Anwälte in Essen verdienen gut an Fehlern des Jobcenters 21.05.2014
| 09:00 Uhr
Unmittelbar vor dem Eingang zum Jobcenter am Dreiringplatz in Steele wirbt auf einem Citylight-Poster
eine Rechtsanwaltskanzlei für ihre Beratung bei Problemen mit dem Jobcenter.Foto: Ulrich von Born
Essen. Das Jobcenter Essen zahlt jährlich einen hohen sechsstelligen Betrag an
Anwälte, die mit Erfolg gegen die Behörde geklagt haben. Einige Anwälte leben
mittlerweile fast ausschließlich von Fehlern des Amtes. Sie sehen sich jedoch
nicht als Abkassierer, sondern vielmehr als Helfer
der Armen.
Auch in Essen verdienen spezialisierte Anwälte offenbar gut an den Lücken im Hartz-IV-Gesetz und den Fehlern des Jobcenters
. Jährlich muss das städtische Jobcenter fast eine Million Euro an
Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, weil es u.a.
Widersprüchen stattgeben musste oder Verfahren vor Gericht verlor. Der
überwiegende Teil dieser Summe gehe an Anwälte, so die Sozialverwaltung.
Ein interessanter Tummelplatz für Anwälte
Die Hartz-IV-Gesetze sind seit ihrer Einführung 2005
ein wirtschaftlich interessanter Tummelplatz für Anwälte, sagt ein Essener
Jobcenter-Mitarbeiter. Das Gesetz wurde damals mit heißer Nadel gestrickt und
ist seither mehr als 60 Mal geändert worden. Wegen vieler unklarer Regelungen
muss die Justiz bis heute die Leitplanken ziehen. „Das Gesetz ist immer noch
nicht ausgeurteilt“, sagt Sozialdezernent Peter Renzel.
Fehler beim Amt sind somit programmiert. Beim Sozialgericht Duisburg, das für
Essen zuständig ist, heißt es: Die Fehler der Ämter nehmen seit Jahren zwar ab.
Die Zahl der neuen Klagen zuletzt auch. Manche Anwälte würden jedoch wegen
kleinster Beträge klagen, so Richterin Dina Schneider. Der Essener Anwalt
Carsten Dams hält dagegen: „Man darf dabei nicht die
Summen sehen, sondern die Folgen, wenn Menschen eine Leistung nicht erhalten.“
42 Prozent der Verfahren sind erfolgreich
Die Erfolgsaussichten der Kläger sind hoch. 2013 endeten 42 Prozent der Verfahren
vor dem Duisburger Sozialgericht mit einem vollen oder einem Teilerfolg. Hinzu
kommt: Auch das finanzielle Risiko der Kläger ist gering. Bei Klageerfolg zahlt
das Jobcenter, ansonsten in der Regel die Justizkasse. Anwälte wie der Essener
Jan Häußler sortieren in ihren kostenlosen Erstberatungen die Fälle vor. Im
Grunde wisse er, mit welchem Widerspruch er Erfolg habe. Pro erfolgreichem
Widerspruch stelle er dem Jobcenter 300 Euro in Rechnung.
Häußler und Dams gehören zu den Essener Anwälten, die
sich fast ausschließlich mit Hartz-IV-Fällen
beschäftigen und wie Häußler sagt, davon ganz gut leben können. Kollegen in
anderen Rechtsbereichen verdienten zwar deutlich mehr. Um im Sozialrecht
dennoch auf sein Geld zu kommen, müsse er viele Verfahren annehmen. Juristische
Fließband-Arbeit sei das.
Eine Handvoll Anwälte lebt fast ausschließlich davon
Nach Informationen der WAZ gibt es in Essen eine Handvoll Anwälte, die das
Jobcenter besonders häufig beschäftigen. Häußler und Dams
dürften dazu zählen, ebenso die Anwältin Gabriele Junker. Nach Auskunft der
Stadt sind 2013 rund 6000 Widersprüche gegen das Jobcenter eingereicht worden.
Etwa die Hälfte war erfolgreich. Emsige Anwälte wie Dams
bringen es auf 600 Widersprüche im Jahr.
Dams und Häußler sehen sich nicht als Abkassierer sondern als Helfer der Armen dieser Stadt. „In
unseren kostenlosen Beratungen leisten wir auch Dinge, die Aufgabe des
Jobcenters wären“, so Dams. Häußler geht noch weiter:
Er habe den Eindruck, dass die Stadt Bedürftige bewusst nicht über deren
Ansprüche aufkläre und somit Geld spare. Die Anwaltskosten seien dann das
kleinere Übel.
Janet Lindgens
- Lesen Sie mehr auf:
http://www.derwesten.de/nrz/staedte/essen/anwaelte-in-essen-verdienen-gut-an-fehlern-des-jobcenters-id9372282.html#plx1756525552