AWO bittet zur
Kasse
Sozialverband verdient angeblich an
Ein-Euro-Jobbern / Arbeitsministerium prüft
Von
Tobias Schwab
Die
Arbeiterwohlfahrt (AWO) im schleswig-holsteinischen Neumünster soll mit
Ein-Euro-Jobs kräftig verdienen. Der Sozialverband setzt Hartz-IV-Empfänger
in der Seniorenbetreuung ein - gegen ordentlich Geld.
Während die Haushaltshilfen einen Stundenlohn von 1,25 Euro fürs Putzen und
Einkaufen erhalten, berechnet die AWO den Kunden acht Euro. Darüber hinaus
erhält die AWO für den Einsatz der Hartz-IV-Leute pro
Person von der Bundesagentur für Arbeit ein monatliches Regiegeld von 200 Euro.
Der AWO-Landesverband bestätigte am Montag diese
Abrechnungspraxis der AWO Service GmbH Neumünster, über die der NDR berichtet
hatte. Sprecher Werner Geest verwahrte sich aber gegen den Vorwurf, die AWO
mache damit Kasse. Die acht Euro würden als Aufwandspauschale für
Anfahrtskosten und für verwendete Reinigungsmittel erhoben. Auch Kosten für die
Koordinierung würden damit gedeckt.
Der AWO-Bundesverband empfahl der AWO Neumünster am
Montag dennoch "nachdrücklich", das Projekt umgehend einzustellen.
"Wir müssen jeden Anschein vermeiden, dass Arbeitsmarktmittel nicht
sachgerecht und im Interesse der Betroffenen eingesetzt werden", erklärte
AWO-Bundesvorsitzender Wolfgang Stadler.
Für den Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel ist es schlicht ein Fall von "Abzocke".
Der Sozialverband agiere wie eine Zeit- und Leiharbeitsfirma. Auch Joachim
Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat große
Bedenken. Für acht Euro die Stunde könne die Leistung "eigentlich auch auf
dem Markt eingekauft werden", sagte Wolff der Frankfurter Rundschau. In
der Konsequenz hieße das: Die AWO könnte mit ihrer Putzkolonne reguläre Jobs
verdrängen.
Tatsächlich sollen Ein-Euro-Jobber laut Gesetz nur
"zusätzliche" Arbeiten übernehmen und nicht Festangestellte ersetzen.
Ziel ist es, Empfängern von Arbeitslosengeld II einen Zuverdienst
zu ermöglichen und wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Dafür erhalten die
Träger in der Regel pro Ein-Euro-Jobber eine Pauschale von der Bundesagentur
für Arbeit - im Schnitt 200 Euro. Ein Betrag, der im Falle der AWO-Putztruppe
von Neumünster längst nicht ausreiche, um die sozialpädagogische Betreuung der
Beschäftigten mit oft schwierigen Biografien zu finanzieren, erklärte Geest der
FR.
Transparenz ist das A
und O
Auch Stefan Weber vom Caritasverband der Diözese Limburg
bestätigt, dass die Betreuung und Qualifizierung von Ein-Euro-Jobbern mit 200
Euro nicht zu finanzieren sei. "Auch wir müssen da zusätzliche Eigenmittel
erwirtschaften." Gewinne dürften damit aber nicht gemacht werden. Für
Heinrich Deike, Geschäftsführer der Diakonie im Kirchenkreis Alt-Holstein, ist
dabei Transparenz das A und O. "Wenn wir Erträge durch Ein-Euro-Jobs
haben, legen wir das der Arbeitsagentur offen."
Diese Transparenz hat die AWO Neumünster offenbar
vermissen lassen. Vom Acht-Euro-Stundenlohn habe er erst Ende vergangener Woche
erfahren, bestätigte der Geschäftsführer der Arbeitsagentur Neumünster,
Rolf-Dieter Brüggen, der FR. Schon am heutigen Dienstag schickt er der AWO
deshalb zwei Prüfer ins Haus. Auch das Bundesarbeitsministerium kündigte
gestern eine Untersuchung an. Fr 23.3.10