Amt macht viel zu oft Fehler

06.08.2009 / Inland / Seite 2Inhalt

Neuer Rekord bei »Hartz IV«-Klagen in Berlin. Jede zweite ist erfolgreich

Die Zahl der Klagen gegen »Hartz IV« hat in Berlin eine neue Rekordmarke erreicht. Im Juli wurden 2684 neue Fälle beim größten deutschen Sozialgericht in Berlin registriert, so viele wie noch nie in einem Monat seit Inkrafttreten der Reform Anfang 2005, wie ein Sprecher am Mittwoch mitteilte.

Mehr als jeder zweite Kläger erzielte nach Angaben des Gerichts im Zeitraum von Januar bis Juli zumindest einen Teilerfolg. Im Jahr 2008 lag die Quote bei 48 Prozent. Ursache für die im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten überdurchschnittliche Quote von Erfolgen waren vielfach Form- und Verfahrensfehler der Behörden.

Mit einer Personalaufstockung allein könne die Klageflut nicht bewältigt werden, erklärte Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). In vielen Fällen, etwa bei der Anrechnung von Minijob-Einkommen, sei die Gesetzeslage nicht eindeutig. Dies müsse dringend geändert werden.

Anlaß für Rechtsstreitigkeiten bieten nach Angaben des Gerichts insbesondere die Kosten der Unterkunft. Dabei gehe es beispielsweise um die Frage, welche Miete »angemessen« sei und daher von den Jobcentern übernommen werden müsse. In anderen Fällen wollten Hartz-IV-Bezieher in eine neue, teurere Wohnung umziehen, während das Jobcenter diesen Umzug nicht für »erforderlich« halte.

Die Begriffe »angemessen« und »erforderlich« sind dem Sprecher zufolge im Gesetz nicht näher konkretisiert, so daß viele Einzelheiten nach wie vor bundesweit umstritten seien. Ein weiterer Streitpunkt sei die Anrechnung von Einkommen auf das Arbeitslosengeld II. Gerade in Berlin gebe es viele Menschen, die wegen geringer Einkommen ergänzende Leistungen nach Hartz IV beziehen.

Das Berliner Sozialgericht hatte im Juni den 70000. Hartz-IV-Fall registriert. Es handelte sich um eine Untätigkeitsklage. Eine Berliner Erwerbslose hatte Widerspruch gegen eine Entscheidung des Jobcenters eingelegt, über den nach drei Monaten noch nicht entschieden war. Inzwischen holte das Jobcenter die Entscheidung nach und erklärte sich bereit, die Anwaltskosten zu bezahlen, die im Gerichtsverfahren entstanden.

Nach Angaben von der Aues liegt die Bearbeitungszeit der Klagen derzeit im Schnitt bei neun bis zwölf Monaten. 29 000 Klagen seien bisher noch nicht bearbeitet.

(ddp/jW)

 

 

06.08.2009 / Inland / Seite 5Inhalt

Hartz IV für über 100000 Selbständige

Nürnberg. Immer mehr Selbständige sind trotz eigenen Einkommens auf Hartz-IV angewiesen. Die Zahl der sogenannten aufstockenden Selbstständigen habe sich von 56000 im Jahr 2007 auf 114000 im vergangenen Jahr verdoppelt, erklärte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch in Nürnberg. Dieser Trend setze sich fort. Hauptgrund sei der Auftragsmangel aufgrund der Wirtschaftskrise. (AP/jW)