Nachhilfe für Minister Altmaier
Energie-Agentur kritisiert Strompreis-Bremse
Von Eva Roth
Die Pläne von Umweltminister Peter Altmaier, die Ökostrom-Förderung stark zu kürzen, stoßen nicht nur bei der Opposition und der Umwelt-Branche auf Kritik. Auch der Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena), an der die Bundesregierung selbst beteiligt ist, betrachtet die Pläne mit großer Skepsis. Die Vorschläge zur Begrenzung des Strompreises seien so nicht umsetzbar, sagte Dena-Chef Stephan Kohler am Mittwoch auf einer Tagung in Frankfurt. So will Altmaier durchsetzen, dass die Betreiber von bestehenden Anlagen weniger Geld für ihren Ökostrom erhalten. "Wir haben aber einen Vertrauensschutz", betonte Kohler. Und den Betreibern wurde nun einmal eine feste Vergütung zugesichert.
Die Betreiber von Neuanlagen müssen nach dem Altmaier-Vorschlag damit rechnen, dass ihr Grünstrom erst Monate nach Inbetriebnahme der Anlage vergütet wird. Hier sei unklar, mit welcher Methode bestimmt werden solle, wer wann Geld erhält.
Schließlich will der CDU-Politiker Altmaier die Privilegien für die Industrie verringern. Das könne man durchaus machen, sagte Kohler. Allerdings habe die Bundesregierung das Problem selbst geschaffen, denn sie habe dafür gesorgt, dass mehr Betriebe von der Ökostrom-Umlage befreit würden.
Auch Dena-Chef Kohler ist überzeugt, dass die Politik den Anstieg der Strompreise begrenzen muss. Dafür gebe es aber bessere Wege: Kurzfristig sollten Geringverdiener von der Energiesteuer befreit werden. Das würde Menschen mit geringen Einkünften, die am meisten unter dem Preisanstieg leiden, sofort helfen. Gleichzeitig würde die Politik Zeit gewinnen, um das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundlegend zu reformieren. Altmaier will die Änderungen schon zum 1. August. FR 31.1.13
Das Ende der
Altmaier-Festwoche
Novelle der Ökostrom-Förderung wahrscheinlich erst
nach der Bundestagswahl
Von
Joachim Wille
Die
"Altmaier-Festwoche" ist zu Ende. Vor acht Tagen überraschte der
Bundesumweltminister die Republik mit der "Strompreis-Bremse".
Nunmehr ist klar, dass die Bundesregierung sein Konzept zur Korrektur des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) so nicht umsetzen wird.
Am Montag musste Altmaier seine Ideen erneut verteidigen - gegen Kritik aus dem
eigenen Kabinett: "Die lauteste Kritik" komme "von denjenigen,
die die Entwicklung explodierender Strompreise haben geschehen lassen,
zugeschaut oder mit zu verantworten haben".
Damit zielte Altmaier nicht nur auf SPD und Grüne
und speziell auf SPD-Chef Sigmar Gabriel, der 2005
bis 2009 Umweltminister gewesen war, sondern auch auf Wirtschaftsminister
Philipp Rösler (FDP). Dessen Haus hatte Altmaiers Vorschläge als
"Scheinlösungen" abqualifiziert. Rösler ist seit Oktober 2009 im Amt,
seither ist die Ökostrom-Umlage von 1,2 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde
angestiegen. Altmaier dagegen ist erst seit Mai 2012 Minister.
Der Umweltminister hatte vorgeschlagen, die
EEG-Umlage bis 2014 einzufrieren und dann den Anstieg zu begrenzen, Betreiber
von alten und neuen Ökostromanlagen sollten dafür zeitweilig auf Vergütungen
verzichten. Vor allem der Plan, Vergütungen auch rückwirkend zu senken, würde
"höchste rechtliche Risiken" bergen, schrieben Röslers Experten in
einer internen Bewertung auf. Rösler dringt darauf, das EEG und die
Umlagenfinanzierung des Ökostrom-Ausbaus ganz zu kippen. Er favorisiert ein
Quoten-Modell. Danach wird den Energieversorgern vorgeschrieben, einen
bestimmten Anteil erneuerbaren Strom zu liefern.
Experten erwarten in der Tat, dass der Ausbau der
Ökostrom-Kapazitäten dann billiger würde, weil die Stromversorger die bisher
preiswerteste Form des Ökostroms favorisieren, die Windkraft an Land. Andere
für den Strommix wichtige Quellen wie die Offshore-Windkraft und die Photovoltaik würden aber kaum
mehr hinzugebaut. Länder mit Quotenmodellen wie Großbritannien haben sie wegen
mangelnder Praxistauglichkeit wieder abgeschafft.
Angesichts des Altmaier-Rösler-Hickhacks und der
Widerstände im rot-grün dominierten Bundesrat ist nun so gut wie sicher, dass
die Ökostrom-Förderung erst nach der Bundestagswahl im Herbst novelliert wird.
Die Opposition hatte das gefordert - und früher auch Altmaier selbst. Experten
wie Felix Matthes vom Öko-Institut begrüßen die sich abzeichnende Verschiebung:
"Das EEG muss natürlich verändert werden, um die Kosten zu senken, aber es
darf kein Hau-Ruck-Umbau sein", sagte er der FR.
Relativ kurzfristig möglich wären stärkere
Einschnitte bei den EEG-Rabatten für energieintensive Unternehmen als Altmaier
sie vorschlägt und Korrekturen bei anderen Vergünstigungen. Die Umlage könnte
dadurch um 0,5 bis ein Cent pro Kilowattstunde sinken. Die Stromrechnung eines
Vier-Personen-Haushalts wäre 25 bis 50 Euro im Jahr niedriger.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine veränderte
Kalkulation der Umlage. Diese ist ja auch deswegen so hoch, weil sie sich aus
der Differenz zum Börsenstrompreis errechnet, der paradoxerweise durch den
teils sehr üppig fließenden Solar- und Windstrom in den Keller gegangen ist.
2011 kostete der Strom an der Börse im Schnitt 5,2 Cent, 2012 nur noch 4,3.
Entsprechend größer wurde die Differenz zu den Ökostrom-Vergütungssätzen.
Diskutiert werden auch Modelle, wie die Energieversorger dazu gebracht werden
können, die Extragewinne an die Kunden weiterzugeben, die sie aus den niedrigen
Strom-preisen ziehen. Matthes: "Man könnte ihnen
vorschreiben, spezielle Tarife anzubieten, die sich am Börsenpreis
orientieren."
Doch auch für eine kostensenkende
Fortentwicklung des EEG gibt es Vorschläge - etwa, die Vergütung künftig nach
dem Standort der Wind- und Solaranlagen zu differenzieren. Das würde Milliarden
sparen. "Sehr ertragreiche Standorte können geringer vergütet
werden", meint zum Beispiel der Chef des rheinland-pfälzischen
Projektentwicklers "Juwi", Matthias Willenbacher. Bei Offshore-Windkraft
könnte die Förderung versteigert werden, damit der jeweils günstigste Investor
zum Zuge kommt. Für Solarenergie oder Windkraft an Land wiederum bietet sich
an, die EEG-Vergütung zu splitten - in eine feste
Vergütung und einen Anteil, der steigt, wenn der Ökostrom auch wirklich im Netz
gebraucht wird.
All das zeigt: Lösungen, die den Strompreis bremsen, aber nicht gleichzeitig den Ausbau der Ökoenergien stoppen, brauchen Zeit. Schnelle Nothilfe, um den Strompreisschock für arme Haushalte zu mildern, könnten dagegen eine Senkung der Stromsteuer bringen, die am Montag SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück unterstützte. Sein Modell: Es sollten "steuerfreie Kontingente beim Stromverbrauch für sozial Schwache" eingeführt werden. Altmaier indes hält Rabatte für Geringverdiener nicht für zielführend. Zuerst hatte übrigens die FDP eine Stromsteuer-Senkung gefordert. FR 5.2.13
zuletzt aktualisiert: 04.02.2013
Berlin/Düsseldorf (RP). Die Koalition in NRW ist uneins über Maßnahmen gegen den Strompreisanstieg. Die Initiative von Ministerpräsidentin Kraft zur Senkung der Stromsteuer stößt auf Widerstand der Grünen.
Acht Monate vor der Bundestagswahl werden die steigenden Strompreise zu einem zentralen Wahlkampfthema. Nachdem Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) eine Deckelung der Ökostrom-Umlage vorgeschlagen hatte, um den Anstieg der Strompreise zu bremsen, ging nun die SPD in die Offensive.
Nach Informationen unserer Zeitung will die SPD die Mehrwertsteuer für Strom bis zu einem bestimmten Verbrauch aussetzen. Im Gespräch ist ein Rabatt von rund 20 Euro pro Kunde und Monat. Der Verbrauch von bis zu 1000 Kilowattstunden soll demnach steuerfrei sein. Darauf hat sich offenbar die Parteiführung mit den SPD-Ministerpräsidenten vergangene Woche bei ihrem ersten Treffen unter der Koordinierung von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft geeinigt. Ein durchschnittlicher Haushalt verbraucht im Jahr etwa 3500 Kilowattstunden Strom.
NRW-Regierungschefin Kraft hatte vor einer Woche vorgeschlagen, eine Entlastung bei den Strompreisen könne "über eine Senkung der Stromsteuer" erreicht werden. Vor allem die energieintensive Industrie müsse unterstützt werden, so Kraft. Der Koalitionspartner, die Grünen, reagierte überrascht auf den Vorstoß. Das sei nicht abgestimmt gewesen, hieß es.
"Die Regierung ist in Sachen Strompreise unehrlich: Sie meckert zwar über die steigende Ökostrom-Umlage, nimmt aber über die Mehrwertsteuer Hunderte von Millionen Euro ein", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der "Bild am Sonntag". Diese erhöhten Einnahmen müsse sie an die Stromkunden zurückgeben, betonte der Parteivorsitzende. "Das wird der Vorschlag der SPD sein, mit dem wir in die Verhandlungen mit der Bundesregierung gehen."
Altmaier will dagegen die Ökostrom-Umlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf zwei Jahre bei 5,27 Cent pro Kilowattstunde einfrieren. Außerdem soll es eine Begrenzung der Ausnahmen für besonders energieintensive Unternehmen bei der EEG-Umlage geben. Mit dieser "Strompreissicherung" soll der Anstieg der Strompreise begrenzt werden. Die FDP lobte Altmaiers Vorschläge als Schritt in die richtige Richtung. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält allerdings die Idee eines befristeten Einfrierens der Ökostrom-Umlage für unzureichend und sieht rechtliche Probleme. Die Opposition lehnt die Pläne komplett ab. Altmaier und Rösler wollen bis Ende Februar einen Vorschlag präsentieren.
Anfang des Jahres waren die Strompreise im Schnitt um zwölf Prozent gestiegen. Besitzer von Solaranlagen, Windrädern und Biogasanlagen erhalten über das 2000 von der rot-grünen Regierung beschlossene EEG auf 20 Jahre eine garantierte Vergütung. Durch den rasanten Zubau der Anlagen für erneuerbare Energien und die Ausnahmen für energieintensiven Firmen war die EEG-Umlage, die die Verbraucher über den Strompreis zahlen, zuletzt deutlich gestiegen. Derzeit werden bereits 16 Milliarden Euro über die EEG-Umlage auf die Stromkunden abgewälzt.
Die Grünen wollen demnächst eigene Vorschläge zur Reform des EEG vorlegen. So soll die Förderung gezielter nach Bedarf gesteuert werden. Auch soll der Handel an der Leipziger Strombörse auf Öko-Strom ausgeweitet werden; so soll der Preis für Stromkunden sinken.
http://nachrichten.rp-online.de/titelseite/rot-gruen-streitet-ueber-stromsteuer-1.3166551