In deutschen Großstädten ist die räumliche Verteilung von Niedriglohnbeziehern sehr unterschiedlich ausgeprägt

Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 8.7.2014

Einkommensgruppen leben in Berlin stärker voneinander getrennt als in München

In deutschen Großstädten ist die räumliche
Verteilung von Niedriglohnbeziehern sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (IAB) hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde.
„Berlin und Hamburg gehören neben Frankfurt und Leipzig zu den am
stärksten segregierten Großstädten. Dagegen ist die räumliche Trennung
von Menschen mit unterschiedlich hohen Löhnen in München – neben
Stuttgart und Essen – am wenigsten stark ausgeprägt“, berichten die
IAB-Forscher.

Um bei der Betrachtung der einzelnen Städte die
Unterschiede im lokalen Preisniveau und damit in der lokalen Kaufkraft
zu berücksichtigen, haben die Arbeitsmarktforscher neben der
bundesweiten auch die jeweilige stadtspezifische Niedriglohnschwelle
berechnet. Entsprechend der OECD-Definition wurden sie bei zwei Drittel
des Medianlohns angesetzt. Der Medianlohn ist der mittlere Lohn: Die
eine Hälfte aller Beschäftigten verdient mehr, die andere Hälfte
weniger.

Bei der Analyse, wo Niedriglohnbezieher wohnen,
zeigen sich unterschiedliche Muster der Ansiedlung. In den Berliner
Stadtteilen Neukölln, Marzahn und im Wedding gibt es beispielsweise
geschlossene Flächen von mehreren Quadratkilometern, in denen mindestens
jeder dritte Beschäftigte Niedriglöhne bezieht, wenn man die
stadtspezifischen Niedriglohnschwellen zugrunde legt. In München sind
Feldmoching-Hasenbergl, Milbertshofen-Am Hart oder Berg am Laim
Stadtteile mit einem erhöhten Anteil von Niedriglohnbeziehern.
„Auffällig ist, dass vom hohen Anteil an Niedriglohnbeziehern meist
nicht ganze Stadtbezirke betroffen sind, sondern nur bestimmte
Straßenzüge“, schreiben die IAB-Forscher zur Situation in München.

„Während Stadtgröße und geografische Lage für das
Ausmaß der Segregation kaum relevant sind, ist ein Zusammenhang zwischen
Segregation und Niedriglohnanteil zu erkennen“, erläutern die Forscher.
Bezogen auf die bundesweite Niedriglohnschwelle zählen in Berlin
beispielsweise 29 Prozent der Beschäftigten zu den
Niedriglohnempfängern, in München dagegen nur 13 Prozent.

Ein Erklärungsansatz für die beobachteten
Unterschiede ist den Arbeitsmarktforschern zufolge der Wandel der
Wirtschaftsstrukturen: „Während die alten Industrien in Hamburg und
Berlin durch negative Strukturschocks getroffen wurden, blieb München
von größeren Schocks verschont und konnte zudem in besonderem Maße von
der Neuansiedlung von wissensintensiven Branchen profitieren.“ Ein
wesentlicher Effekt gehe auch von der lokalen Wohnungsbauförderung und
den dort gesetzten Prioritäten aus: sowohl eine rein kostenoptimierte
Förderung insbesondere von Großprojekten im Sozialen Wohnungsbau als
auch ein Rückzug der staatlichen Aktivität aus diesem Feld führe eher zu
stärkerer Einkommenssegregation, erklären die IAB-Forscher.

Die räumliche Trennung von Einkommensgruppen könne
bei einer starken Ausprägung unerwünschte Folgen haben: „Im Ergebnis
kann innerstädtische Einkommenssegregation dazu führen, dass
sozioökonomisch schwächeren Bewohnern qualitativ schlechtere lokale
öffentliche Ressourcen und Netzwerke zur Verfügung stehen. Diese sind
aber für Bildungsergebnisse und Arbeitsmarktchancen sowie für
Sozialisation und Informationsaustausch von hoher Bedeutung“, so die
Forscher. 

Die IAB-Studie im Internet: http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb1214.pdf.

http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb12...