Kaufkraft im Keller
Preise steigen
deutlich schneller als die Löhne
Von Roland Bunzenthal
Die
Arbeitnehmer büßen gegenwärtig erneut deutlich an Kaufkraft
ein, weil die
Preise schneller steigen als die Löhne. Netto und
preisbereinigt schrumpfen die Einkommen der
abhängig
Beschäftigten
derzeit um mehr als zwei Prozent monatlich. Das
ergibt sich
aus dem Vergleich der aktuellen Inflations- mit den
Verdienstzahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.
Im Februar --
wie auch schon im Monat zuvor -- sind die
Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent
gestiegen. In
kurzfristiger Sicht von Januar auf Februar 2008
kletterte der
Index um einen halben Prozentpunkt.
Die hohe
Teuerungsrate im Februar ist wesentlich von kräftig
gestiegenen
Preisen für Haushaltsenergie und Kraftstoffe
geprägt. Damit
lässt sich fast ein Drittel der gesamten Teuerung
erklären. Im
Jahresvergleich stiegen vor allem die Preise für
leichtes
Heizöl (plus 32,9 Prozent) und für Kraftstoffe (plus
11,8 Prozent)
Auch Strom wurde überdurchschnittlich teurer. Die
Preise für
Nahrungsmittel kletterten zuletzt im Schnitt um 7,8
Prozent und
damit so stark wie schon lange nicht mehr. Kräftige
Preisanhebungen waren besonders bei Molkereiprodukten und Eiern
zu beobachten.
Auch für das täglich Brot mussten die Verbraucher
gut acht
Prozent mehr ausgeben als vor einem Jahr.
Wesentlich
kostspieliger ist die Bildung (plus 34,9 Prozent)
geworden.
Grund dafür ist die Einführung der Studiengebühren in
einigen
Bundesländern. Verbraucherfreundlich blieb dagegen die
Preisentwicklung
für Telefon, Telefax und PC mit minus 19 Prozent.
Die
Bruttodurchschnittsverdienste je Arbeitnehmer sind im
vergangenen
Jahr um 1,4 Prozent auf 27 083 Euro gestiegen. Dies
ist die
Ausgangsbasis für die Rentenanpassung am 1. Juli. Die
reinen Tariflöhne nahmen um 1,3 Prozent zu. Der im Vergleich
zur
Tariflohnentwicklung leicht stärkere Anstieg der
gesamtwirtschaftlichen Durchschnittsverdienste ist vor allem
auf
den sinkenden
Anteil der marginal Beschäftigten zurückzuführen.
Die Lohndrift,
die Differenz zwischen der Entwicklung der
effektiv
gezahlten und der tariflich vereinbarten Löhne, war
damit zum
ersten Mal seit der deutschen Vereinigung positiv.
Marginal
beschäftigt sind die Arbeitnehmer, die keine voll
sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Hierzu zählen
die sogenannten Ein-Euro-Jobber und die ausschließlich
geringfügig
Beschäftigten. Der niedrige Verdienst dieser Gruppe
beeinflusst
die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen
Durchschnittslöhne spürbar. Seit dem Jahr 2003 beispielsweise
stiegen die
Entgelte aller Arbeitnehmer um 3,2 Prozent. Schaltet
man
rechnerisch den Effekt der marginal Beschäftigten aus,
ergibt sich
hingegen ein Anstieg der Verdienste um 5,5 Prozent.
Bei der
Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen
Durchschnittsverdienste werden alle Arbeitnehmergruppen
einbezogen --
geringfügig Beschäftigte ebenso wie
Vorstandsmitglieder.
Bei der
Umrechnung von brutto zu netto spielt vor allem die
automatisch
wirkende Steuerprogression eine Rolle, die einen
Großteil der
Erhöhung schluckt. So kassierte der Staat im
vergangenen
Jahr aus der Quelle Lohnsteuer 7,5 Prozent mehr Geld
als 2006,
obwohl es seither keine direkte Steuererhöhung gab.
Die Folge: Aus
einer Bruttolohnerhöhung um 1,4 Prozent wurde ein
Nettozuwachs
von nur noch 0,5 Prozent.
RBUNZENTHAL
© Copyright Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 64)
Datum: Samstag, den 15. März 2008
Seite: 7
15.03.2008 / Inland / Seite 2
Zum Inhalt dieser Ausgabe
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Von Aufschwung keine
Spur
Bundesregierungung räumt drastische Reallohnverluste bei
Durchschnittsverdienern ein. Kaufkraft der Rentner sinkt weiter
Die Antworten der Bundesregierung auf zwei parlamentarische
Anfragen der
FDP und der Fraktion Die Linke werfen ein bezeichnendes
Licht auf die
soziale Wirklichkeit in Deutschland. Trotz des
Wirtschaftsaufschwungs
sind die Nettoeinkünfte von Durchschnittsverdienern zwischen
Anfang 2005
und Ende 2007 preisbereinigt um 3,5 Prozent gesunken, teilte
die
Bundesregierung am Freitag in einer Antwort auf eine Anfrage
der FDP mit.
183000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst und in
angrenzenden Bereichen
erhalten Löhne unterhalb der Armutsgrenze, heißt es in einer
ebenfalls
am Freitag veröffentlichten Antwort
der Bundesregierung auf eine Anfrage
der Linken. Fast 130000 davon müssen ihre niedrigen Löhne
mit
Hartz-IV-Leistungen aufstocken.
Bei letzteren handelt es sich um
Teilzeitkräfte in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen
sowie in den
Bereichen Gesundheit, Soziales und Entsorgung, die trotz
regulärer
Beschäftigung Zuschüsse zum Lebensunterhalt benötigen.
Außerdem wären in
diesen Sektoren 53621 Menschen in einem sogenannten
Minijob beschäftigt.
Der Anteil geringfügig Entlohnter sei im öffentlichen Dienst
binnen drei
Jahren von 6,8 auf 7,9 Prozent gestiegen.
Den rund 20 Millionen Rentnern wurde am Freitag erneut eine
Kürzung
ihrer monatlichen Einkommen angekündigt. Die Altersbezüge
aus der
gesetzlichen Rentenversicherung werden zum 1. Juli um
nominal 1,1
Prozent angehoben, teilte Sozialminister Olaf Scholz (SPD)
am Freitag
mit. Da die Inflationsrate für das laufende Jahr
voraussichtlich 2,3
Prozent betragen wird, und zudem die Beiträge zur
Pflegeversicherung um
0,25 Prozent angehoben werden, bedeutet dies
eine Realabsenkung um 1,45
Prozent.
Regierungssprecher Thomas Steg wies am Freitag in Berlin
darauf hin, daß
die Erhöhung normalerweise nur 0,46 Prozent betragen hätte.
Man habe
aber beschlossen, den sogenannten
»Riester-Faktor« bei der
Rentenberechnung für zwei Jahre auszusetzen, »um dem
Gerechtigkeitsempfinden Genüge zu tun«. Auch Hartz-IV-Empfänger kommen
in den Genuß dieser sozialen
Wohltat. Der monatliche Regelsatz wird
ebenfalls um 1,1 Prozent auf knapp 350,80 Euro steigen.
Die Fraktion Die Linke kritisierte die Bundesregierung am
Freitag
scharf. Die große Koalition sorge dafür, »daß Millionen Deutsche künftig
mit Armutsrenten leben müssen«, hieß es in einer Erklärung.
(AP/AFP/jW)
Rente: + 1,1 %
Löhne: + 1,4 %
Inflation: 2,8%
VON ALEXANDER
VON GERSDORFF, MICHAEL BRÖCKER UND MATTHIAS BEERMANN
BERLIN/DÜSSELDORF Die meisten Deutschen profitieren nicht vom
wirtschaftlichen Aufschwung. Im Gegenteil: Sie können sich sogar
immer weniger
leisten. Das geht aus der Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion
hervor.
Demnach ist die Kaufkraft der Deutschen zuletzt stetig
gesunken.
Daran wird
auch die gestern von Bundesarbeitsminister Olaf
Scholz (SPD)
angekündigte Erhöhung der Renten nichts ändern -
auch wenn die
Altersbezüge zum 1. Juli nun um 1,1 Prozent
steigen und
damit rund doppelt so stark wie bisher geplant. "Die
Rentner müssen
am Aufschwung teilhaben", sagte Scholz. Auch 2009
werde die
Rente um rund ein Prozent erhöht. Dafür werde die 2001
eingeführte
Rentenformel für zwei Jahre ausgesetzt. Sie dämpft
den
Rentenanstieg, um die Beitragszahler zu entlasten
("Riester-Treppe").
Für den
"Eckrentner", der 45 Jahre das Durchschnittseinkommen
verdient hat,
bedeutet das 13 Euro im Monat mehr. Gleichzeitig
steigt der Hartz-IV-Satz von 347 auf 351 Euro.
"Ich
finde es in Ordnung, dass der Faktor vorübergehend
ausgesetzt
werden soll", sagte Ex-Arbeitsminister Walter Riester
(SPD) unserer
Zeitung. "Wenn man nach der Formel vorgehen würde,
wäre dieses
Jahr nur eine minimale Rentenerhöhung drin. Das ist
den Rentnern
nach vielen Nullrunden nicht zu vermitteln." Die
Operation
dürfe aber nicht zu einer Rentenbeitragserhöhung führen.
Ohnehin ist
das Nettoeinkommen eines durchschnittlichen
Arbeitnehmerhaushalts in den vergangenen drei Jahren bereits
deutlich
langsamer gestiegen als die Inflationrate. Diese lag
im
Februar bei
2,8 Prozent. Verantwortlich dafür sind vor allem die
extremen Preisanstiege
für viele Güter des täglichen Bedarfs
sowie die
explodierenden Energiekosten.
So stiegen im
Jahresvergleich die Preise für Diesel um knapp 16
Prozent, für
Super um knapp zehn Prozent und für leichtes Heizöl
um rund 33
Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden
ermittelte.
Auch Strom verteuerte sich überdurchschnittlich um
rund sieben
Prozent. Die Preise für Lebensmittel stiegen im
Jahresvergleich um 7,8 Prozent, vor allem Milchprodukte, Eier,
Obst und Brot
waren im Februar 2008 deutlich teurer als im
Februar 2007.
Konnte sich
eine Familie mit zwei Kindern 2004 immerhin noch 0,4
Prozent mehr
für ihr Geld leisten als ein Jahr zuvor, so brach
ihre Kaufkraft
in den beiden Folgejahren um jeweils 1,1 Prozent
und 2007 sogar
um 1,3 Prozent ein. Ein lediger Arbeitnehmer ohne
Kinder erlitt
eine ähnlich starke Einbuße bei seiner Kaufkraft.
LEITARTIKEL
SEITE A 2
- /ALEXANDER
VON GERSDORFF, MICHAEL BRÖCKER UND MATTHIAS BEERMANN
Quelle:
Verlag: Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Publikation: Rheinische Post Düsseldorf
Ausgabe: Nr.64
Datum: Samstag, den 15. März 2008
Seite: Nr.1