Asmussen: "Wiedereinreise-Sperre für Sozialbetrüger"

 

2. August 2014 | 05.50 Uhr

Interview mit Jörg Asmussen "Wiedereinreise-Sperre für Sozialbetrüger"

FOTO: Soeren Stache

Der
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, kündigt im
Interview mit unserer Redaktion auch ein schärferes Vorgehen gegen die
Schwarzarbeit an.
Von Michael Bröcker, Martin Kessler und Stefan Weigel

Die Bundesregierung wollte das Thema Armutszuwanderung
versachlichen. Warum hört man so wenig vom Staatssekretärsausschuss, der
sich darum kümmern soll?

Asmussen Der von Innenstaatssekretärin Emily
Haber und mir geleitete Ausschuss hat bereits im März einen
Zwischenbericht abgegeben. Wir streben an, den Endbericht Ende August
dem Bundeskabinett vorzulegen.

Was wird drinstehen?

Asmussen Zum Beispiel, dass die Mehrheit der
Zuwanderer aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien hoch qualifiziert
sind - Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter, Naturwissenschaftler. Die gehen
einer regulären Beschäftigung nach, zahlen Steuern und Sozialabgaben.
Angesichts der Alterung unserer Gesellschaft braucht Deutschland mehr
qualifizierte Zuwanderung.

Warum stöhnen dann so viele Städte über arme und bedürftige Zuwanderer aus Osteuropa?

Asmussen Es handelt sich zwar um eine kleine
Gruppe, die aber sehr konzentriert auftritt. Das führt vor Ort in etwa
20 Städten zu Problemen.

In Duisburg stehen 11 000 Osteuropäer für Sozialleistungen an. Überfordert das nicht die Stadt?

Asmussen Duisburg ist ein besonders schwieriger Fall. Hier sind die Probleme im Verhältnis zur Einwohnerzahl der Stadt am größten.

Was können Sie tun?

Asmussen Der Bund wird die besonders betroffenen
Kommunen nicht alleine lassen. Bereits im Zwischenbericht hat der Bund
Hilfen in einer Gesamthöhe von 200 Millionen Euro angekündigt, bestehend
aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Europäischen
Hilfsfonds für die am meisten benachteiligten Personen sowie dem
Bundeshaushalt. Zum Beispiel das Programm Soziale Stadt, das von
Zuwanderung betroffene Stadtquartiere in ihrer Arbeit unterstützt.
Konkret geplant sind unter anderem die Übernahme von Impfkosten,
berufsbezogene Integrationsmaßnahmen und die Verbesserung der
Bildungschancen zugewanderter Kinder in den Bereichen Kita, Schule und
Sprachförderung.

Die Menschen haben wenig Verständnis dafür, dass manche
Zuwanderer den Sozialstaat missbrauchen. Brauchen wir schärfere Gesetze
nach dem Motto "Wer betrügt, der fliegt"?

Asmussen Ich habe Schwierigkeiten mit dem Wort
Sozialmissbrauch. Die Zuwanderer, von denen wir hier sprechen, sind
EU-Bürger mit allen Rechten und Pflichten. Entweder sie haben ein Recht
auf die Sozialleistung. Dann ist das völlig in Ordnung. Oder es ist
Sozialbetrug. Und das ist strafbar, egal ob sie Deutscher, Bulgare oder
Niederländer sind.

Bislang können auch Sozialbetrüger jederzeit wieder einreisen. Reichen da die bisherigen Gesetze?

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Asmussen Wer zu Unrecht Sozialleistungen bezogen
hat, muss mit einer Wiedereinreisesperre rechnen. Zugleich wollen wir
schärfer gegen Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit vorgehen. Die
Arbeitnehmerfreizügigkeit ist eine der Säulen des europäischen
Binnenmarktes und soll nicht angetastet werden.

Die Zeiten, in denen man für 20 Euro einen Gewerbeschein beantragen konnte, sind dann vorbei.

Asmussen Wir müssen da punktuell genauer nachfragen, ohne eine große Bürokratie für den Rest einzuführen. Das ist eine Gratwanderung.

Für manche Roma-Familien, die aus Rumänien oder Bulgarien
einwandern, sind Hartz-IV-Bezüge fast ein Luxus. Wie wollen Sie hier
Missbrauch verhindern?

Asmussen Für alle Bürger und Bürgerinnen der EU
gelten die gleichen Bedingungen. Betrug ist zu bekämpfen, weil es die
Akzeptanz der Sozialsysteme unterminiert.

Der Fall Duisburg zeigt, dass das nur selten klappt.

Asmussen Die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse
und die hohe Analphabetenquote sind ein wirkliches Problem. Deshalb
müssen wir versuchen, die Menschen ausbildungsfähig zu machen. Das
geschieht in niedrigschwelligen Berufsvorbereitungskursen . . .

. . . die aber auch besucht werden müssen.

Asmussen Initiativen, wie beispielsweise das
Projekt "unser Haus Europa" der Duisburger Gesellschaft für
Beschäftigungsförderung, das ich mir persönlich angesehen habe, zeigen,
dass Erfolge zu erzielen sind.

Sie sind SPD-Mitglied und gelten als wirtschaftsliberal. Was
muss Ihre Partei tun, um aus dem Umfragetief von 25 Prozent
herauszukommen?

Asmussen. Sozial und liberal sind keine
Gegensätze. Die SPD hat mit dem Rentenpaket und dem Mindestlohn Wort
gehalten und ihr Wahlprogramm umgesetzt. Aber um aus dem Ghetto der 25
Prozent zu kommen braucht es neue und erweiterte Angebote für die
arbeitende Mitte, zum Beispiel in der Steuerpolitik. Das Ziel ist eine
neue ökologische und soziale Marktwirtschaft, und das für ein Land mit
der gemeinsamen Währung, im europäischen Binnenmarkt und als Teil der
globalisierten Weltwirtschaft.

MICHAEL BRÖCKER, MARTIN KESSLER UND STEFAN WAIGEL FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

Quelle: RP

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/wiedereinreise-sperre-fuer-s...