Wallraff deckt Geldverschwendung bei Jobcentern auf

Wallraff deckt Geldverschwendung bei Jobcentern auf

17.03.2015 | 11:28 Uhr

Schwierige Zustände in deutschen Jobcentern. Die RTL-Sendung "Team Wallraff"
beschreibt ein System, in dem es nur noch um die Verwaltung von
Arbeitslosigkeit geht.

Essen.

Absurd. Dieses Wort fiel in der aktuellen Ausgabe der RTL-Sendung
"Team Wallraff" mehr als einmal. Das Team um Undercover-Urgestein Günter
Wallraff hat neun Monate lang in deutschen Jobcentern recherchiert - um
anschließend ein verheerendes Fazit zu ziehen.

Da läuft etwa eine Gruppe von Langzeitarbeitslosen mit Lamas durch
ein süddeutsches Dorf, zwischendurch gibt es Picknick. Finanziert wird
die Maßnahme von der Bundesagentur für Arbeit. Sie gilt als
Weiterbildungsmaßnahme und soll den Arbeitslosen helfen, schneller einen
neuen Job zu finden. Warum dazu gerade eine Lama-Tour nötig ist, wird
allerdings nicht klar.

Langzeitarbeitslose werden zum "Schrankfall"

Die Lama-Tour ist laut "Team Wallraff" aber nur der Gipfel eines
Systems, in dem es kaum noch darum geht, Arbeitslosen neue Jobs zu
vermitteln. RTL-Reporter Torsten Misler hat sich im Rahmen seiner
Recherche als Praktikant in mehrere Jobcenter eingeschleust. Überall
stieß er auf dieselben Probleme. Frustrierte Arbeitlose,
Geldverschwendung und hoffnungslos überarbeitete Angestellte im
Jobcenter.

Denn während ein Jobcenter-Mitarbeiter offiziell höchstens 150
Arbeitslose betreuen soll, sind es laut "Team Wallraff" bis zu 500. Um
den Arbeitsaufwand trotzdem zu stemmen, werden einige
Langzeitarbeitslose offenbar zu "Schrankfällen". Ihre Akten wandern in
den Schrank und werden dort vergessen. Selten haben die Mitarbeiter
Zeit, wirklich bei der Jobsuche zu helfen. „Hier wird die
Arbeitslosigkeit nur verwaltet“, meint eine Angestellte vor versteckter
Kamera.

Automobilingenieur soll zum Astronauten umschulen

Wenig schmeichelhaft bewertet "Team Wallraff" auch die von der
Arbeitsagentur vermittelten Weiterbildungsmaßnahmen. So konnten sich die
Reporter in ein mehrwöchiges Seminar für Arbeitslose über 50
einschleußen. Doch neben plumpen Motivationsreden und kleinen Spielchen
hatte der Kurs offenbar wenig zu bieten.

Einem 58-jährigen gelernten Automobilingenieur wurde sogar ernsthaft
eine Umschulung zum Astronauten nahe gelegt. Anderen wollte der
Seminarleiter eine Karriere als "Stricker oder Strickerin" aufschwatzen.

Weiterbildungsmaßnahme mit Lamas. Getarnt als Tourist nahm Günter Wallraff an der fragwürdigen Maßnahme teil.Foto: RTL

Geschönte Arbeitslosenzahlen

Pro Person kostete die Teilnahme an diesem Seminar mehrere Tausend
Euro. Doch die Erfolgsquote dieser Kurse ist laut "Team Wallraff"
verschwindend gering. Von den 17 Teilnehmern hat anschließend nur ein
einziger einen Job gefunden. Bei anderen Seminaren ist die Quote
teilweise noch schlechter. Einen wichtigen Zweck erfüllen sie trotzdem.

Denn wer an einer solchen Maßnahme teilnimmt, gilt offiziell nicht
als arbeitslos. Gleiches gilt auch für krank geschriebene Arbeitslose.
Und so kommen zu den offiziell 2,7 Millionen Arbeitslosen noch einmal
1,17 Millionen Erwerbslose hinzu.

Knallharte Erfolgsquoten

Mehr Mitarbeiter könnten der Arbeitsagentur helfen, ihre Aufgabe
besser zu erfüllen. Doch dafür ist kein Geld da. Anstatt dessen müssen
zahlreiche Jobcenter-Mitarbeiter selbst die Arbeitslosigkeit fürchten.
Viele bekommen nur befristete Verträge. Gleichzeitig müssen sie
knallharte Erfolgsquoten erfüllen und etwa im Monat eine bestimmte Zahl
von Langzeitarbeitslosen vermitteln. Den Druck lassen sie leider zu
häufig an ihren Kunden aus.

Die frustrierten Mitarbeiter lästern nicht selten über die
Arbeitslosen. „Assozial“ und „faul“ seien sie. Manche sprechen sogar
davon, dass man sie erziehen müsse. Ein Jobcenter-Mitarbeiter zieht vor
versteckter Kamera ein frustrierendes Fazit: „Es geht nur darum, dass
irgendwelche Zahlen stimmen. Der Mensch bleibt oft auf der Strecke.“

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