Die neuen Paläste

Frankfurter Rundschau, Mittwoch den 03.09.2014 Meinung S.10

KOLUMNE

Die neuen Paläste

Gestern Morgen im Radio die Nachricht, der reichste Mann der Welt sei zu Gast in Paris. Ich war noch etwas verschlafen und fragte mich, wer das wohl sein mag. Carlos Slim? Bill Gates? Nein. Es ging um den saudi-arabischen Kronprinzen Salman bin Abdelaziz und um Drei-Milliarden-Euro-Verträge über Waffen, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe.

Ich musste an den letzten Besuch von Gaddafi in Paris denken, der sein Beduinenzelt gleich neben dem Elysée-Palast aufbauen durfte. Solche Privilegien haben ihren Preis. Angeblich soll er 50 000 Euro dabei gehabt haben, die direkt dem derzeitigen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zugeflossen sein sollen, als kleine Finanzspritze für den Wahlkampf. Es gab damals eine große Foto-Story in „Paris Match“. Wenn man heute danach googelt, stößt man auf Bilder des Beduinenlagers und auf die des toten Gaddafi.

Wenn ich es mir recht überlege, war Gaddafi nicht sehr großzügig. Für diese Summe kann man heute gerade mal zwei Tage in der Präsidentensuite eines der neuen Luxushotels unterkommen. Immer, wenn ich solche Hotels besichtige, frage ich mich, wer darin wirklich wohnen wird. Das Peninsula, das Anfang August eröffnet wurde, bietet die billigsten Zimmer derzeit für rund 700 Euro an. Das ist der Schnupperpreis. Bei der Pressebesichtigung standen weiß livrierte Grooms Spalier. In der Lobby funkelte ein böhmischer Kristallleuchter und alles wirkte wie eine Disneyproduktion.

Es heißt, dass Kauf und Renovierung des Gebäudes 800 Millionen Euro gekostet haben sollen. Das Peninsula wäre damit das teuerste Hotel der Welt. Pro Zimmerschlüssel sind das 3,75 Millionen Euro Investition. In Paris mögen die Fleischer und die Bäckereien schließen, aber alle naslang wird ein neues Luxushotel eröffnet. Vor ein paar Jahren waren es neun, inzwischen sind es 15. In den Zeitungen ist vom „Krieg der Paläste“ die Rede, aber die Unternehmensberater machen sich keine Sorgen: Man rechnet mit einer Auslastung von 80 Prozent. Von der neuen asiatischen und arabischen Klientel ist dann die Rede. Es sind Freizeittouristen, lese ich, keine Geschäftsreisenden. Über unsere Welt sagt das einiges aus: Aus einem Graben ist eine Schlucht geworden.

Die meisten Häuser sind übrigens fest in Händen saudischer Familien oder sie gehören dem Sultan von Brunei oder Mohamed Al-Fayed, dem Londoner Geschäftsmann und Besitzer des Ritz, dessen Sohn an der Seite von Lady Di gestorben ist, nachdem das Paar vor Fotografen aus dem eigenen Hotel geflohen war. Ein Concierge, der sich um das Wohlergehen der Gäste in den Suiten kümmert, ließ unlängst wissen, dass es nur eine Handvoll potenzieller Kunden gebe, die zwar überall Häuser hätten, aber Hotels vorziehen, weil sie sicherer sind als ihre Anwesen. Für Mitglieder des arabischen Königshauses wird Whiskey gern in Teekannen serviert, Rotwein in Colaflaschen. Koran oblige.

Vor zwei Wochen hat der Neffe des arabischen Kronprinzen, ein berüchtigter Playboy, seine Sommertour im Pariser George V begonnen. Als er mit seinem Autokonvoi zum Flughafen fuhr, wo sein Privatjet auf ihn wartete, ist er unterwegs ausgeraubt worden. 250 000 Euro in bar plus Schmuck sind erbeutet worden. Der Prinz hat keine Anzeige erstattet.

Martina Meister lebt und arbeitet als Kulturjournalistin in Paris.