Von BARBARA KIRCHNER 13.9.
Sozialarbeiter Oliver Ongaro (l.) engagiert sich für
Wohnungslose. Mit ihnen baute er zum zweiten Mal ein sogenanntes
„Freiluftwohnzimmer“ auf. Diesmal vor dem Justizzentrum.
Foto: Uwe Schaffmeister
Düsseldorf –
Dass Wohnen in Düsseldorf zum Luxus geworden ist, hat schon NRW-Bauminister
Michael Groschek (SPD) festgestellt (EXPRESS berichtete).
Unbezahlbar sind die vier Wände umso mehr für die Ärmsten der Armen, die
Obdachlosen. Deshalb veranstalteten Sozialarbeiter und Fifty-fifty-Verkäufer
vor dem Rathaus die Aktion „Freiluftwohnzimmer“.
Illegal – meinte die Polizei. Und Streetworker Oliver Ongaro (39) kassierte
einen Strafbefehl über 450 Euro. Dagegen zog er am Mittwoch vor Gericht.
Mit seinen Schützlingen und Kollegen baute er erneut ein
„Freiluftwohnzimmer“ vor dem Amtsgericht auf – diesmal offiziell bei der
Polizei angemeldet.
Die Sympathie war ihnen sicher. Passanten, Beschäftigte des Gerichts und
Anwälte stimmten der Aktion zu. Auch SPD-Parteichef Andreas Rimkus, der sich
seit Jahren für mehr Sozialwohnungen engagiert, findet: „Eine Geldstrafe wegen
dieser Aktion vor dem Rathaus halte ich für absolut übertrieben.“
Der Vorwurf lautete: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Oliver
Ongaro: „Das war keine Demo, sondern eine Einladung für eine Pressekonferenz.
Das Ganze dauerte gerade mal eine Stunde.“ Außerdem sei er gar nicht der
Veranstalter gewesen. Er habe sich nur eingeklinkt, als die Polizei
Fifty-fifty-Verkäufer vor Ort ansprachen.
„Das ist so mein Job. Ich frage dann: »Kann ich helfen?«“ Und somit hatten
die Beamten also gleich einen Ansprechpartner. Der Richter stellte das
Verfahren gegen Oliver Ongaro schließlich ein. Also kein Eintrag ins
Strafregister. Allerdings muss der Streetworker nun 500 Euro Bußgeld zahlen –
an die Armenküche.
„Das ist schon okay“, meinte er nach dem Prozess.“ „Wenn man für eine Sache
steht, muss man das in Kauf nehmen.“ Ratsherr Andreas Rimkus versprach
Mittwoch: „Wir werden sammeln, damit unsere Unterstützung ausdrücken.“
In Düsseldorf fand am Mittwoch
ein Strafverfahren gegen einen Streetworker der Obdachlosenzeitschrift
Fifty-fifty statt. Ihm wurde zur Last gelegt, gemeinsam mit Wohnungslosen im
März dieses Jahres eine Pressekonferenz auf dem zentralen Burgplatz
durchgeführt und diese nicht ordnungsgemäß angemeldet zu haben. Vor dem Gericht
protestierten Dutzende Aktivisten gegen zu hohe Mieten und für ein »Recht auf Stadt«.
Am 18. März hatten Obdachlose zusammen mit Verkäufern des Straßenmagazins ein
»Freiluftwohnzimmer« aufgebaut, um auf die Wohnungsnot in Düsseldorf
hinzuweisen. Julia von Lindern, Sozialarbeiterin bei Fifty-fifty, erklärte
gegenüber jW: »Mitgebracht hatten die Aktiven damals eine Couch, einen Sessel,
einen Tisch, eine Stehlampe, einen Teppich und ein Transparent mit der
Aufschrift ›Gegen Wohnungsnot‹. Mit dieser Presseaktion wollten sie die
städtische Wohnungsbaupolitik kritisieren.« Von Lindern ergänzte: »Düsseldorf
muß innovative Ideen für dieses gravierende Problem entwickeln. In Münster
werden beispielsweise leerstehende Kirchen in Wohnraum umgewandelt.«
Vor Gericht stand gestern der Streetworker Oliver Ongaro. Im Gespräch mit jW
erläuterte er: »Bezahlbarer Wohnraum wird in Düsseldorf immer knapper. Selbst
der Ring Deutscher Makler hat schon auf dieses Phänomen hingewiesen. Nach
Berechnungen des privaten Eduard-Pestel-Instituts fehlen in der Stadt bereits
jetzt rund 6400 bezahlbare Mietwohnungen, Tendenz stark steigend.« Im Gegensatz
dazu stünden knapp eine Million Quadratmeter Büroraum leer, so Ongaro. Das
Verfahren wurde gegen die Zahlung von 500 Euro eingestellt, das Geld ging an
den Verein Armenküche e.V.
Frank Laubenburg, der als fraktionsloses Mitglied der Partei Die Linke im
Düsseldorfer Stadtrat sitzt, stellte sich gestern hinter die Aktion und sagte:
»Es geht um die Frage ›Wem gehört die Stadt?‹, und es ist kein Wunder, daß
gerade der Protest gegen die verfehlte Düsseldorfer Wohnungspolitik auf so
absurde Weise kriminalisiert werden soll. Wer kein Geld für hohe Mieten hat,
soll doch einfach aus Düsseldorf wegziehen, tönt es seit Monaten immer lauter
von CDU und FDP, die mit dem damit verbundenen Bevölkerungswechsel vor allem
auf die Sicherung ihrer eigenen politischen Mehrheit setzen. Und wer nicht
wegzieht, sondern protestiert, wird eben vor Gericht gestellt. Klassenjustiz
ist der Fachbegriff dafür.«
Aktive der Gruppe »See Red!/Interventionistische Linke« beteiligten sich zu
Prozeßbeginn an einem erneuten »Freiluftwohnen« mit Frühstück vor dem
Düsseldorfer Amtsgericht. Sie wiesen darauf hin, daß in der Stadt bereits jetzt
Wohnungen »um bis zu 30 Prozent teurer sind als im Bundesdurchschnitt«. Selbst
für die billigsten würde die Kaltmiete in Düsseldorf bei über acht Euro pro
Quadratmeter für neue Verträge liegen. Doch auch über die NRW-Landesgrenze
hinaus sieht es düster aus. Laut ARD-Magazin »Monitor« fehlen in Deutschland
vier Millionen Sozialwohnungen.
Info: www.see-red.org
http://www.jungewelt.de/2012/09-13/039.php
12.09.2012 | 18:18 Uhr
Mit dem „Freiluft-Wohnzimmer“ vor dem Gericht machten Oliver
Ongaro und Fifty-Fifty-Verkäufer erneut auf die Wohnungsnot in Düsseldorf
aufmerksam.Foto: KITSCHENBERG, Kai
Düsseldorf. „Unsere Stadt ist keine Ware“ und „Wohnen ist
ein Grundrecht“, solche Sätze konnten Gerichtsbesucher auf Plakaten vor dem
Justizgebäude lesen. Und dabei ein „Freiluft-Wohnzimmer“ auf dem Gehsteig
bestaunen. Das hatten Wohnungslose und Mitarbeiter des Trägervereins der
Obdachlosen-Zeitung „Fifty-Fifty“ kurzfristig eingerichtet. Und diesmal
vorsichtshalber angemeldet. Denn Streetworker Oliver Ongaro (39) stand musste
vor Gericht, weil eine ähnliche Aktion im März in der Altstadt nicht angemeldet
war. Er hatte Einspruch gegen einen Strafbefehl über 450 Euro eingelegt.
Durch die öffentliche Diskussion sei damals Unmut aufgekommen. „Bei einem
Treffen sagten unserer Verkäufer, wir müssen auch mal was sagen.“ Sie hätten
dann eine Pressekonferenz dort veranstalten wollen, wo Wohnungslose sich
normalerweise aufhalten: unter freiem Himmel.
„Das war natürlich eine originelle Idee“, gab auch der Richter zu. Aber es
habe doch den Charakter einer Versammlung gehabt. Dem widersprach Ongaros
Anwalt: Man habe nur Einladungen an die Presse geschickt, keine Ansprache
gehalten, keine Flugblätter verteilt.
Zudem sei sein Mandant gar nicht verantwortlich gewesen: „Er ist nur
Angestellter. Man hätte sich an seinen Chef, den Vereinsvorstand oder Bruder
Matthäus wenden sollen.“ Tatsächlich war nicht mehr zu klären, warum Ongaro in
der Anzeige als Verantwortlicher aufgenommen wurde.
Nach einem Rechtsgespräch stellte das Gericht das Verfahren gegen eine
Zahlung von 500 Euro an die Armenküche ein. „Das ist ok für mich“, erklärte
Ongaro anschließend. Ihm sei sein Engagement wichtig und er sei auch bereit,
dafür etwas zu zahlen: „Wenn man für eine Sache steht, muss man das in Kauf
nehmen.“ Die höhere Summe im Vergleich zum Strafbefehl nahm er hin: So komme
nichts davon in sein Strafregister. Für das Geld soll er sogar Hilfe bekommen:
SPD-Chef Andreas Rimkus hat einen Spendenaufruf gestartet.
http://www.derwesten.de/nrz/staedte/duesseldorf/keine-strafe-fuer-streetworker-id7090274.html
Fiftyfifty-Sozialarbeiter wegen
Demo vor Gericht
(sg) Ein Streetworker der
Obdachlosenhilfsorganisation Fiftyfifty muss sich heute vor Gericht
verantworten. Ihm wird im Zusammenhang mit einer Pressekonferenz zum Thema
Wohnungsnot ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Zu dieser
Pressekonferenz auf dem Burgplatz hatten Wohnungslose, unterstützt von
Fiftyfifty, ein „Freiluftwohnzimmer“ mit Sofa, Sessel, Tisch und Stehlampe
aufgebaut und ein Transparent gegen Wohnungsnot aufgehängt. Zum heutigen
Gerichtstermin sind nun ähnliche Proteste vorm Gericht angekündigt.
Publikation
Rheinische Post
Verlagsgesellschaft mbH
Lokalausgabe
Rheinische Post Düsseldorf
Erscheinungstag
Mittwoch, den 12. September 2012
Seite 17
Nach Demo gegen Wohnungsnot Streetworker auf der Anklagebank
Auf dem Burgplatz demonstrierte „fiftyfifty“ mit einem
„Freiluftwohnzimmer“ gegen Wohnungsnot in Düsseldorf.
Foto: Galert
Düsseldorf Am 8. März 2012 machten es sich Wohnungslose und „fiftyfifty“-Verkäufer, begleitet auch von „fiftyfifty“-Streetworker Oliver Ongaro, mit einem „Wohnzimmer“ auf dem Burgplatz „gemütlich“. Mitten in der Stadt wollten sie auf die (aus ihrer Sicht verfehlte) Wohnungsbaupolitik aus dem Rathaus aufmerksam machen.
Doch das Ordnungsamt stufte die Pressekonferenz als unangemeldete Demonstration ein. Deshalb wird Ongaro als Veranstalter jetzt vor das Gericht gezerrt und sitzt am Dienstag auf der Anklagebank: „Die Beamten fragten mich, wer hier verantwortlich sei. Ich habe gesagt, dass wäre eine gemeinsame Aktion von »fiftyfifty«. Das allerdings scheint sie nicht wirklich interessiert zu haben.“
Nun muss sich der Streetworker morgen vor dem Amtsgericht verantworten. Ihm droht im schlimmsten Falle eine Geldbuße von 450 Euro.
10.09.2012 | 15:20 Uhr
In einem Freiluftwohnzimmer am Marktplatz gingen die Obdachlosen am 8. März in Düsseldorf an die Öffentlichkeit.Foto: Sergej Lepke / WAZ Foto Pool
Düsseldorf. Sie wollten die Bevölkerung auf die Wohnungsnot in Düsseldorf aufmerksam machen, luden zur Pressekonferenz vors Rathaus. Und boten dazu ein griffiges Bild: eine Wohnzimmer-Szene unter freiem Himmel. Weil dann aber viele Menschen stehen blieben, gab es eine Anzeige: Streetworker Oliver Ongaro (39) soll 400 Euro Geldstrafe zahlen, weil der gegen das Versammlungsrecht verstoßen habe. Er legte Einspruch ein. Am Mittwoch wird der Fall im Amtsgericht verhandelt.
Bezahlbarer Wohnraum wird in Düsseldorf immer knapper, doch die Politik tut nichts dagegen. Das ist die Kritik der Betroffenen und ihrer Unterstützer. In anderen Städten gebe es sozialen Wohnungsbau, damit sich auch Menschen mit wenig Geld noch ein Dach über dem Kopf leisten können. „Doch in Düsseldorf erleben wir eine totale Mauer“, bedauert Oliver Ongaro, Streetworker bei Asphalt e.V., dem Trägerverein der Zeitung Fifty Fifty. Düsseldorf präsentiere sich nur „als schillernde Metropole für Schöne und Reiche“, lautet der Vorwurf.
Deshalb gingen am 8. März Fifty-Fifty-Verkäufer und andere Obdachlose an die Öffentlichkeit. Zehn bis zwölf Obdachlose, so schätzt Ongaro, waren dabei. Dazu kamen einige Sozialarbeiter und ein gutes Dutzend Pressevertreter von Zeitung, Radio und Fernsehen. Aber auch Passanten seien stehen geblieben, Mitarbeiter aus dem Rathaus dazugekommen. Das führte dazu, dass ein Polizist sich die Sache näher anschaute.
„Ich habe ihm erklärt, dass es eine Pressekonferenz ist“, berichtet Oliver Ongaro. Der Ordnungshüter aber hielt die Veranstaltung für eine Versammlung, die nicht angemeldet war. „Dabei haben wir kein Megafon und nichts verwendet.“ Theoretisch hätten sie, so Ongaro, die Aktion noch spontan anmelden können. Sie hätten aber geglaubt, das sei nicht nötig.
Dass nur er dafür bestraft werden soll, hält er auch für unlogisch: „Wir haben das als Team geplant. Es war reiner Zufall, dass ich mit dem Beamten gesprochen habe.“
Den Prozesstermin am Mittwoch vor dem Amtsgericht in Düsseldorf wollen die Fifty-Fifty-Leute nutzen, um noch einmal das Thema Wohnungsnot in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie werden ab 9 Uhr wieder ihr Freiluft-Wohnzimmer aufbauen, diesmal vor dem Gerichtsgebäude an der Werdener Straße. Die Veranstaltung ist auch ordnungsgemäß angemeldet. Der Prozess beginnt um 9.45 Uhr im Saal E 111.