Zehn Jahre Hartz IV hat Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft. Zehn Jahre Hartz IV hat Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft

Deutsches Kinderhilfswerk: Deutschland muss seinen kinderrechtlichen Verpflichtungen nachkommen

Veröffentlicht am 01. Januar 2015

Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft Bund, Länder und Kommunen dazu auf,
bei den Kinderrechten in Deutschland seinen auf internationaler Ebene
eingegangen Verpflichtungen nachzukommen. „Deutschland hat in den
letzten Jahren auf internationaler Ebene an einer Vielzahl von
kinderrechtlichen Bestimmungen mitgewirkt, ohne diese in Deutschland
selbst umzusetzen. Beispiele sind die Kinderrechte in der
EU-Grundrechte-Charta, die Entschließung des Europäischen Parlaments zum
25. Jahrestag der UN-Kinderrechtekonvention oder die Stockholmer
Strategie zur Partizipation von Kindern. Deshalb sollten Bund, Länder
und Kommunen zum Jahresbeginn den guten Vorsatz fassen, die Kinderrechte
stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit zu nehmen“, betont Thomas
Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Leider werden auch in Deutschland Kinderrechte vielfach missachtet.
Das gilt angesichts von rund 2,8 Millionen Kindern und Jugendlichen, die
von Armut betroffen sind, auch für den Bereich der sozialen Sicherheit.
Spezielle Kinderrechte sind in Deutschland noch nicht im Grundgesetz
verankert, zudem fehlen an vielen Stellen rechtlich abgesicherte
Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Natürlich
erschöpft sich die praktische Durchsetzung von Kinderrechten nicht nur
auf die Frage von Paragraphen. Wir brauchen die gesamte Gesellschaft,
damit Deutschland ein kinderfreundliches Land wird“ so Krüger weiter.

Nach Artikel 24 der EU-Grundrechte-Charta haben Kinder Anspruch auf
den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind.
Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer
ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt. Bei
allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater
Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. November 2014
zum 25. Jahrestag des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die
Rechte des Kindes fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass
der Grundsatz des Kindeswohls in der gesamten Gesetzgebung, in
Beschlüssen von Staatsorganen auf allen Ebenen und in allen
Gerichtsentscheidungen gewahrt wird.

Die UN-Kinderrechtskonvention vom 20.11.1989 ist durch Beschluss des
Bundestages und Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde bei den Vereinten
Nationen am 05.04.1992 in Deutschland in Kraft getreten. Sie gilt im
Rang eines einfachen Bundesgesetzes, und ist damit für Bund, Länder und
Kommunen geltendes Recht.

Schließlich haben die Vereinten Nationen im Februar 2014 Fortschritte
bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland
angemahnt. So zeigte sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in
einem Bericht enttäuscht darüber, dass Deutschland Kinderrechte noch
immer nicht im Grundgesetz aufgenommen hat. Außerdem bemängelte der
Ausschuss das fehlende Monitoring der Kinderrechte in Deutschland und
mahnt eine zentrale Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche an, die
sich in ihren Rechten verletzt sehen. Kernpunkt der Kritik war
schließlich auch die hohe Kinderarmut in Deutschland.

 

Deutsches Kinderhilfswerk: Zehn Jahre Hartz IV hat Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft

Veröffentlicht am 29. Dezember 2014

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert umfassende Reformen der
Sozialgesetze in Deutschland, um die Lebenssituation von Kindern und
Jugendlichen zu verbessern. Dabei sollten insbesondere die Regelsätze
für Kinder und Jugendliche, Bildungsgerechtigkeit und die Möglichkeiten
des gesunden Aufwachsens im Mittelpunkt der Reformen stehen. Soziale
Sicherheit und Bildungsgerechtigkeit für Kinder sollten in einer der
reichsten Industrienationen der Welt eigentlich eine
Selbstverständlichkeit sein. Zehn Jahre nach Einführung der sog. Hartz
IV-Gesetze ist aber festzustellen, dass sich insbesondere die
Kinderarmut in Deutschland deutlich verschärft hat. Die Zahl der von
Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen hat sich in den letzten zehn
Jahren auf rund 2,8 Millionen mehr als verdoppelt.

„Kinderarmut wirkt sich in vielen Bereichen des Alltags aus.
Dementsprechend brauchen wir ein Nationales Programm zur Bekämpfung der
Kinderarmut, das interdisziplinär an verschiedensten Stellen ansetzt.
Das fängt an bei der Beschäftigungspolitik, damit Eltern durch eigene
Erwerbstätigkeit sich und ihren Kindern eine ausreichende finanzielle
Lebensgrundlage bieten können. Bund, Länder und Kommunen müssten zudem
gemeinsam dafür sorgen, dass Einrichtungen für Kinder und Jugendliche so
ausgestattet werden, dass sie deren Entwicklung zu eigenständigen
Persönlichkeiten adäquat fördern können. Ein gesundes Aufwachsen sollte
für alle Kinder, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, ebenso eine
Selbstverständlichkeit sein. Mit Bildung stärken wir die Kinder als
Subjekte und ermöglichen es ihnen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und
nicht in Resignation zu versinken. Deutschland darf bei der sozialen
Gerechtigkeit nicht im Mittelmaß stecken bleiben“, betont Thomas Krüger,
Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Um die soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu steigern, spricht sich
das Deutsche Kinderhilfswerk für eine grundlegende Reform der
Familienförderung aus. Notwendig sind aus Sicht des Deutschen
Kinderhilfswerkes beispielsweise eine deutliche Erhöhung der
Kinderregelsätze und ein Umbau des Kinderzuschlags. Dieser sollte
zukünftig allen Familien mit Kindern zugute kommen, bei denen der
Kinderfreibetrag im Einkommensteuerrecht nicht zum Tragen kommt. Denn
Unterstützung brauchen vor allem diejenigen, bei denen es finanzielle
Probleme gibt und nicht diejenigen, die über höhere Kinderfreibeträge
schon seit langem von der Familienförderung profitieren. Letztlich
sollten alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut in eine
bedarfsgerechte Kindergrundsicherung münden.

Ein besonderer Fokus ist auf die Bildungspolitik zu legen. An dieser
Stelle braucht es verstärkte politische Anstrengungen, allen Kindern
gleiche Chancen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu ermöglichen,
sowie ein nach oben durchlässigeres Schulsystem, das alle Kinder und
Jugendlichen individuell entsprechend ihren Fähigkeiten optimal fördert.
Die Reformanstrengungen der Bundesländer im Bildungsbereich müssen
fortgesetzt werden, denn der Bildungsaufstieg ist der nachhaltigste Weg
aus der Armut.

Auch bei der Gesundheitsversorgung ist dringender Handlungsbedarf
gegeben. Denn Kinderarmut und gesundheitliche Risikofaktoren gehen Hand
in Hand. Trotz der prinzipiell kostenlosen Gesundheitsversorgung für
Kinder und der kostenfreien Früherkennungsuntersuchungen werden
insbesondere Mädchen und Jungen aus finanziell benachteiligten
Verhältnissen von diesen Angeboten nicht erreicht. Zahlreiche
Untersuchungen haben drastische Alarmzeichen herausgearbeitet: Etwa eine
deutlich höhere Säuglingssterblichkeit als in den oberen sozialen
Schichten, eine zweimal höhere Mortalitätsrate durch Unfälle als bei
Kindern aus privilegierteren Schichten, ein sehr viel häufigeres
Auftreten akuter Erkrankungen und eine höhere Anfälligkeit für
chronische Erkrankungen. Arme Kinder leiden häufiger an Karies,
Infektionen, Asthma, Fettleibigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen. Kinder
in Armut leiden aber auch häufiger unter Stress und geringem
Selbstbewusstsein, was sie ihr Leben lang verfolgen wird. Natürlich gibt
es auch positive Beispiele, wie Kinder trotz Armut ihr Leben
hervorragend meistern, nur ist das leider nicht der Regelfall, da es zu
wenig resilienzstärkende Mitbestimmungsprojekte gibt.

Eine im Januar dieses Jahres vom Deutschen Kinderhilfswerk
veröffentlichte repräsentative Umfrage hat ergeben, dass 72 Prozent der
Bundesbürger der Ansicht sind, staatliche und gesellschaftliche
Verantwortungsträger würden „eher wenig“ oder „sehr wenig“ tun, um
Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Dabei kommt eine große, die
Parteigrenzen überschreitende Mehrheit zu der Aussage, Staat und
Gesellschaft engagierten sich zu wenig gegen Kinderarmut. Zugleich wären
66 Prozent der Befragten bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn damit
das Problem der Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft würde.

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Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V., Interessenvertreter für ein
kinderfreundliches Deutschland, wurde 1972 in München gegründet. Als
Initiator und Förderer setzt sich der gemeinnützige Verein seit mehr als
40 Jahren für Kinderrechte, Beteiligung und die Überwindung von
Kinderarmut in Deutschland ein.