrise. So betrug der Krankenstand (Zahl der an einem
durchschnittlichen Tag krankgeschriebenen Beschäftigten) wie 2009 etwa 3,4
Prozent. Damit gilt offenbar eine alte Faustformel nicht mehr: Bisher galt der
Grundsatz, dass die Zahl der Krankmeldungen mit der Wirtschaftslage
korrespondiert: In wirtschaftlich guten Zeiten melden sich die Arbeitnehmer
häufiger krank, weil sie dann weniger um ihren Job fürchten, während der
Krankenstand in wirtschaftlichen Schwächephasen niedrig ist.
"Der Krankenstand entwickelt sich weitgehend unabhängig
von konjunkturellen Verläufen", bilanzierte Rebscher. Erwerbstätige nähmen
die wirtschaftlichen Veränderungen offenbar nicht mehr als beständig wahr, da
sich die Halbwertszeiten der konjunkturellen Auf- und Abschwünge verkürzten.
Rebscher ist überzeugt, dass bei der künftigen Entwicklung des Krankenstandes zunehmend
der demografische Wandel in den Vordergrund rücken wird.
FR
16.02.2011 / Inland / Seite 5Inhalt
Mehr psychische Erkrankungen
Berlin. Berufstätige fehlen einer DAK-Studie zufolge am
Arbeitsplatz immer häufiger aufgrund von Depressionen oder anderen psychischen
Erkrankungen. Diese machten im vergangenen Jahr gut zwölf Prozent des gesamten
Krankenstandes aus und spielten damit eine beinahe doppelt so große Rolle wie
noch 1998, wie die Kasse bei Vorlage ihres Gesundheitsreports 2011 am Dienstag
in Berlin erklärte. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Fehltage wegen
psychischer Erkrankungen um 13,5 Prozent an. Dies sei um so
alarmierender, als der Krankenstand insgesamt auf niedrigem Niveau stabil
geblieben sei.
(AFP/jW)