Arbeitslosen wird weniger Vermögen erlaubt
Neue Regeln für Hartz
IV treten zum 1. August in Kraft / Umkehr der Beweislast bei eheähnlichen
Gemeinschaften
Ab 1. August gelten rund 50 Änderungen
beim Arbeitslosengeld (ALG) II. Es gelten schärfere Bestimmungen bei der
Anrechnung des Vermögens und der Einstufung als Bedarfsgemeinschaft.
Verwertbares Vermögen: Wer ALG II
erhalten will, darf nur noch verwertbare Rücklagen in Höhe von 150 Euro pro
Lebensjahr haben. Bisher waren 200 Euro pro Jahr für einen Erwachsenen erlaubt.
Für diejenigen, die vor 1948 geboren wurden, gelten unverändert höhere
Freibeträge von 520 Euro pro Lebensjahr. Für Kinder unter 18 Jahren wurde der
Vermögensfreibetrag auf 3100 (vorher 4100) Euro gesenkt.
Altersvorsorge: Zusätzlich dürfen alle ALG-II-Bezieher noch Vermögen zur privaten Altersvorsorge
von 250 (vorher 200) Euro pro Lebensjahr besitzen. Dieser Zusatzfreibetrag wird
aber nicht gewährt, wenn die Rücklagen – zum Beispiel für Lebensversicherungen
– vor dem Rentenalter zu Geld gemacht werden können. Um das zu verhindern, kann
mit der Versicherung ein teilweiser Verwertungs-Ausschluss bis zur
Freibetragsgrenze vereinbart werden. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz ist
derzeit aber nur ein Ausschluss bis zu 200 Euro pro Lebensjahr drin. Der
Gesetzgeber hat – wie das Bundesarbeitsministerium zugibt – vergessen, die
Ausschluss-Beträge parallel zum ALG II auf 250 Euro pro Lebensjahr anzuheben.
Kein Betroffener soll allerdings wegen dieser Panne leer ausgehen, versichert
das Ministerium.
Übergangsregeln: Für diejenigen, die
schon ALG II erhalten, findet eine Überprüfung ihrer Vermögensverhältnisse erst
statt, wenn sie einen Weiterbewilligungsantrag stellen. Falls das verwertbare
Schonvermögen dann den gekürzten Freibetrag übersteigt, können Betroffene
innerhalb von zwei Monaten überschüssige Rücklagen zur privaten Alterssicherung
anlegen.
Eheähnliche Partner: Künftig soll es
leichter möglich sein, unverheiratete verdienende (oder vermögende) Partner,
mit denen ALG-II-Bezieher zusammenleben, zu Zahlungen
heranzuziehen. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, mussten bisher in
Zweifelsfällen die Ämter nachweisen. Jetzt wird die Beweislast umgekehrt.
Künftig sollen die Ämter laut Gesetz stets „vermuten“, dass eine Eheähnlichkeit
vorliegt, falls nur eines der folgenden vier Kriterien erfüllt ist: „Wenn
Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind
zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt
sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen“. Damit können aber
auch Menschen in einer Zweck-Wohngemeinschaft füreinander in Haftung genommen
werden – etwa wenn sie ein Jahr zusammenwohnen. Der Gesetzgeber gibt ihnen
allerdings die Gelegenheit, die Vermutung der Eheähnlichkeit zu widerlegen.
Patchworkfamilien:
(Ehe-)Partner müssen jetzt ihr Einkommen und Vermögen auch für nicht leibliche
Kinder einsetzen.
Kontrollen: Der Datenaustausch zwischen
Ämtern wird erleichtert, Außendienstkontrollen werden verstärkt. So sollen
verheimlichtes Vermögen im In- und Ausland sowie verschwiegene Einkünfte
aufgespürt werden.
Sofortangebote: Wer ALG II beantragt
und in den letzten beiden Jahren weder diese Leistung noch Arbeitslosengeld (I)
erhalten hat, soll bei der Antragstellung unverzüglich eine „Leistung zur
Eingliederung in Arbeit“ angeboten bekommen. Vielfach wird es sich dabei um
einen Ein-Euro-Job oder eine Trainingsmaßnahme handeln.
Erreichbarkeit/Urlaub: ALG-II-Bezieher müssen an Werktagen persönlich Post vom Amt
zur Kenntnis nehmen können. Drei Wochen im Jahr dürfen sie mit Zustimmung des
Amtes in Urlaub fahren. H. Nakielski
NAKIELSKI
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Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 176)
Datum: Dienstag, den 01. August 2006
Seite: 5