Der unterschiedliche Umgang mit Kiffern

In den Bundesländern gibt es eine große Bandbreite bei der Bestrafung von

Cannabis-Besitz

VON FRAUKE HASS

 

"Geringe Mengen" (FR-Infografik)

+ "Geringe Mengen" (FR-Infografik)

Ob ein Kiffer, der sich mit Cannabis in der Tasche erwischen lässt,

angeklagt wird oder nicht, hängt unter anderem davon ab, wo in Deutschland

er sich gerade befindet. Das ist das Ergebnis einer im Auftrag des

Bundesgesundheitsministeriums vom Freiburger Max-Planck-Institut für

Strafrecht erstellten Studie. Wird der Haschischraucher in Bayern oder

Sachsen von der Polizei kontrolliert, ist seine Lage weit schlechter als

etwa in Berlin, Hessen oder Schleswig-Holstein: Der Studie zufolge werden

in Bayern und Sachsen 40 bis 60 Prozent der staatsanwaltlichen

Ermittlungsverfahren bei Cannabisdelikten eingestellt, in den anderen

genannten Ländern 80 bis 90 Prozent.

 

Wie viel ist eine geringe Menge?

 

Wesentlich ist auch wie viel der Konsument bei sich hat. Laut

Betäubungsmittelgesetz kann die Staatsanwaltschaft auf Verfolgung

verzichten, wenn es lediglich um wenig Cannabis "zum Eigenverbrauch" geht.

Wie viel das ist, darüber sind sich die Länder nicht einig. Die

Höchstgrenzen bis zu denen das Verfahren eingestellt werden kann, schwanken

zwischen drei "Konsumeinheiten" in Baden-Württemberg, sechs Gramm in

Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie bis zu 30

Gramm in Schleswig-Holstein.

 

In den Ländern mit einer liberaleren Praxis werden nahezu alle Verfahren

mit einer Menge von bis zu sechs Gramm Cannabis eingestellt - in Hessen

94,2 Prozent, in Schleswig-Holstein 95,6 und in Berlin 98,7 Prozent. Im

konservativen Bayern waren das dagegen nur 56,9 Prozent der Verfahren.

Regelmäßig wirken sich nämlich laut Studie Vorbelastungen des Täters in

Bayern und Sachsen auf die Entscheidung aus. So hätten in diesen beiden

Ländern fast ausschließlich Ersttäter die Aussicht, nicht angeklagt zu werden.

 

Ziel der von Carsten Schäfer und Letizia Paoli verfassten Studie war es

unter anderem, herauszufinden, ob es eine einheitliche Rechtspraxis gibt.

Das hatte das Bundesverfassungsgerichts in seiner "Cannabis-Entscheidung"

von 1994 gefordert. Der Zweite Senat urteilte damals, dass Cannabis-Besitz

in geringen Mengen zum gelegentlichen Eigenkonsum strafrechtlich nicht mehr

verfolgt werden solle, solange niemand anderes gefährdet werde. Die

Max-Planck-Mitarbeiter werteten für die Untersuchung die Akten von rund

2000 Konsumentenverfahren in sechs Bundesländern aus.

 

Ergebnis: "Die gegenwärtige Rechtswirklichkeit erscheint problematisch."

Schon bei der kleinen Menge von bis zu sechs Gramm könne von einer

gleichmäßigen Rechtspraxis nur in einer "Idealkonstellation" ausgegangen

werden, die allerdings nur auf knapp 20 Prozent der Stichprobenverfahren

zutreffe. Danach ist der Täter 20, strafrechtlich noch nicht in Erscheinung

getreten und hat niemanden anderen gefährdet.

 

Die Studie formuliert in ihren Schlussfolgerungen vage: "Die Beurteilung,

ob diese Unterschiede als ,erheblich' anzusehen sind, obliegt dem

Gesetzgeber oder dem Bundesverfassungsgericht."

 

Das Gesundheitsministerium sieht offenbar durchaus gewaltige Unterschiede.

So hat es Paoli zufolge aufgrund der Ergebnisse der Studie die Länder in

einem Schreiben zur Teilnahme an einer Arbeitsgruppe aufgefordert, die eine

einheitliche Rechtspraxis festlegen soll. Lobbyvertreter der

Cannabis-Raucher fürchten, dass sich in diesem Fall das strengere Vorgehen

durchsetzen wird. Gibt es keine Einigung der Länder, könnte der Gesetzgeber

es für notwendig halten, das Betäubungsmittelgesetz zu novellieren, glaubt

Letizia Paoli. Dabei bewirkte das Gesetz laut Studie immerhin in einem

Punkt einheitliche Ergebnisse: "Das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung

der Strafverfolgungsbehörden scheint erreicht."

 

 

 

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Dokument erstellt am 09.03.2006 um 16:20:11 Uhr

Erscheinungsdatum 10.03.2006