Methadon für Suchtkranke gibt es bald nur noch in Arztpraxen

 

16. November 2017 - 20:19 Uhr

Düsseldorf

Ambulanz wird geschlossen

Von Alexander Esch

Methadon für Suchtkranke gibt es bald nur noch in Arztpraxen.

Die Methadon- und Drogenambulanz an der Flurstraße in Flingern wird im nächsten Jahr schließen.

Judith Michaelis

Die Methadon- und Drogenambulanz an der Flurstraße in Flingern wird im nächsten Jahr schließen.

Die Methadon- und Drogenambulanz des Gesundheitsamtes an der
Flurstraße wird im Laufe des Jahres geschlossen. Dafür stimmten gestern
im Gesundheitsausschuss CDU, SPD, Grüne und FDP. Nur die Linken stimmten
dagegen.

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, vor allem, weil
wir die Arbeit vor Ort immer sehr geschätzt haben“, sagte
Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke (SPD). Hauptargument für die
Entscheidung: Durch Änderungen in der Sozialgesetzgebung wird die so
genannte Substitutionsbehandlung längst von den Krankenkassen
übernommen. Das heißt: Die Suchtkranken können auch in Arztpraxen in
Düsseldorf versorgt werden. Und hier gebe es mittlerweile mehr Angebote.
Deshalb sagt auch Gesundheitsdezernent Andreas Meyer-Falcke, dass die
Entscheidung „verantwortbar“ sei.

Die Parteien knüpfen die Entscheidung allerdings an Bedingungen.
So sollen die fünf Stellen für die psychosoziale Betreuung erhalten
bleiben und dieses Hilfsangebot neu konzipiert werden – und zwar
dezentral, möglichst in der Nähe von substituierenden Praxen. Angelika
Kraft-Dlangamandla (Linke) fürchtet, dass die Hürden für Suchtkranke
durch die Teilung des Hilfsangebots höher werden.

Geprüft werden soll die Einrichtung eines ersten solchen
Hilfe-Zentrums an der Flurstraße und am Kamper Acker, wo es eine solche
Praxis gibt. Die durch die Schließung der Ambulanz eingesparten Mittel
(im fünfstelligen Bereich) sollen dafür zur Verfügung stehen.

Ausschussvorsitzender Andreas-Paul Stieber, der den Kamper Acker als ersten Standort favorisiert, kann sich i einem nächsten Schritt allerdings auch vorstellen, dass durch den Verkauf der städtischen Immobilie an der Flurstraße noch mehr finanzielle Mittel freiwerden.

http://www.wz.de/lokales/duesseldorf/ambulanz-wird-geschlossen-1.2557429

 

 

Düsseldorf

Düsseldorf: Immer mehr Drogensüchtige suchen Hilfe

Von Nadine Diab

1500 Menschen wurden 2016 substituiert. Die WZ hat mit Expertinnen darüber gesprochen.

Rund 429 der von komm-pass betreuten Klienten sind jünger als 40 Jahre, 488
Betreute älter als 40 Jahre – bei drogenabhängigen Menschen zählt das
schon zum Seniorenalter.

dpa, Bild 1 von 2

Rund 429 der von komm-pass betreuten Klienten sind jünger als
40 Jahre, 488 Betreute älter als 40 Jahre – bei drogenabhängigen
Menschen zählt das schon zum Seniorenalter.

Düsseldorf. Sich die Sucht einzugestehen, ist der
erste Schritt. Was dann folgt, ist ein langer, harter und quälender Weg.
Denn wer aus der Sucht ausbrechen will, braucht Unterstützung. Bei
allem guten Willen und aller Anstrengung sind Abhängigkeiten vor allem
eines: schwer zu überwinden. Für den Betroffenen geht es nicht nur um
Abstinenz, sondern zudem um die Rückgewinnung von Kontrolle und
gesellschaftlicher Anerkennung.

Wenn es ohne die Droge nicht geht, dann können Ärzte ihre
Suchtpatienten (meist Heroin) substituieren. Sie geben ihnen ein Mittel
(Methadon, Polamidon, Buprenorphin, Diamorphin), das ähnlich wirkt, aber
nicht so stark ist und oft weniger schädliche Langzeitfolgen hat. So
sollen die körperlichen Entzugssymptomen bei akuter Abhängigkeit von
Opiaten (meist Heroin) verhindert werden. Das Therapiekonzept beinhaltet
jedoch nicht nur die Vergabe, sondern auch die Planung weiterer
Schritte zur Stabilisierung.

Birgit Schmitz leitet den Fachbereich Drogenhilfe bei der Beratungsstelle „komm-pass“.

In Düsseldorf wurden im vergangenen Jahr rund 1500 Menschen
substituiert. Damit ist eine leichte Steigerung zu verzeichnen, 2015
waren es 1467 Personen. Substituiert wird in sieben Praxen und in der
Methadonambulanz, die im kommenden Jahr geschlossen wird (siehe unten).

Die Allgemeinmedizinerin Dr. Dagmar Anheyer ist
Substitutionsärztin. Gemeinsam mit Birgit Schmitz, Leiterin der
Drogenberatungsstelle komm-pass, begann sie 2013 das Projekt „PsB vor
Ort“ (Psychosoziale Betreuung vor Ort). Patienten waren langjährig
opiatabhängig, hatten „hohen Bedarf und eine geringe Motivation“.
Bestandteil des Projekts waren engmaschige Begleitungen, gemeinsame
Besprechungen und – damals ein Novum – Gespräche zwischen der Ärztin,
dem Patienten und dem betreuenden Sozialarbeiter. Die Auswertung nach
einem Jahr ergab eine deutlich positivere Entwicklung als bei der
parallel geführten Vergleichsgruppe. Viele beendeten ihre
Wohnungslosigkeit, verringerten den Beikonsum oder wurden abstinent.
Nach Beendigung des Projekts wurde die Kooperation zwischen der Praxis
Anheyer und der Drogenberatungsstelle komm-pass weiter geführt.

Respektvolle Betreuung spricht sich in der Szene herum

„Die Tageskonsumkosten liegen oft bei rund 300 Euro“, erklärt Dagmar
Anheyer. „Um dieses Geld zu beschaffen, wird geklaut, sich prostituiert.
Die Menschen stehen alle unter einem starken Druck, haben große soziale
Probleme.“ Birgit Schmitz fügt hinzu: „Hinzu kommt die Scham, dann der
Wunsch, diese wieder zu betäuben. Man spricht hier von der
Bewältigungsstrategie. Es ist oft ein Teufelskreis. Wir versuchen die
Menschen sozial aufzufangen, sie zu begleiten.“ Beide haben die
Erfahrung gemacht, dass nach der ersten Phase des Misstrauens die
Patienten sehr dankbar seien und sich öffnen würden. „Die Ärzte werden
oft wie eine Art Bestrafung wahrgenommen. Aber wenn es gut läuft, dann
spricht sich auch das in der Szene sehr schnell herum“, weiß Dagmar
Anheyer.

Für die Zukunft erhoffen sie sich neben einer stetig steigenden
Zahl von positiv verlaufenden Substitutionen noch mehr Respekt für die
Betroffenen. „Viele blicken sehr herablassend auf Süchtige. Man sollte
bei sich anfangen hinzugucken und dann erst urteilen“, betonen beide.

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